Review: Lost Girls (Film)

Heute ein paar Worte zu einer Netflix-Produktion, die zunächst an mir vorbeigerauscht ist und von der ich mir dann doch etwas mehr erhofft hätte, als dieses – immerhin atmosphärisch überaus gelungene – True-Crime-Drama dann letztlich zu bieten hatte.

Lost Girls

Lost Girls, USA 2020, 95 Min.

Lost Girls | © Netflix
© Netflix

Regisseurin:
Liz Garbus
Autoren:
Michael Werwie (Drehbuch)
Robert Kolker (Buch-Vorlage)

Main-Cast:
Amy Ryan (Mari Gilbert)
Thomasin McKenzie (Sherre Gilbert)
Lola Kirke (Kim)
Gabriel Byrne (Richard Dormer)
in weiteren Rollen:
Oona Laurence (Sarra Gilbert)
Dean Winters (Dean Bostick)
Miriam Shor (Lorraine)
Reed Birney (Peter Hackett)
Kevin Corrigan (Joe Scalise)

Genre:
Drama | Mystery | Thriller

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Lost Girls | © Netflix
© Netflix

Mari Gilbert müht sich nach Kräften, sich und ihre zwei Töchter mit zwei Jobs über Wasser zu halten, nachdem sie als junge Mutter einst ihre erste Tochter Shannan noch zu Pflegeeltern geben musste, weil sie diese nicht selbst versorgen konnte. Es ist ein schwieriges, entbehrungsreiches Leben, doch zuliebe ihrer zwei jüngeren Kinder Sherre und Sarra nimmt Mari alles in Kauf. Als aber eines Tages Shannan nicht zu einem anberaumten Familientreffen erscheint und nichts von sich hören lässt, beginnt Mari misstrauisch zu werden. Ihre Befürchtungen erhärten sich und Shannan bleibt verschwunden, während die hiesige Polizei keine große Hilfe darstellt. Mari beginnt selbst, Nachforschungen anzustellen und erfährt, dass Shannan als Callgirl gearbeitet hat und über diese Verbindung gelingt es dem ermittelnden Commissioner Doman tatsächlich bald, gleich mehrere Leichen junger Frauen ausfindig zu machen, die sich ebenfalls für Sex auf Craigslist angeboten haben. Shannan allerdings ist nicht unter den Opfern und während die Polizei erneut wenig engagiert scheint, dem Fall verschwundener Prostituierter noch weitere Aufmerksamkeit zu widmen, geht Mari weiter eigene Wege, um über das Schicksal ihrer Tochter Gewissheit zu erlangen…

Rezension:

Ausgerechnet über Thomasin McKenzie (Jojo Rabbit), die hier die Tochter der eigentlichen Protagonistin Mari Gilbert verkörpert und gar nicht mal so viel zu tun bekommt, bin ich auf Lost Girls gestoßen, der bereits seit beinahe einem Jahr im Netflix-Programm zu finden ist und leider eines der vielen Beispiele ambitionierter, aber letztlich nur mittelprächtiger Filme ist, mit denen sich der Streaming-Gigant zuhauf umgibt. Einerseits sind Ausgangslage und Prämisse lohnend, zumal True-Crime-Fälle auch fernab von entsprechend gearteten Dokus ja durchaus spannend inszeniert werden können und hier mit Liz Garbus auch eine als Dokumentarfilmerin versierte Regisseurin auf dem Stuhl Platz nimmt, andererseits aber ist dieser spezifische Fall mangels Auflösung und damit einhergehender Katharsis nur bedingt geeignet für ein Drama, das natürlich gleichsam packender Kriminalfall sein will.

Szenenbild aus Lost Girls | © Netflix
© Netflix

So macht Lost Girls insbesondere zu Beginn noch eine enorm vielversprechende Figur, wenn mit feinem Pinselstrich das Milieu von Mari Gilbert in wenigen wie effektiven Einstellungen umrissen wird und man sich dem Geschehen noch von der rein emotionalen Seite nähert. Das funktioniert natürlich insbesondere dank dem intensiven wie einnehmenden Schauspiel von Amy Ryan superb, die seinerzeit in dem thematisch ähnlich gelagerten Gone Baby Gone bereits zu überzeugen wusste und hier nun in der Hauptrolle als sorgende und unbeirrbare Mutter Mari Gilbert auftrumpft, die über weite Strecken im Fokus der Erzählung steht. Das passt, schließlich geht es ja um das immense Engagement und die Verbissenheit einer zunehmend verzweifelten Mutter und eben nicht um die polizeilichen Ermittlungen als solche. Dadurch wird insbesondere Commissioner Doman (Gabriel Byrne, Maniac) ein ziemlich undankbarer Part am Rande der Ereignisse zugeschustert, der im schlimmsten Fall noch als Projektionsfläche für das gründliche Versagen – oder den ausgesprochenen Unwillen – der staatlichen Ermittlungsbehörden herhalten muss.

Dennoch tut Lost Girls gut daran, vorrangig auf die von Ryan verkörperte Gilbert zu fokussieren und findet damit den bestmöglichen Anker, der Geschichte Emotionen und Anteilnahme zuteilwerden zu lassen. Das funktioniert gerade zu Beginn nämlich wunderbar, zumal Garbus eben gleichermaßen ungewöhnliche Einstellungen und Bilder findet, auf der anderen Seite altbekannte Stereotypen und inszenatorische Klassiker bedient, diese aber in einem bestechenden Stil kredenzt, so dass ihr Film trotz vorherrschender Tristesse und Monotonie zu fesseln versteht. Doch krankt die Dramaturgie hier leider an der Realität, denn so, wie die Ermittlungen zum Erliegen kommen, verliert auch die Erzählung an Drive und Verve, muss sich mit Redundantem und wenig Zielführenden begnügen, weiß schließlich ebenso sehr wie der Zuschauer, dass das Finale ein antiklimatisches, wenig befriedigendes werden wird. Da verhilft zwar kurzzeitig noch einmal Lola Kirke (Gone Girl) als deutlich fatalistischer eingestellte Hinterbliebene noch einmal zu ein wenig frischem Wind, doch ist die eigentliche Prämisse erst einmal etabliert, geht es leider vermehrt bergab in der Spannungskurve des Werks.

Szenenbild aus Lost Girls | © Netflix
© Netflix

Lohnend kann die Sichtung trotzdem sein, nur sollte man seine Erwartungshaltung eben einerseits zurückschrauben und sich andererseits bewusst machen, dass schon das gleichnamige Buch mit dem Untertitel An Unsolved American Crime vermarktet wurde, man also von vornherein nicht darauf hoffen braucht, ein wirklich befriedigendes Ende spendiert zu bekommen, wie das im Leben ja nun einmal auch selten der Fall ist. Die starke Darstellung seitens Amy Ryan, vereinzelte Szenendieb-Momente seitens Lola Kirke und ein grundsätzlich gelungener Look trösten derweil über einiges, aber eben nicht alles hinweg, wobei es schon auffällig ist, dass auch hier wieder Michael Werwie für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, der mir schon Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile mit einer zunächst vielversprechenden, schlussendlich aber zunehmend profaner und plakativer wirkenden Prämisse ein Stück weit verleidet hat. Im direkten Vergleich aber macht Lost Girls dann aufgrund erzählerischer Kohärenz knapp die bessere Figur.

Fazit & Wertung:

Liz Garbus widmet sich in Lost Girls einem wichtigen wie tragischen Thema, vermag insbesondere zu Beginn auch inszenatorisch zu punkten und mit einer eindrücklich spielenden Amy Ryan zu punkten, verliert im weiteren Verlauf aber merklich an Drive, wodurch das True-Crime-Drama leider merklich hinter seinen Möglichkeiten bleibt.

6 von 10 verzweifelten Anstrengungen, die eigene Tochter zu finden

Lost Girls

  • Verzweifelte Anstrengungen, die eigene Tochter zu finden - 6/10
    6/10

Fazit & Wertung:

Liz Garbus widmet sich in Lost Girls einem wichtigen wie tragischen Thema, vermag insbesondere zu Beginn auch inszenatorisch zu punkten und mit einer eindrücklich spielenden Amy Ryan zu punkten, verliert im weiteren Verlauf aber merklich an Drive, wodurch das True-Crime-Drama leider merklich hinter seinen Möglichkeiten bleibt.

6.0/10
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Lost Girls ist seit dem 13.03.2020 exklusiv bei Netflix verfügbar.

vgw

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