Ja, auch an einem freien Tag wie heute lasse ich den Blog natürlich nicht einfach Blog sein, sondern habe da selbstredend mal wieder etwas vorbereitet, in diesem Fall nämlich eine wirklich längst überfällige Rezension zu einem Film, den ich in Anbetracht dessen, wie sehr ich für die Arbeiten von David Fincher brenne, eigentlich schon vor laaanger Zeit hätte sehen müssen.
Gone Girl
Das perfekte Opfer
Gone Girl, USA 2014, 149 Min.
© Twentieth Century Fox
David Fincher
Gillian Flynn (Drechbuch & Buch-Vorlage)
Ben Affleck (Nick Dunne)
Rosamund Pike (Amy Dunne)
Neil Patrick Harris (Desi Collings)
Tyler Perry (Tanner Bolt)
Carrie Coon (Margo Dunne)
Kim Dickens (Detective Rhonda Boney)
Patrick Fugit (Officer James Gilpin)
David Clennon (Rand Elliott)
Lisa Banes (Marybeth Elliott)
Missi Pyle (Ellen Abbott)
Emily Ratajkowski (Andie Fitzgerald)
Casey Wilson (Noelle Hawthorne)
Lola Kirke (Greta)
Boyd Holbrook (Jeff)
Sela Ward (Sharon Schieber)
Drama | Mystery | Thriller
Trailer:
Inhalt:
© Twentieth Century Fox
Der fünfte Hochzeitstag von Nick und Amy Dunne beginnt wie jeder andere in dem verschlafenen Städtchen von North Carthage, Missouri, doch während die beiden nach außen hin das Vorzeige-Ehepaar abgeben, kriselt es im privaten Rahmen bereits seit einiger Zeit gehörig und so verwundert es kaum, dass Nick sich zunächst bei seiner Schwester Margo Luft macht, mit der er gemeinsam eine Bar betreibt, bevor er nach Hause heimkehrt, um dort festzustellen, dass seine Frau spurlos verschwunden zu sein scheint. Nicht nur ein zerbrochener Glastisch legt die Vermutung nahe, dass Amy womöglich gewaltsam entführt worden ist, doch die Polizei, die Nick eilends zur Hilfe ruft, wird bald skeptisch, als sich bei den Spuren einzelne Ungereimtheiten ergeben.
Von den Medien indessen wird das Verschwinden von Amy Dunne alsbald zum Ereignis sondergleichen aufgebauscht, handelt es sich bei ihr schließlich auch um die Vorlage zu der ungemein erfolgreichen Kinderbuchreihe Amazing Amy, mit der ihre Eltern Rand und Marybeth weltweit berühmt geworden sind. Während sich Amys Eltern darum bemühen, über das Fernsehen Kontakt zu dem oder den Entführern aufzunehmen und Suchtrupps und dergleichen mehr organisieren, ist Nick einerseits betroffen, andererseits erleichtert durch Amys Verschwinden, was mitunter ein Grund dafür sein könnte, dass er sich zuweilen ungeschickt gegenüber den Vertretern der Medien präsentiert, die ihn alsbald aufs Korn zu nehmen beginnen, ebenso wie die Polizei beschließt, den Ehemann weitergehend zu durchleuchten, der ein ums andere Mal beteuert, nichts mit dem Verschwinden seiner Frau zu tun zu haben. Die Spuren indes und selbst besorgte Nachbarinnen sprechen in dieser Hinsicht eine ganz andere Sprache…
Rezension:
Nun habe ich mir also tatsächlich auch endlich Finchers derzeit noch aktuellsten Film Gone Girl angesehen und muss sagen, dass sich auch dieser wieder trefflich ins Œuvre des Ausnahme-Regisseurs zu fügen weiß, wobei der Film – bekanntermaßen eine Literatur-Adaption des gleichnamigen Romans von Gillian Flynn – sicherlich am besten funktioniert, wenn man die Vorlage idealerweise nicht kennt, da dem Film, obschon gestrafft und von der Autorin selbst für das Medium Film entsprechend gestutzt, ansonsten einige Überraschungsmomente abhandenkommen, die für das wieder einmal ungemein stimmige Gesamtbild nicht gerade unwichtig sind, wenngleich man auch sagen muss, dass der Film nicht wirklich einen Hehl daraus macht, was mit Nick Dunnes verschwundener Frau passiert sein mag oder wer die Schuld an ihrem Verschwinden trägt, so dass der sich nach einer guten Stunde vollziehende Twist in seinem Kern gar nicht einmal so überraschend ist, dank extrem starker Bebilderung und ausformulierten Zusammenhängen aber dennoch die Spannungskurve hochhält, was ohnehin eine der Stärken Finchers ist, die er auch hier wieder zu nutzen weiß, ist der Film mit seinen zweieinhalb Stunden nämlich beinahe gänzlich ohne actionreiche oder auf echten Thrill setzende Passagen und fesselt dennoch über die gesamte Laufzeit, da Atmosphäre und Inszenierung hier mit schlafwandlerischer Sicherheit eine mehr als konsistente Einheit bilden.
© Twentieth Century Fox
Der Film eröffnet bereits mit einer irritierend subtil schockierenden Szene, deren genau Verortung erst ganz zum Schluss möglich sein wird, gleichermaßen aber einen wunderbaren Foreshadowing-Moment darstellt, der bereits den Grundton der Erzählung umreißt, bevor selbige überhaupt richtig begonnen hat. Diese wiederum nimmt dann ihren Anfang zum fünfjährigen Hochzeitstag von Nick und Amy Dunne, wobei das Geschehen gänzlich auf den von Ben Affleck (Argo) gespielten Nick fokussiert, dessen Besetzung von Seiten Fincher übrigens kaum überraschend ist, denn was man auch von Ben Affleck als Darsteller halten mag, kennt doch auch sicherlich jeder sein schelmisches Grinsen und eben jener beinahe schon ikonische Gesichtsausdruck spielt eine nicht gerade kleine Rolle, wenn sich der Mystery-Krimi, der sich nach dem Verschwinden von Nicks Frau entfaltet, im weiteren Verlauf des Films auch mehr und mehr zur Mediensatire wandelt, wenn sich dann nämlich Film und Fernsehen darauf stürzen, dass Nick dank seiner anerzogenen Freundlichkeit selbst bei den Pressekonferenzen gute Miene zum bösen Spiel macht und freundlichst in die Kamera lächelt, was ihm natürlich dergestalt ausgelegt wird, als würde er sich überhaupt nicht um das Verschwinden seiner Frau scheren.
Der Auftakt nebst erster Stunde Spielzeit legt dann auch die Messlatte für den weiteren Verlauf des Films enorm hoch, über den ich mich natürlich aufgrund von Spoiler-Gefahr weitestgehend ausschweigen werde, doch kommt hier – abgesehen von einigen zu Beginn eingewobenen Rückblenden, die als Tagebucheintrag von Amy aus dem Off heraus kommentiert beziehungsweise vorgelesen werden – nun auch Rosamund Pike (The World’s End) zum Zug und ihr ist es auch zu verdanken, dass dieser Stimmungs- und Richtungswechsel im Film so hervorragend funktioniert, denn sie spielt sich wirklich die Seele aus dem Leib und läuft – insbesondere allein was den Anspruch ihrer Rolle allgemein betrifft – Affleck doch zugegebenermaßen spielend den Rang ab. Doch auch von den beiden Ehepartnern abgesehen, die – beim Titel Gone Girl nicht verwunderlich – kaum gemeinsame Szenen haben, glänzt aber auch der Rest der Besetzung und wieder einmal schimmert das feine Gespür durch, auch kleinste Rollen adäquat zu besetzen, so dass hier Kim Dickens als Detective Rhonda Boney deutlich resoluter erscheint als in ihrer Rolle bei Fear the Walking Dead, derweil auch die aus Mozart in the Jungle bekannte Lola Kirke herrlich gut gegen den Strich besetzt worden als White-Trash-Schlampe in Erscheinung treten darf, wobei die eigentlichen Highlights zweifelsohne Tyler Perry als extrovertierter wie gleichermaßen versierter Staranwalt Tanner Bolt sowie Neil Patrick Harris als Amys frühere Liebschaft Desi Collings darstellen.
© Twentieth Century Fox
So ist David Fincher nach Verblendung ein weiterer, über die Maßen überzeugender Thriller gelungen, der einmal mehr auf einer Buchvorlage fußt, doch von diesen Eckdaten einmal abgesehen, lassen sich die Filme in ihrem Ton und ihrer Ausrichtung nur schwerlich vergleichen, was für das Schaffen des Regisseurs spricht, dessen Filme für sich genommen seit geraumer Zeit kleine Meisterwerke darstellen und dem es hier gelingt, Suspense mit gänzlich anderen Mitteln zu erreichen als man das vielleicht erwarten würde, gerade dadurch aber auch einmal mehr zu begeistern versteht, selbst wenn man eben relativ früh ahnt, wohin der Hase läuft, einfach weil es ihm sichtlich mehr Freude bereitet, die Ehe von Nick und Amy – auch durch besagte Rückblenden – ausgiebig zu sezieren und die oft harsche Medienlandschaft zu durchleuchten, deren Verhalten im Film man gerne als überspitzte Karikatur abtun würde, wobei man damit wohl leider von der Wahrheit weiter entfernt wäre, als zu akzeptieren, dass es sich hinsichtlich der sich langsam entfaltenden Hexenjagd auf den Ehemann genau so auch im wahren Leben verhalten könnte. Mit dem für manch einen vielleicht gar unbefriedigenden Finale, das mir jedoch ausgesprochen zugesagt hat und sich sehr gut in Tonalität und Aussage des Films zu fügen wusste, schließt Fincher derweil den Kreis, den er mit der Eingangssequenz eröffnet hat, während man als Zuschauer noch darüber staunt, dass sich zweieinhalb Stunden lange nicht mehr so kurz angefühlt haben.
Gone Girl - Das perfekte Opfer
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Diffamierende Tagebucheinträge - 9/10
9/10
Fazit & Wertung:
Mit Gone Girl beweist David Fincher einmal mehr seine Expertise bei ungewöhnlichen Stoffen und schafft einen durchweg sorgfältig inszenierten Thriller der etwas anderen Art, dem sein inhärenter Twist weit weniger wichtig zu sein scheint als seine Ausflüge in Richtung Mediensatire und Dekonstruktion einer Ehe, womit er aber insbesondere seine beiden Hauptprotagonisten und damit Ben Affleck und vor allem Rosamund Pike zu Höchstform auflaufen lässt.
Meinungen aus der Blogosphäre:
Der Kinogänger: 7,5/10 Punkte
Tonight is gonna be a large one.: 9/10 Punkte
Gone Girl – Das perfekte Opfer ist am 05.02.15 auf DVD und Blu-ray im Vertrieb von Twentieth Century Fox erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!
Wieder einmal keine Überraschung an dieser Stelle, dass wir das doch ganz ähnlich bei identischen Punkten sehen. Freut mich, dass dir der Film so gut gefallen hat! :)
Nein, überraschend nun wirklich nicht, alles andere hätte mich auch extrem gewundert. Aber selbst wenn ich nicht gewusst hätte, dass er dir auch so gut gefallen hat, hätte ich mir keine Gedanken machen müssen, weil Fincher zieht bei mir eigentlich immer ;)
Hach, Rosamund Pike rockt diesen Film famos. Ich bin immer noch ein wenig enttäuscht, das sie für diese Rolle nicht den Oscar bekam. Den hätte sie nämlich wahrlich verdient gehabt.
Wohl wahr, sie war die Überraschung schlechthin in dem Streifen, logischerweise vor allem in der zweiten Hälfte und zum Ende hin. Für DIE Leistung hätte sie alle Preise der Welt verdient.
Den Film mochte ich auch sehr. Ich mochte aber auch schon das Buch. Es gibt aber auch zahlreiche andere, durchaus kritische Stimmen, die den Film nicht so gut wegkommen lassen. Immerhin laufen wir d’accord. :)
Ist natürlich auch immer die Frage, was man sich von einem Film erwartet und ich kann mir schon gut vorstellen, dass jemand, der nur “Thriller” hört, nach ‘Gone Girl’ auch eventuell enttäuscht ist. Umso schöner, dass wir einer Meinung sind :)
Das Buch habe ich ja wie gesagt nicht gelesen und werde ich wohl auch so bald nicht nachholen, gerade jetzt, wo der Überraschungseffekt nicht mehr gegeben ist und in Anbetracht dessen, was ich hier noch alles an Lektüre liegen habe.