Review: Der Meister von London | Benedict Jacka (Buch)

Ich hatte ja schon Anfang der Woche geahnt, dass es am Dienstag womöglich schwierig würde, einen Artikel zu verfassen und zu veröffentlichen, doch tangiert das zum Glück die heute anstehende Buch-Rezension in keiner Weise, weshalb ich gern wieder vom derzeit noch aktuellsten Band dieser Urban-Fantasy-Reihe berichten möchte.

Der Meister von London
Alex Verus 5

Hidden (Alex Verus 5), UK 2014, 416 Seiten

Der Meister von London von Benedict Jacka | © Blanvalet
© Blanvalet

Autor:
Benedict Jacka
Übersetzerin:
Michelle Gyo

Verlag (D):
Blanvalet
ISBN:
978-3-734-16253-4

Genre:
Fantasy | Abenteuer

 

Inhalt:

Einige Monate sind vergangen, seit Anne und Variam bei Alex ausgezogen sind und nun auf eigene Faust ihr Glück zu finden suchen. Für Alex stellt sich aber erst langsam wieder so etwas wie Routine und Alltag ein, hat er schließlich noch selbst daran zu knabbern, welche Entscheidungen er jüngst zu treffen gezwungen war, um sein Leben zu schützen. Als Luna ihm aber berichtet, dass sie sich Sorgen mache um Anne, nachdem sie den Weißmagiern unerwartet den Rücken gekehrt hat, zögert Alex aber nicht, ihr trotz persönlicher Differenzen zur Seite zu stehen, muss jedoch bald mit Schrecken feststellen, dass sie anscheinend spurlos verschwunden ist. Eilends wird eine Ermittlungseinheit zusammengestellt, zu der auch Sonder gehört, der nach jüngsten Ereignissen ebenfalls nicht gut zu sprechen ist auf Alex, doch die Spuren und Verdächtigen sind zahlreich und die Zeit drängt, weiß schließlich niemand so genau, zu welchem Zweck Anne entführt worden sein könnte…

Rezension:

Irgendwie ist mir ja die Veröffentlichung von Der Meister von London, des fünften Bandes der Alex-Verus-Reihe, im vergangenen November gänzlich durchgerutscht, wobei sich solche Missstände ja zum Glück simpel beheben lassen, indem man die Lektüre schlichtweg nachholt – übrigens pünktlich vor der Veröffentlichung des nächsten Bandes im Mai. Vor mangelndem Nachschub braucht man sich aber ohnehin nicht fürchten, denn während sich die Reihe anscheinend ungebrochener Beliebtheit erfreut, hat sie es im englischsprachigen Original bereits auf elf Bände gebracht, während der nächste sich bereits in der Mache befindet. Zumindest was Erfolg, Nachschub und grundlegendes Thema angeht, scheint der Vergleich zur Fantasy-Buchreihe von Ben Aaronovitch, der immer wieder bemüht wird, demnach durchaus naheliegend, wobei es ein offenes Geheimnis sein dürfte, dass Wahrsager Alex Verus gegenüber Peter Grant bei mir in der Gunst merklich vorne steht, weil sich dessen Geschichten deutlich grimmiger, ernsthafter und düsterer gestalten, ohne indes sarkastischen bis garstigen Humor missen zu lassen. Ein direkter Vergleich ist aber auch mitnichten vonnöten, denn abgesehen davon, dass es um Magie im modernen London geht, gehen doch beide Veröffentlichungen merklich unterschiedliche Wege.

Bis letzten Sommer war mein Leben ziemlich gut gelaufen. Ich hatte zwei junge Magier bei mir aufgenommen, Anne und Variam, und dank ihnen und Luna sowie einem Weißmagier namens Sonder hatte ich zum ersten Mal seit zehn Jahren so etwas wie ein Sozialleben. Und ich hatte angefangen zu glauben, dass ich mich vielleicht endlich von meiner Vergangenheit befreit hätte.

Zuletzt hat die Reihe um Alex Verus mich derweil mit Der Wächter von London zu begeistern gewusst, die noch einmal deutlich offensiver auf Alex‘ schmerzliche Vergangenheit und moralische Dilemmata abgestellt hat, was sich nun – zum Glück – in Der Meister von London konsequent fortsetzt. So haben jüngste Ereignisse und Offenbarungen zu einem Zerwürfnis zwischen Alex und der Lebensmagierin Anne geführt, was zwar auch für Sonder gilt, aber längst nicht solch gravierende Auswirkungen hat, denn im weiteren Verlauf wird Anne von einer unbekannten Partei entführt, nachdem sie nicht mehr unter dem Schutz des Hohen Rates der Weißmagier steht. Freilich nimmt Alex in bester Urban-Fantasy-Manier unmittelbar seine Ermittlungen auf und verfolgt so manche Spur, um dahinterzukommen, wo Anne sich befinden könnte. Verdächtige gibt es so einige, ob nun alte Bekannte oder auch neue Kontrahenten, so dass Jacka die Reihe einmal mehr behutsam wachsen lässt, was die undurchsichtigen Verflechtungen zwischen Weiß- und Schwarzmagiern – und allem dazwischen – angeht. Vor allem aber verlässt er sich auf bereits etabliertes Figurenkonsortium, wobei auch erstmals eine Person in Erscheinung tritt, die wir bisher nur dem Hörensagen nach kennen und die eng mit Alex‘ traumatischer Vergangenheit in Verbindung steht.

Dabei kommt Der Meister von London zwar nicht an den Vorgängerband heran, überzeugt aber einmal mehr mit dem weitergehenden Ausloten der moralischen Tragweite dessen, was Alex zu tun bereit ist, um sich und seine Liebsten zu schützen. Was mir also vom ersten Band an mitunter am besten gefallen hat, nämlich, dass es sich bei Alex mitnichten um einen strahlenden Helden, sondern einen ambivalenten Charakter mit Schwächen und Makeln handelt, wird hier nun weiter vertieft. Dennoch bleibt der Band dahingehend ein wenig hinter den Erwartungen zurück, dass sich etwa zur Halbzeit eine Art Paradigmenwechsel vollzieht, was den Handlungsort und Fokus der Geschichte anbelangt, denn liebgewonnene Charaktere wie etwa Luna oder eben Sonder – ganz zu schweigen von Arachne – spielen hier nur am Rand eine Rolle und Alex ist die meiste Zeit im Alleingang unterwegs, um Anne zu retten. Hier verspielt Jacka ein wenig das Potential, auch wenn ich die Entscheidung verstehe, sich voll und ganz auf den Divinationsmagier zu konzentrieren, der natürlich auch diesmal wieder seine Stärken ausspielen darf, die nächsten Schritte seiner Gegner vorherzuahnen und gewinnbringend für seine Zwecke zu nutzen.

Ich nahm wahr, wie die Gedanken des Typen einen anderen Gang einlegten. Es ging langsam vonstatten, und ich sah, wie sich die möglichen Zukünfte vor mir verzweigten. Er könnte sich aufplustern; er könnte sich zurückziehen; er könnte einen Kampf anzetteln. Ich hoffte, er würde sich für Letzteres entscheiden. Der Tattootyp war groß und fies, aber mein Begriff von fies ist ziemlich verdreht im Vergleich zu dem von normalen Leuten, und als ernste Bedrohung schaffte er es nicht einmal auf meinen Radar. Mein Tag war stressig gewesen, und die Aussicht, es an jemandem auszulassen, war sehr viel verlockender, als sie es hätte sein sollen.

Mag die Lektüre also auch diesmal – insbesondere in der zweiten Hälfte – wieder deutlich actionorientierter und weniger anspruchsvoll ausfallen, ändert das am Page-Turner-Charakter des Erzählten nichts und es dürfte kaum verwundern, dass ich schon dem nächsten Band Das Rätsel von London entgegenfiebere, auch wenn dessen Titel freilich genauso nichtssagend und beliebig gewählt wirkt wie auch im vorliegenden Fall mit Der Meister von London, was eine der konzeptionell für mich unverständlichsten Entscheidungen bei der Reihe darstellt, derweil ansonsten Blanvalet ansonsten auch hier wieder einen überzeugenden Job macht, das Buch als Teil einer Reihe zu kredenzen, ganz davon zu schweigen, dass die Übersetzung auch diesmal wieder von Michelle Gyo stammt und wie gewohnt zu überzeugen weiß. Ansonsten lohnt die Lektüre im Grunde aber schon, wenn ihr erfahren wollt, was es mit dem Blinzelfuchs auf sich hat, der eine der gelungensten Kreaturen-Neuschöpfungen seitens Jacka darstellt und hoffentlich auch künftig noch eine Rolle spielen wird.

Fazit & Wertung:

Mit Der Meister von London, dem fünften Band der Alex-Verus-Reihe, bleibt Autor Benedict Jacka sich weiterhin seinen Themen und Leitmotiven treu und gibt einmal mehr eine gelungene Urban-Fantasy-Story mit vielschichtig-ambivalenten Charakteren zum Besten, die dem Vorgänger in kaum etwas nachsteht, wenn sie auch nicht ganz dessen mitreißende Intensität erreicht.

8 von 10 mehr oder minder wahrscheinlichen Zukunftssträngen

Der Meister von London

  • Mehr oder minder wahrscheinliche Zukunftsstränge - 8/10
    8/10

Fazit & Wertung:

Mit Der Meister von London, dem fünften Band der Alex-Verus-Reihe, bleibt Autor Benedict Jacka sich weiterhin seinen Themen und Leitmotiven treu und gibt einmal mehr eine gelungene Urban-Fantasy-Story mit vielschichtig-ambivalenten Charakteren zum Besten, die dem Vorgänger in kaum etwas nachsteht, wenn sie auch nicht ganz dessen mitreißende Intensität erreicht.

8.0/10
Leser-Wertung 8/10 (1 Stimme)
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von Blanvalet. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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Der Meister von London ist am 16.11.2020 im Blanvalet Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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