Review: Paradise Hills – Flucht aus dem Wunderland (Film)

Am Dienstag schuldig geblieben, komme ich stattdessen heute zu einem Film, an dem sich sicherlich die Geister scheiden werden, was einfach damit zusammenhängt, dass er einem sehr eigenwilligen Konzept folgt und eine – meines Erachtens – recht unspezifische, aber spezielle Zielgruppe hat. Schlecht fand ich ihn nicht, aber lest selbst.

Paradise Hills
Flucht aus dem Wunderland

Paradise Hills, ES/USA 2019, 95 Min.

Paradise Hills - Flucht aus dem Wunderland | © Koch Media
© Koch Media

Regisseurin:
Alice Waddington
Autoren:
Brian DeLeeuw
Nacho Vigalondo

Main-Cast:

Emma Roberts (Uma)
Danielle Macdonald (Chloe)
Awkwafina (Yu)
Jeremy Irvine (Markus)
Arnaud Valois (Son)
Eiza González (Amarna)
Milla Jovovich (The Duchess)

Genre:
Fantasy | Science-Fiction | Mystery | Thriller

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Paradise Hills - Flucht aus dem Wunderland | © Koch Media
© Koch Media

Es ist die nahe Zukunft und die Kluft zwischen Arm und Reich klafft größer denn je, wobei Uma definitiv zur elitären, regelrecht aristokratisch anmutenden Oberschicht gehört. Das hilft ihr allerdings auch nicht, als sie verwirrt und orientierungslos in einem fremden Bett erwacht und bald feststellen muss, sich in einer Art Luxus-Besserungsanstalt zu befinden, aus der sie schnellstmöglich zu entkommen versucht. Das ist aber gar nicht mal einfach, denn die pittoreske Anlage befindet sich auf einer Insel. Widerwillig fügt sie sich zunächst in ihr Schicksal, wohlwissend, dass es um nichts anderes gehen soll, als sie zu überzeugen, den schmierigen Son aus gutem Hause zu ehelichen. Herz und Gesicht des eigenwilligen Therapieprogramms ist die mysteriöse Herzogin, die sich zwar freundlich gibt, offenkundig aber einiges zu verbergen hat. Entsprechend dauert es nicht lang, bis Uma gemeinsam mit ihren neuen Freundinnen und Leidensgenossinnen Amarna, Chloe und Yu einen neuen Fluchtplan schmiedet. Doch schon während der Planung stoßen sie auf einiges mehr, was in der Besserungsanstalt ganz und gar nicht mit rechten Dingen zuzugehen scheint…

Rezension:

Zunächst einmal gilt es tatsächlich bei Paradise Hills, das Ganze einem Genre zuordnen zu können, denn nichts wäre dem Film abträglicher, als dass er durch falsche oder überhöhte Erwartungen enttäuschen würde. So ist es zwar richtig, dass man das Ganze grundsätzlich im Feld der Science-Fiction verorten könnte, doch hält sich das auffallend zurück und wird lediglich an schwebenden Autos und einigen wenigen Hologrammen deutlich, derweil das Gezeigte ansonsten wenig futuristisch, weit eher sogar altmodisch anmutet, was auch der allgegenwärtigen Differenzierung zwischen Ober- und Unterschicht Rechnung trägt, denn hinsichtlich Klassengesellschaft hat man in dieser Zukunft tatsächlich noch einen gehörigen Schritt zurück gemacht, was aber auch später für die Geschichte noch von Bedeutung sein wird. Dessen ungeachtet sollte man es aber auch mit dem Wörtchen "Science" nicht zu genau nehmen und bewusst registrieren, dass sich der Film gleichsam dem Fantasy-Genre zurechnen lässt, denn längst nicht alles, was hier im Verlauf von unter zwei Stunden geschieht, lässt sich im Nachhinein nach logischen Gesichtspunkten erklären.

Szenenbild aus Paradise Hills - Flucht aus dem Wunderland | © Koch Media
© Koch Media

Böse Zungen könnten jetzt wieder von dem oft bemühten Grundsatz "Style Over Substance" anfangen und hätten damit nicht einmal Unrecht, auch wenn es dem Film nicht gerecht wird, ihn lediglich auf sein artifizielles Äußeres zu reduzieren. Der Look allerdings, die Kostüme ebenso wie die allgegenwärtigen Rosen, ist durchaus von immanenter Bedeutung für Umas Erlebnisse, denn wie schon der – ausnahmsweise clever gewählte – deutsche Untertitel Flucht aus dem Wunderland vermuten lässt, haben sich Regisseurin Alice Waddington und die Drehbuchautor*innen gehörig von Alice im Wunderland inspirieren lassen, um daraus allerdings ein phantasmagorisches, in leicht futuristischem Setting angesiedeltes Märchen für Erwachsene zu machen. Und wie das bei Märchen eben öfter so der Fall ist, sollte man es demnach mit der Logik nicht allzu genau nehmen und des Weiteren darüber hinwegsehen können, dass manches nur allzu offensichtlich ist, wie etwa, dass in der Besserungsanstalt so einiges im Argen liegt, wozu es keiner drei Minuten Aufenthalt dort bedarf, um das mitzubekommen. Ebenso offenkundig ist natürlich die mysteriöse Herzogin – routiniert, aber wenig spektakulär verkörpert von Milla Jovovich (Hellboy) – Strippenzieherin, Geheimniskrämerin und mitnichten ungefährlich, was sich gleichsam später bewahrheiten wird.

Es ist wirklich einiges vorhersehbar, wenig innovativ und schlussendlich nicht geneigt, Paradise Hills aus der Masse hervorzuheben, so dass hier vorrangig der merkwürdige, märchenhafte, bonbonfarbene Look bleibt, die entrückt und unwirklich wirkende Zukunft, deren konkrete Ausgestaltung sich einem aber ebenso entzieht wie im Grunde alles, was sich fernab des Eilands abspielt, auf dem sich Protagonistin Uma gefangen sieht. Die wiederum wird zumindest mit Verve von Emma Roberts (Billionaire Boys Club)gegeben, die beispielsweise im Gegensatz zu Jovovich dann auch deutlich vielschichtiger agieren darf, gleichwohl man über ihre Figur ebenfalls nicht ungemein viel erfährt. Trotzdem funktioniert die Chemie zwischen ihr und den neuen Freundinnen vor Ort, so dass es eher erzählerische Ungereimtheiten sind, die hier sauer aufstoßen. So bekommen die Mädchen allesamt zur gleichen Zeit ein Makeover spendiert, obwohl zuvor kommuniziert worden ist, dass sich Chloe (Danielle Macdonald) und Yu (Awkwafina, Jumanji 2) schon länger auf der Insel befinden. Das sollte man aber alles nicht zu sehr auf die Goldwaage legen, zumal Waddingtons Film-Debüt einerseits kaum den Anspruch erhebt, logisch oder realistisch sein zu wollen, andererseits offenkundig vom Skurrilen, Entrückten, Verwirrenden lebt (und zur Kunstform erhebt, wie sich nicht nur an einem Karussellpferd belegen lässt, das dazu dient, Uma bis zur Decke zu fahren, um sie dort mit visualisierten, möglicherweise manipulierten Erinnerungen in Hologrammform zu konfrontieren, derer sie sich nicht entziehen kann.

Szenenbild aus Paradise Hills - Flucht aus dem Wunderland | © Koch Media
© Koch Media

Letztlich steht und fällt der Film aber mit der Akzeptanz dessen, was man hier im letzten Drittel abfackelt, denn während es dem märchenhaften Charakter entspricht und auch das Thema "Fantasy" betont, muss hier eben auch die willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit bemüht werden, wenn man nicht haltlos mit den Augen rollen möchte und auch muss gestehen, dass Gefühl gehabt zu haben, Waddington schieße hier ein wenig über das Ziel hinaus. Nichtsdestotrotz wusste sie mich zu überraschen mit dem, was auf der Insel vor sich geht, auch wenn die große Richtung natürlich früh zu erahnen ist, nicht aber ihre konkrete Ausgestaltung. So driftet Paradise Hills aber noch ein gutes Stück in Richtung Arthouse und wird so einige verprellen, die sich eine handfeste Erklärung wünschen, wobei der Zirkelschluss zum Ende hin einerseits schön ist, andererseits souveräner hätte inszeniert werden können. Fakt ist aber auch, dass allein die optische Vision und Stringenz durchaus Lust macht, im Auge zu behalten, was die Regisseurin künftig so realisieren wird, auch wenn dieser Film mit seinen zartrosa Akzenten, der haltlos zusammenfabulierten Geschichte, einer wenig ausformulierten Welt und letztlich einem Übermaß an Ambition in Kombination mit noch nicht ausgereifter dramaturgischer Finesse wohl stets nur einem ausgesucht kleinen Publikum ein anerkennendes Nicken abringen wird. Lässt man sich auf die phantasmagorische Prämisse des Ganzen ein oder mag grundsätzlich Filme außerhalb der erzählerischen und/oder inszenatorischen Norm, könnte man hier durchaus Gefallen dran finden.

Fazit & Wertung:

Alice Waddington arrangiert in Paradise Hills – Flucht aus dem Wunderland eine assoziative und schwelgerische Phantasmagorie vor futuristisch wie anachronistisch angehauchtem Setting, die wild zwischen Science-Fiction, Fantasy und Mystery-Thriller mäandert und manches Mal fordert, dass man ein bis zwei Augen zudrückt, doch die inszenatorische Opulenz, mit einfachsten Mitteln bewerkstelligt, kündet von einer künstlerischen Vision, die allein schon neugierig macht und fasziniert.

6,5 von 10 Verstörenden Behandlungsmethoden und Ereignissen

Paradise Hills – Flucht aus dem Wunderland

  • Verstörende Behandlungsmethoden und Ereignisse - 6.5/10
    6.5/10

Fazit & Wertung:

Alice Waddington arrangiert in Paradise Hills – Flucht aus dem Wunderland eine assoziative und schwelgerische Phantasmagorie vor futuristisch wie anachronistisch angehauchtem Setting, die wild zwischen Science-Fiction, Fantasy und Mystery-Thriller mäandert und manches Mal fordert, dass man ein bis zwei Augen zudrückt, doch die inszenatorische Opulenz, mit einfachsten Mitteln bewerkstelligt, kündet von einer künstlerischen Vision, die allein schon neugierig macht und fasziniert.

6.5/10
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Paradise Hills – Flucht aus dem Wunderland ist am 28.01.21 auf DVD und Blu-ray bei Koch Media erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

DVD:

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vgw

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