Review: Die kalten Sterne | John Birmingham (Buch)

Heute mal wieder etwas zeitiger ein paar Worte zu einem erst behäbigen, dann mitreißenden, letzthin doch ein wenig enttäuschenden Roman, mit dem ich jüngst meine Freizeit verbracht habe. Aber lest selbst, was mir gefallen hat und was ich zu bemängeln hatte.

Die kalten Sterne

The Cruel Stars, USA 2019, 544 Seiten

Die kalten Sterne von John Birmingham | © Heyne
© Heyne

Autor:
John Birmingham
Übersetzerin:
Maike Hallmann

Verlag (D):
Heyne Verlag
ISBN:
978-3-453-32077-2

Genre:
Science-Fiction | Action | Thriller

 

Inhalt:

»Wir sind mit voller Besatzung unterwegs, Defiant?«, fragte sie laut, es war auch eine Feststellung. Eine volle Besatzung war in Friedenszeiten recht ungewöhnlich, ganz besonders auf einer einfachen Patrouillenfahrt wie dieser.

Der Krieg mit den Sturm liegt nun schon mehrere Jahrhunderte zurück und die meisten haben die Bedrohung vergessen, die von der radikalen Vereinigung ausging, die strikt gegen jede Art von Cyber-Implantaten und Modifikationen am menschlichen Körper war, was auch die Neuralnetze miteinschließt, die im Großvolumen der verschiedenen Welten zumindest bei der wohlhabenderen Bevölkerung schier allgegenwärtig sind. Das Militär erinnert sich aber freilich noch an die einstige Bedrohung und überwacht die unerforschten Bereiche des Alls, die den Sturm als neue Heimat hätten dienen können. Als eine Anomalie festgestellt wird, ist es das Armadalen-Kampfschiff Defiant, das entsandt wird, der Sache auf den Grund zu gehen. Unter Führung von Kapitän Torvaldt ist auch Leutnant Lucinda Hardy Teil der Besatzung und ahnt nicht, dass der überraschende wie verheerende Vergeltungsschlag der Sturm kurz bevorsteht und die Galaxis ins Chaos zu stürzen droht. Darüber hinaus hat deren Anführer, Archon-Admiral Wenbo Strom, den Plan gefasst, Prinzessin Alessia vom Haus Montanblanc zu entführen und für seine Zwecke zu missbrauchen. Unterdessen werden sowohl der ehemalige terranische Kriegsheld Frazer McLennan, der zum Tode verurteilte Quell-Coder Booker und die durchtriebene Gaunerin Sephina und ihre Crew Zeuge dessen, was die Sturm von langer Hand für die bewohnten Welten geplant haben müssen…

Rezension:

Auch diese Woche habe ich mich wieder einem Science-Fiction-Roman gewidmet, der seinerseits – wie ich zum Glück schon im Vorfeld feststellen konnte, denn ein entsprechender Hinweis findet sich am oder im Buch nirgends – mal wieder Auftakt einer Trilogie oder Reihe sein wird. Das ist natürlich weiterhin schlechte Kommunikation von Seiten des Verlags, soll aber die Bewertung nicht beeinflussen, zumal ich ja zum Glück im Bilde gewesen bin, mit Die kalten Sterne keinen in sich abgeschlossenen Roman serviert zu bekommen. Obwohl es sich aber grundsätzlich um ein action- und abwechslungsreiches Abenteuer handelt, habe ich leider auch einiges im Detail zu bemängeln, was in der Summe die Freude an der Lektüre doch zunehmend getrübt hat. Das beginnt schon mit dem durchaus üppigen Figurenkonsortium, welches allein ich gar nicht bemängeln möchte, sondern lediglich die Art und Weise, wie einem diese vorgestellt werden. Ein wenig wirkt es nämlich, als würde Birmingham hier eine Reihe Pflichtübungen absolvieren, bevor er die eigentliche Geschichte starten lassen möchte. So lernen wir im ersten Kapitel zunächst Leutnant Lucinda Hardy kennen und hieran anschließend in jedem weiteren Kapitel Frazer, Sephina, Alessia, Booker und Wenbo, bevor es auf Seite 88 (!) erstmalig zurück auf die Defiant und damit zu Lucinda geht.

Sie zwang sich, den Blick abzuwenden, und betrachtete den Rest des Quadranten. Die Heimatwelt der Königlichen Montanblanc-Korporation bildete den dritten Punkt eines fast gleichseitigen Dreiecks, gemeinsam mit den Welten Jawan und Armadale. Die drei Planeten wurden von ihren Monden umkreist und von mehr als einem Dutzend Habs unterschiedlicher Bauart, alle an unterschiedlichen Lagrange-Punkten.

Da kämpft man sich dann schon eher durch die immer neuen Figuren, als das bereits wirkliche Spannung aufkäme, was sich dann aber immerhin schnell ändert, womit Die kalten Sterne unvermittelt und effektvoll an Fahrt aufnimmt. Überhaupt trumpft Autor John Birmingham hier dann auch mit einigen frischen Ideen und einer unerwarteten Handlungsentwicklung auf, nachdem er sich zuvor eher an bekannten Science-Fiction-Versatzstücken abgearbeitet hat, denn weder Neuralnetze noch Cyber-Modifikationen, geschweige denn Aufbau und Fortbewegung der Kampfschiffe sind wirklich neu oder anders als in Dutzenden anderen, grob als "Space Opera" zu kategorisierenden Werken. Dennoch findet er zunehmend seinen Stil und wenn langsam aber sicher die einzelnen Handlungsfäden zusammenzulaufen beginnen, vermag er das sich ergebende Momentum gekonnt zu nutzen. Leider aber weiß demgegenüber das Worldbuilding ebenfalls nicht hundertprozentig zu überzeugen, denn ich kann nicht behaupten, nach diesem Band gänzlich im Bilde zu sein, aus welchen Planeten, Gruppierungen und Allianzen die von ihm entworfene Welt besteht, denn auch wenn vieles angerissen und geteast wird, ergibt sich kein umfassendes und klares Bild von allem, was da so im All kreucht und fleucht.

Zuletzt, um mit der Kritik abschließen zu können, seien dann noch eine Reihe Anachronismen – in Ermangelung eines besseren Wortes nenne ich sie mal so – genannt, denn wenn es auch selten der Fall sein mag, finden hier sowohl Mittelerde als auch Narnia Erwähnung, getoppt von einem Netflix-Verweis. Bei aller Leibe für Popkultur glaube ich nämlich nicht, dass die Bücher oder auch der Streaming-Dienst noch in mehreren Jahrhunderten solch eine Relevanz besitzen werden und entsprechend hat die bloße Namensnennung bei mir schon mehrfach die Immersion zunichte gemacht, ebenso übrigens wie die inflationäre Verwendung des Begriffs "Weltraumnazi". Dadurch krankt Die kalten Sterne an vielen kleinen Stellen an Ungereimtheiten und unnötigem Namedropping, während der Plot und die ersonnene Welt sich eigentlich durchaus sehen lassen können, auch wenn es im weiteren Verlauf zunehmend hektischer und actionreicher werden mag. Auch könnten sich manche an den doch durchaus vorhandenen Gore-, beziehungsweise Splatter-Momenten stören, aber das ist Geschmackssache und auch nicht so gravierend vertreten, dass es störend ins Gewicht fallen dürfte.

Während Herodotus noch sprach, spürte McLennan, wie der Intellekt das von ihm erzeugte kleine Kraftfeld anpasste, um in diesem Teil des Wracks die Luft herunterzukühlen und das grelle, heiße Sonnenlicht abzublocken, das durch den Riss in der Hülle hereinflutete. Gleich darauf konnte McLennan wieder nach draußen sehen und erblickte das Lager, das sich ein paar Hundert Meter weiter südlich in ein ausgetrocknetes Flussbett schmiegte.

Bleibt schließlich und schlussendlich das Problem von Auftaktbänden, dass am Ende des rund 500 Seiten umfassenden Reigens nicht aufgelöst und zum Abschluss gebracht worden ist, sondern die versammelte Riege an (überlebenden) Figuren erst am Anfang ihrer Reise steht, die dann in wenigstens zwei Folgebänden erörtert werden wird. Ein Hinweis hierauf wäre schön gewesen, aber das funktioniert ja schon seit Jahren nicht, wenn man wenige ruhmreiche Ausnahmen unberücksichtigt lässt. Dennoch hätte ich mir gemessen an der Inhaltsangabe und Aufmachung – ich gebe es zu: gemessen an der eigenen Erwartung – ein epischeres, vielschichtigeres Werk erwartet, als Die kalten Sterne letztlich geworden ist, denn wenn man die anfänglich sechs Handlungsstränge auseinanderdröselt und chronologisch sortiert, fällt auf, dass eigentlich gar nicht viel Zeit vergangen und so viel passiert ist, auch wenn sich die Galaxis freilich umwälzenden Veränderungen ausgesetzt sieht. Ich werde auf alle Fälle auch beim zweiten Band wieder zuschlagen, kann den ersten aber dennoch nur unter Vorbehalt empfehlen, da sich hier zu viele kleine, aber ärgerliche Schnitzer, Ungereimtheiten, Patzer häufen, die man allesamt hätte vermeiden können.

Fazit & Wertung:

John Birmingham kredenzt mit Die kalten Sterne den Auftakt einer Science-Fiction-Trilogie, braucht allerdings auch knapp 100 Seiten, bis die eigentliche Story in die Gänge kommt, derweil das Worldbuilding und die Figurenzeichnungen zielführender und konkreter hätten ausfallen können. Einige unpassende Passagen, eine vergleichsweise überschaubare Handlung und das erwartungsgemäß offene Ende trüben den grundsätzlich gelungenen Gesamteindruck allerdings schon merklich.

7 von 10 erbarmungslosen Kämpfen gegen die Sturm

Die kalten Sterne

  • Erbarmungslose Kämpfe gegen die Sturm - 7/10
    7/10

Fazit & Wertung:

John Birmingham kredenzt mit Die kalten Sterne den Auftakt einer Science-Fiction-Trilogie, braucht allerdings auch knapp 100 Seiten, bis die eigentliche Story in die Gänge kommt, derweil das Worldbuilding und die Figurenzeichnungen zielführender und konkreter hätten ausfallen können. Einige unpassende Passagen, eine vergleichsweise überschaubare Handlung und das erwartungsgemäß offene Ende trüben den grundsätzlich gelungenen Gesamteindruck allerdings schon merklich.

7.0/10
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von Heyne. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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Die kalten Sterne ist am 11.01.21 bei Heyne erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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