Passend zum (filmischen) Oktober-Ausstand habe ich dann wenigstens heute noch mal was Gruseliges im Gepäck, wo es doch schon den Rest des Monats kaum hingehauen hat mit dem Themenschwerpunkt.
Relic
Relic, AU/USA 2020, 89 Min.
© LEONINE
Natalie Erika James
Natalie Erika James
Christian White
Emily Mortimer (Kay)
Robyn Nevin (Edna)
Bella Heathcote (Sam)
Horror | Mystery | Thriller
Trailer:
Inhalt:
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Als die alleinlebende, schon ziemlich betagte Edna eines Tages spurlos verschwindet, wird ihre Tochter Kay kontaktiert, die gemeinsam mit ihrer eigenen Tochter Sam aus Melbourne anreist, um nach dem Rechten zu sehen und sich mit der Polizei auseinanderzusetzen. Für Kay ist es merkwürdig, ins Haus ihrer Mutter zurückzukehren und die zahllosen Notizzettel und der verwahrloste Zustand des Hauses erschrecken sie. Nicht allerdings so, wie die grausigen Alpträume, die sie alsbald zu plagen beginnen, während auch das Verhältnis zu Tochter Sam durchaus angespannt ist. Dann allerdings kehrt Edna unerwartet heim, hüllt sich aber in Schweigen, wo sie gewesen und was ihr widerfahren ist. Ob sie allerdings aus reiner Bockigkeit auf stur schaltet oder es schlichtweg selbst nicht mehr weiß, wird längere Zeit ein Rätsel bleiben. Derweil verstören Kay und Sam nicht nur die auffallenden Stimmungsschwankungen von Edna, sondern auch die merkwürdigen Geräusche und Geschehnisse innerhalb des abgelegenen Hauses…
Rezension:
Diesen Monat hat es ja wirklich kaum gelangt, dem Horrorctober alle Ehre zu machen und nur sehr sporadisch ist ein entsprechender Film in meine Watchlist und im Anschluss auf das Blog gerutscht, der dem Genre entspräche, weshalb es mich umso mehr freut, zumindest zum Abschluss noch einmal einen Horrorfilm vorstellen zu können, der noch dazu exakt heute im lokalen Handel aufgeschlagen ist. Dabei ist Relic aber freilich auch eher ein Gruselfilm der leisen Töne und mitnichten ein beinharter Schocker, was aber nichts daran ändert, dass er reichlich beklemmend und auf einer psychischen Ebene "schlimm" daherkommt, was daran liegt, dass der gesamte Film im Grunde seinen Horror aus der Prämisse zieht, hier die garstige Krankheit Demenz mit den üblichen Mitteln des Genres auf überhöhte und oftmals erschreckende Weise zu inszenieren. Das ist oftmals reichlich perfide, weil abgesehen von den wirklich übernatürlichen Szenen nah an der Realität und dementsprechend reichlich dramatisch, womit man hier aber über weite Strecken eher von einem mit (gruseligen) Fantasy-Elementen angereicherten Familiendrama sprechen kann.
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Im Kern geht es hierbei um die einerseits schwierige Beziehung von Kay zu ihrer Mutter Edna, andererseits zu ihrer eigenen Tochter Sam, so dass sich eine Art Generationenkonflikt auf engstem Raum entspinnt, denn auch wenn es ab und an aus den Gemäuern des Hauses hinaus in die Welt geht, spielen sich doch weite Teile des Films in eben diesem alten, heruntergekommenen Haus ab, was schon ein Stück weit in Richtung Kammerspiel geht, wenn da eben nicht die Ausflüge zur Polizei oder ins Altersheim wären, in dem Kay ihre Mutter zwischenzeitlich einzuquartieren gedenkt. Das Thema Demenz kommt aber mitnichten nur auf verstörend-übernatürlichem Wege daher, sondern auch ganz profan und greifbar in Form von zahllosen Notizzetteln, die Edna im gesamten Haus verteilt hat, ganz abgesehen von der zwar generischen, aber effektiven Eröffnungsszene, in der man eine reichlich verwirrte und desorientierte Edna erlebt, die schlichtweg vergessen hat, das Wasser in der Wanne abzudrehen, während sie wie gebannt auf die entschwindende und wieder erleuchtende Weihnachtsbeleuchtung starrt.
So ist der von Natalie Erika James inszenierte Film vielerorts kein Werk der subtilen Mittel und zaghaften Andeutungen und die Parallele zwischen der realen Demenz von Edna und der bedrohlichen Präsenz einer ähnlich gelagerten, diffusen Bedrohung lässt sich relativ früh und leicht ziehen, doch geht es eben weit weniger um den Mystery-Touch des Gezeigten, sondern um ein stilisiertes Ausformulieren der realen Schrecken, die mit der Krankheit einhergehen. Gemeinsam mit dem Vergessen verändert sich nämlich auch zusehends der Charakter von Edna und insbesondere deren Enkelin Sam muss das mit Schrecken am eigenen Leib erfahren, wenn ihre Großmutter sich plötzlich nicht mehr erinnert, ihr ihren alten Ehering geschenkt zu haben und sie folglich des Diebstahls bezichtigt. Relic lässt dafür aber relativ lange im Dunkeln, wohin die Reise denn nun gehen soll, wobei natürlich auch dieses Unstete und Diffuse Programm sein mag und zum Konzept des Gezeigten gehört. Spätestens im letzten Drittel aber bricht sich dann ein mehr als realer, aber kaum fassbarer schrecken Bahn und selbst jene, die mit eher leisen Gruselfilmen nicht allzu viel anfangen können, dürften sich hier bei so manchem Moment versöhnlich zeigen, auch wenn ich ausdrücklich keine Empfehlung ausspreche, wenn man sich von einem Horrorfilm anderthalbstündigen Terror ohne Verschnaufpause erhofft, denn das kann dieser schlicht nicht bieten und liefern.
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Muss er aber meines Erachtens auch nicht, denn allein das Dreiergespann aus Hauptdarstellerinnen, namentlich Emily Mortimer (The Party) als zunehmend verzweifelte Kay, Robyn Nevin als zunehmend verwirrte Edna und nicht zuletzt Bella Heathcote (The Neon Demon) als zunehmend verstörte Sam machen ihre Sache durchweg großartig, während Look und Inszenierung, vor allem aber die allgemeine Bildsprache zu überzeugen wissen und auch hier wieder das Spukhaus selbst im Grunde als eigener Charakter zu werten ist. Die angedeutete Erklärung für die Bedrohung innerhalb des Hauses, die Herkunft des demenziellen Schreckens quasi hätte man sich zwar auch sparen können, doch fällt das kaum störend ins Gewicht. Und spätestens im Finale erobert sich Relic dann auch einiges an dramaturgischen Alleinstellungsmerkmalen zurück, denn das der beklemmende und bestürzt machende Reigen auf dieser Note enden würde, hätte ich zuvor nicht gedacht, derweil auch hier wieder eine einzelne Einstellung genügt, um ein weiteres und letztes Mal auf das allzu reale Thema Demenz abzustellen, das hier eben Thema und Auslöser einer noch grausigeren Bedrohung ist. Diesem Thema bleibt sich der Film nämlich bis zuletzt treu und punktet diesbezüglich auch auf ganzer Linie, auch wenn es eben nicht die übliche Art Horror ist, wie man ihn sich vielleicht erwartet.
Relic
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Im Haus verteilte Notizzettel - 7/10
7/10
Fazit & Wertung:
Natalie Erika James inszeniert mit Relic einen nur selten klassischen Horrorfilm und nutzt lieber ihre Prämisse, hier mit einer zu dämonischer Präsenz und Besessenheit hochstilisierten Form der Demenz zu schockieren, was ihr insbesondere dank ihrer drei Hauptdarstellerinnen auf emotionaler Ebene mehr als gelingt. Wirklich zum Gruseln ist das zwar selten, aber auf einer ungemein realitätsnahen Ebene beklemmend und verstörend, denn während die übernatürlichen Schrecken der stilistischen Ausgestaltung geschuldet sind, ist der Schrecken des Erinnerungs- und Identitätsverlustes nur allzu real.
Relic ist am 30.10.2020 auf DVD und Blu-ray bei LEONINE erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!