Review: Scythe – Das Vermächtnis der Ältesten | Neal Shusterman (Buch)

So, heute beende ich mal wieder eine Buchreihe für mich, die mich wahrscheinlich noch lange Jahre ins Schwärmen geraten lässt. Warum und wieso, kann man jetzt nachfolgend lesen oder alternativ die Rezensionen zu den beiden Vorgängern konsultieren, die ich weiter unten natürlich auch verlinkt habe.

Scythe
Das Vermächtnis der Ältesten
Arc of a Scythe 3

Scythe – The Toll, USA 2019, 608 Seiten

Scythe – Das Vermächtnis der Ältesten von Neal Shusterman | © FISCHER Sauerländer
© FISCHER Sauerländer

Autor:
Neal Shusterman
Übersetzer:
Pauline Kurbasik
Andreas Helweg
Kristian Lutze

Verlag (D):
FISCHER Sauerländer
ISBN:
978-3-737-35853-8

Genre:
Science-Fiction | Abenteuer

 

Inhalt:

Das Undenkbare ist geschehen: Die Insel Endura ist in den Fluten des Meeres versunken und mit ihr der Weltrat der Scythe. Der opportunistische Robert Goddard nutzt natürlich prompt die Gunst der Stunde, um zu verkünden, dass die Grandslayer ihn in ihrem letzten Akt als neue High Blade von MidMerica bestätigt zu haben, wodurch das Scythetum einem beispiellosen Wandel unterworfen sein wird. In seinem Bestreben, seine Spuren zu verwischen, verhängt Goddard zudem einen Perimeter des Gedenkens rund um die untergegangene Insel, wobei sich dieser Zustand nicht ewig aufrechterhalten lässt. Denn schließlich befand sich auf der Insel auch der Tresor, in dem sich vierhunderttausend Diamanten befunden haben, Herzstück eines jeden Scythe-Rings. In ebenjenem Tresor befinden sich auch Citra und Rowan, auch wenn das niemand auf der Welt auch nur ahnt – nicht einmal Scythe Ponssuelo, der gemeinsam mit Captain Jerico in Richtung Endura reist. Die Geschicke der Scythe kümmert die Menschheit als solche aber eher wenig, denn seit der Thunderhead sie alle zu Widerlingen erklärt und die Kommunikation eingestellt hat, entsteht ein regelrechter Kult um den sogenannten "Toll", bei dem es sich um niemand Anderen als Greyson Tolliver handelt, der als einziger noch Kontakt zum Thunderhead hat. Unterdessen befindet sich der totgeglaubte Scythe Faraday fernab der bekannten Welt auf ganz eigener Mission und begibt sich auf die Spuren der Gründer des Scythetums…

Rezension:

Lange hat es gedauert, bis ich mich nun endlich auch dem dritten und finalen Band der Scythe-Trilogie gewidmet habe und bin nun gleichermaßen voller Begeisterung – weil der Band in keiner Weise seinen Vorgängern nachsteht – und Wehmut – weil diese so großartige Geschichte nun wirklich und wahrhaftig ihr Ende gefunden hat. Es gibt wohl kaum eine Buch-Trilogie, die mich in den letzten Jahren so begeistert und beeindruckt hat wie diese von Neal Shusterman so hellsichtig, clever und intelligent konzipierte und inszenierte Dystopie, die gleichermaßen unterhält und zum Nachdenken anregt. Denn wer sich für Versatzstücke klassischer Science-Fiction erwärmen kann, wird auch hier so manchen bekannt scheinenden Ansatz finden, dem der Autor allerdings auch eigentlich immer neue Facetten abringt und frische Ideen und Gedanken hinzufügt, ob es nun um das Konzept der durch Fortschritt erreichten Unsterblichkeit geht, auf deren Vorhandensein große Teile der Geschichte und natürlich vor allem des Scythetums gründen oder den omnipräsenten Thunderhead als gottgleiches Maschinenwesen, dem allerdings nichts ferner liegt, als seinen Schöpfern und Schutzbefohlenen irgendein Leid zuzufügen, wie es sonst gerne der Fall ist.

Possuelo hatte Albträume von einer Welt, in der Goddard alle Diamanten besaß und jeden einzelnen neuen Scythe selbst auswählen konnte. Sollte es je dazu kommen, würde sich die Welt so stark der sogenannten Neuen Ordnung zuneigen, dass sie von ihrer Achse rutschen würde. Und die Stimmen der Scythe, die sich Goddard widersetzt hatten, würden in den Schmerzensschreien derjenigen untergehen, die er fröhlich nachlas.

Überhaupt war der Thunderhead im ersten Band Die Hüter des Todes noch kuriose Randerscheinung, gewann in Der Zorn der Gerechten an Einfluss und Bedeutung und ist nun, in Das Vermächtnis der Ältesten so präsent wie nie, ausgerechnet, als er sich dazu entschieden hat, den Kontakt zur Menschheit quasi abzubrechen. Entsprechend gewinnt auch der im Vorgänger eingeführte Greyson an Bedeutung, der als einziger noch mit dem Thunderhead zu kommunizieren vermag. Doch keine Sorge, es geht im Kern natürlich weiterhin auch hier wieder um das Scythetum und dessen Mitglieder, beides durch die neue Vorherrschaft von Goddard bedroht wie noch nie. Gewöhnungsbedürftiger ist es dramaturgisch da schon eher, dass die beiden Hauptfiguren Citra und Rowan lange Zeit durch Abwesenheit glänzen, weil sie beim Untergang von Endura in den dort befindlichen Haupttresor gesperrt worden sind und sich folglich noch immer dort befinden. Mir persönlich hat das eher weniger ausgemacht, weil der Rest des Geschilderten so ungemein faszinierend geraten ist, doch wer sich auf das Schicksal dieser beiden Figuren fokussiert fühlt, wird sich wahrscheinlich zunächst vor den Kopf gestoßen fühlen. Stattdessen stehen hier zunächst Scythe Possuelo sowie der genderfluide Captain Jerico im Vordergrund, während auch der totgeglaubte Scythe Faraday hier wieder deutlich mehr zu tun bekommt und Greyson gar zum Propheten einer neuen Ära wird.

Es ist schlichtweg beeindruckend und bombastisch, was Neal Shusterman sich in aller Akribie und Sorgfalt ausgedacht hat, denn gleichwohl die Welt der Scythe schon im ersten Band großartig durchdacht und vielschichtig inszeniert gewirkt hat, wusste sich Shusterman noch jedes Mal selbst zu übertreffen und weitet nun hier die Eindrücke zu einem globalen Verständnis aus, wenn sich einzelne Staaten und Fraktionen gegen den neuen High Blade stellen und Faraday außerhalb des Einflussbereichs Thunderhead zu agieren beginnt. Ich ahnte ja schon zum Ende des Vorgängers hin, dass einen bei Das Vermächtnis der Ältesten Episches erwarten würde, doch wurden meine Erwartungen tatsächlich noch einmal übertroffen, auch wenn sich das Buch übrigens auch konzeptionell fordernder gibt, denn gerade zu Beginn verschachteln und überlappen sich so einige Zeitebenen und es dauert, bis man das für sich persönlich alles auseinandergenommen und zusortiert hat, was dem Genuss und der Begeisterung – in meinen Augen – aber keinen Abbruch tut.

Und dann kam es zur Spaltung zwischen der Menschheit und ihrer größten Schöpfung. Endura versank im Meer, und der Thunderhead erklärte alle Menschen auf einen Schlag zu Widerlingen. Zurzeit wusste niemand genau, welche Folgen der Verlust des Weltrats der Scythe haben würde, aber das Schweigen des Thunderhead hatte die Welt in kollektive Panik gestürzt. Widerling zu sein war keine freie Entscheidung mehr – es war ein Urteil. Und Schweigen reichte aus, um Knechtschaft in Überlegenheit umzukehren. Der Diener wurde der Herr, und die Welt drehte sich nur noch um die Frage, wie sie dem Thunderhead gefallen konnte.

Besonderes Augenmerk und Erwähnung verdienen aber auch hier wieder die Einschübe zwischen den Kapiteln, die diesmal mit noch mehr Abwechslungsreichtum punkten und sich längst nicht mehr nur auf Bekanntmachungen von Scythe beschränken, sondern auch – aus einer fernen Zukunft heraus – die Taten des Toll (Prophet Greyson) einzuordnen versuchen, während das eigentliche Highlight gelöschte Iterationen des Thunderhead darstellen, mit denen er ein ums andere Mal in den Dialog tritt, was natürlich kein reiner Selbstzweck ist, sondern später noch gehörige Bedeutung erlangt. Aber was soll ich überhaupt ins Detail gehen oder womöglich spoilern, Fakt ist, dass ich eine uneingeschränkte Empfehlung für die Reihe aussprechen kann und möchte. Wer sich also bisher nicht in die Welt der Scythe gewagt hat, der gehe zwei Schritte zurück und beginne mit dem ersten Band, wohingegen alle anderen sicherlich längst die Lektüre abgeschlossen haben und mutmaßlich ähnlich begeistert sind wie ich es bin, denn Großartigeres habe ich wirklich lange Zeit nicht mehr gelesen.

Fazit & Wertung:

Neal Shusterman kredenzt mit Scythe – Das Vermächtnis der Ältesten ein mehr als würdiges Finale seiner Trilogie und denkt viele seiner genialen Gedankenexperimente auf ungewöhnliche Art zu Ende. Ankreiden könnte man dem Band allerhöchstens, dass die Protagonist*innen Citra und Rowan zunächst durch Abwesenheit glänzen, doch machen das die pure Faszination und kongeniales Worldbuilding und Storytelling meines Erachtens mehr als wett.

10 von 10 zur Nachlese ausgewählten Individuen

Scythe – Das Vermächtnis der Ältesten

  • Zur Nachlese ausgewählte Individuen - 10/10
    10/10

Fazit & Wertung:

Neal Shusterman kredenzt mit Scythe – Das Vermächtnis der Ältesten ein mehr als würdiges Finale seiner Trilogie und denkt viele seiner genialen Gedankenexperimente auf ungewöhnliche Art zu Ende. Ankreiden könnte man dem Band allerhöchstens, dass die Protagonist*innen Citra und Rowan zunächst durch Abwesenheit glänzen, doch machen das die pure Faszination und kongeniales Worldbuilding und Storytelling meines Erachtens mehr als wett.

10.0/10
Leser-Wertung 0/10 (0 Stimmen)
Sende

Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite der Fischer Verlage.

– – –

Scythe – Das Vermächtnis der Ältesten ist am 28.07.21 als Paperback bei FISCHER Sauerländer erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den folgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

Sharing is Caring:

Hinterlasse einen Kommentar