Ja, ich habe die nächste großartige Fantasy-Reihe für mich entdeckt und ohne lange im Vorfeld schwafeln zu wollen, lasst mich doch nachfolgend wieder ein bisschen schwärmen und begeistert sein.
Das Lied der Nacht
Die Wayfarer-Saga (1)
Towers of Fire (1), UK 2021, 416 Seiten
© Penhaligon
C. E. Bernard
Charlotte Lungstrass-Kapfer
Penhaligon
978-3-764-53263-5
Fantasy | Abenteuer | Drama
Inhalt:
Und als die Dämmerung endgültig schwand, tauchte kein einziger Stern am Himmel auf, kein silbriger Mond stieg über den Horizont. Nur undurchdringliche Dunkelheit legte sich über den halb vergessenen Pfad zwischen den Bäumen. Denn zu jener Zeit waren die Nächte finster, so finster, dass kein Stern und kein Mondstrahl sie durchdringen konnte.
Der Winter hat längst Einzug gehalten im Tal von Schur, als Wanderer Weyd von einer seiner geheimnisumwitterten Reisen heimkehrt und es kaum erwarten kann, am heimischen Feuer in der alten Poststation die müden Beine auszuruhen, während die Bardin Caer ihm längst ein Licht entzündet hat. Doch während Weyd, Caer, Bahr und Jori ihr Wiedersehen begehen, erheben sich im Umland wahrhaftig die Schatten und richten ihren diffusen Blick auf die nahe Ortschaft Festra. Nur die Stria des Ortes spürt die Bedrohung und schickt sich an, ihre Heimat zu verteidigen, doch gibt es wohl nichts, was gegen Schatten bestehen könnte, zumal die Nächte von schwärzester Finsternis sind und kein Stern am Himmel zu sehen. Dennoch erfahren Weyd und seine Freunde alsbald von der Tragödie und wenden sich an den örtlichen Baron, der ebenfalls bereits Kenntnis erlangt hat von dem, was in seinem Reich sein Unwesen zu treiben begonnen hat. Niemand weiß, warum die Schatten sich ausgerechnet jetzt erhoben haben oder woher sie kommen, doch Gerüchte besagen, dass womöglich das Lied der Nacht imstande wäre, die Schatten in ihre Schranken zu weisen. Bis dahin aber gilt es, hinter sicheren Mauern Zuflucht zu suchen, was allerdings auch so seine Gefahren mit sich bringt, denn Weyd und Caer und all die Anderen gelten als Entwurzelte, sind nicht Teil der Gemeinschaft von Schur und dementsprechend geächtet…
Rezension:
Ich bin ja sonst niemand, der sich groß von Werbe-Newslettern beeinflussen lässt und suche mir recht zielgerichtet meine Lektüre selbst aus, doch im Fall von Das Lied der Nacht bin ich schnell hellhörig und letztlich schwach geworden, auch wenn ich weiß, dass Name-Dropping wie "persönlicher Liebesbrief an den Herrn der Ringe und an die Witcher-Romane" erst einmal gar nichts zu bedeuten hat. Umso schöner, wenn solch vollmundige Versprechen sich tatsächlich bewahrheiten, denn bereits nach wenigen Seiten hatte mich Autorin C. E. Bernard in ihren Bann geschlagen und es fiel mir schwer, den Band überhaupt noch aus der Hand zu legen, der übrigens wieder einmal den Auftakt einer Trilogie darstellt. Umso schöner, dass die beiden Folgebände bereits fertig und die Fortsetzung(en) der Wayfarer-Trilogie bereits im Juli und November dieses Jahres erscheinen sollen. Bernard derweil scheint literarisch mitnichten ein unbeschriebenes Blatt zu sein, auch wenn ich gestehen muss, dass ihr vierteilige Palace-Saga unbemerkt an mir vorbeigezogen ist. Überflüssig zu erwähnen, dass ich die beizeiten sicherlich auch noch nachholen werde.
Und während die beiden einander umarmten, drangen die Schatten am anderen Ende des Tals weiter vor. Dichter und immer dichter schoben sie sich an das Dorf Festra heran, das Dorf direkt am Pass, dreißig Meilen von der Poststation entfernt.
Was aber macht den Fantasy-Roman nun so faszinierend? Bernard findet eine ungemein blumige, poetische Sprache und kultiviert einen geradezu liebevoll-spielerischen Umgang mit Worten und Sprache, was umso bemerkenswerter ist, da die deutsche Autorin auf Englisch schreibt und ihre Werke zurückübersetzt werden. Und dennoch passen und sitzen die Worte ein ums andere Mal, arrangieren sich zuweilen auf den Seiten und setzen selbst durch ihr Fernbleiben dramaturgische Akzente. Tatsächlich kann ich mir sogar vorstellen, dass Das Lied der Nacht in einer etwaigen Hörspielfassung nicht annähernd so gut funktionieren würde, weil dadurch natürlich der gestalterische Ansatz des Geschilderten abhandenkäme. Aber zurück zum eigentlichen Thema. Auf den ersten Blick mag es sich um eine klassische Fantasy-Welt handeln, mittelalterlich, geheimnisvoll, gefährlich. Magie im klassischen Sinne allerdings gibt es ebenso wenig wie Fabelwesen, wenn man einmal davon absieht, dass zuweilen gemunkelt wird, es könne eine Art Unsterbliche geben, doch dafür ist es unterschiedlichsten Personen gegeben, mit den Tieren oder auch Elementen oder dergleichen zu sprechen, was keineswegs weit verbreitet, aber auch nicht sonderlich ungewöhnlich ist. So ist die Bardin damit gesegnet, Klänge beeinflussen zu können, während die Seefahrerin mit dem Feuer kommunizieren kann.
Wirft natürlich die Frage auf, von welcher Bardin und Seefahrerin ich rede. Wie sich das für eine Fantasy-Reihe gehört, bedarf es natürlich einer Art Heldengruppe, die sich im vorliegenden Fall um Wanderer Weyd schart und in einer alten Poststation residiert. Weyds engste Vertraute und heimliche Liebe ist hierbei die Bardin Caer, während die brummige Bahr früher auf hoher See zu Hause war und der gleichsam schelmische wie alte Jori die Gruppe gemeinsam mit Bellitas komplettiert, bei dem es sich übrigens um einen kleinen, weißen Fuchs handelt. Und tatsächlich bedarf es nur weniger Seiten, bis diese Schar "Entwurzelter", wie so von der heimischen Bevölkerung genannt werden, in ein Abenteuer stolpern, in dem der wortwörtliche Kampf vom Licht gegen die Dunkelheit im Vordergrund steht. Das geht hier allerdings dergestalt vonstatten, dass sich in den finsteren Nächten die Schatten erheben und sich an Mensch und Tier gütlich halten, während die Türme des Lichts, die früher die Finsternis erhellt haben, seit langer Zeit erloschen sind. So bedient sich Bernard durchaus klassischer Themen – und tatsächlich lassen sich gewisse, kleinere Parallelen zu Der Herr der Ringe auch nicht von der Hand weisen –, arrangiert sie aber gänzlich neu, einfallsreich und vor allem poetisch, so dass auch die Handlung des Romans selbst in eine Art Lagerfeuererzählung eingefasst ist, die das Flair noch zusätzlich unterstreicht und ein gelungenes Stilmittel darstellt.
Die Stria und ihre Kinder stahlen sich durch die Hintertür, als in Festra das erste Zischen ertönte, das erste dumpfe Dröhnen, das erste Flüstern. Das Zischen einer Flamme, die unter einem Wasserstrahl erstickt. Das dumpfe Dröhnen der Trommeln in den tiefsten Tiefen der Berge. Das Flüstern, rau und unverständlich. Nur spüren konnte man es, denn es legte sich um das Herz und ließ es erstarren. Die Stria legte eine Hand an die Brust, wo doch eigentlich ihr Herz schlagen sollte. Stattdessen spürte sie nur entsetzliche Stille.
Dennoch, die blumige, poetische Sprache mag nicht überall Anklang finden, wobei ich für meinen Teil von der sprachlichen Finesse und Verspieltheit begeistert gewesen bin, die natürlich auch gut zum Thema passt, denn so einiges in Das Lied der Nacht dreht sich eben um Sprachen, um Lieder und Erzählungen, was Caer – neben Weyd – auch zu einer der tragenden Hauptfiguren macht. Diese Begeisterung bringt es aber auch mit sich, dass ich es dem Buch ein wenig übelnehme, auch ein Stück weit Mogelpackung zu sein, denn die Story selbst findet nach nicht einmal vierhundert Seiten ihren Abschluss, während die letzten Seiten eine Leseprobe zum zweiten Teil beinhalten, die ich nun nicht gebraucht hätte, denn Das Flüstern des Zwielichts ist jetzt schon so gut wie gekauft. Fakt ist aber, dass Bernard eine Erzählung gelingt, die mich fasziniert und gefesselt hat, wobei ich auch ein kurzes Wort der Warnung sprechen will, denn manchmal wird es doch beinahe unerwartet brutal und explizit, driftet demnach beinahe kurz in Richtung Grimdark-Fantasy, wobei ich für meinen Teil als einen weiteren Qualitätsaspekt werte und es nur der Form halber erwähnen wollte, bevor sich jemand von dem wunderschönen Cover blenden lässt und eine harmlos-verspielte Fantasy-Geschichte erwartet, denn hier sind Furcht und Finsternis nur allzu real und bedrohlich und fördern – wie bekannt sein dürfte – das Schlimmste in den Menschen zutage.
Das Lied der Nacht
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Gefahren in der Finsternis der sternenlosen Nacht - 9/10
9/10
Fazit & Wertung:
Mit Das Lied der Nacht präsentiert C. E. Bernard einen vor allem auch sprachlich eindrucksvollen und vielversprechenden Auftaktband ihrer Wayfarer-Trilogie, dem zum Glück noch dieses Jahr die weiteren Teile folgen werden. Denn fernab der sprachlichen Finesse wissen auch Handlung, Figuren und das Worldbuilding zu fesseln und zu verzaubern, zumal die Autorin einer ungewöhnlichen wie märchenhaften Prämisse folgt, die hier allerdings Hand in Hand geht mit grimmigem Fatalismus und einer allgegenwärtigen Finsternis, die ihresgleichen sucht.
Weitere Details zum Buch und der Autorin findet ihr auf der Seite von Penhaligon. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.
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Das Lied der Nacht ist am 15.03.21 im Penhaligon Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!