Wenn man einmal wieder ein wenig im Fluss ist, geht es eigentlich, und so kommt es, dass ich schon wieder ein Buch ausgelesen habe, nachdem vorher monatelang Flaute geherrscht hat.
Der Gefangene von London
Alex Verus 8
Bound (Alex Verus 8), UK 2017, 480 Seiten
© Blanvalet
Benedict Jacka
Michelle Gyo
Blanvalet
978-3-734-16304-3
Fantasy | Abenteuer
Inhalt:
Für mich war dies hier ein Ort des Schreckens und des Wahnsinns. Es war etwas über vierzehn Jahre her, seit ich zum ersten Mal durch diese Türen getreten war; an jenem Tag hatte Richard mich meinen Mitlehrlingen vorgestellt, Rachel, Tobruk und Shireen. Er hatte uns unsere Aufgaben erklärt und uns dann uns selbst überlassen.
Durch eine Verkettung von Ereignissen, denen Alex sich nur schwerlich hätte entziehen können und auf die er kaum einen aktiven Einfluss hätte nehmen können, der darüber hinausgegangen wäre, sein eigenes Überleben abzusichern, ist passiert, was der Divinationsmagier um jeden Preis zu verhindern versucht hat: er steht erneut in den Diensten von Schwarzmagier Richard Drakh. Als wäre dem nicht genug, darf Alex alsbald noch als rechte Hand von Schwarzmagier Morden in Erscheinung treten und ihn zu einem jeden Treffen in den War Rooms begleiten, was ihn in den Augen der Weißmagier nun nicht eben beliebter macht, zumal das über Verus verhängte Todesurteil noch längst nicht vom Tisch ist. Während die Situation also reichlich verfahren und von nirgends Hilfe zu erwarten ist, nimmt sich Alex also selbst der Situation an und während er noch versucht, als eine Art Doppelagent Fuß zu fassen, ohne sich oder seine Liebsten in Gefahr zu bringen, spinnt er gemeinsam mit Arachne Pläne, die ihn zur Gegenwehr ermächtigen könnten…
Rezension:
Es ist nun wirklich schon eine ganze Weile her, dass ich mich mit Die Mörder von London dem siebten Band dieser Buchreihe gewidmet habe und dennoch weiß ich ganz genau, an welcher stelle ich Divinationsmagier Alex Verus seinerzeit verlassen habe. Das, so meine ich, sagt schon viel über die Qualität und das durchweg gelungene Storytelling aus, das Autor Benedict Jacka hier nun auch schon seit vielen Jahren liefert (und weiter liefern wird, denn es folgen noch so einige Abenteuer hiernach). Um aber nun den Einstieg bei Der Gefangene von London zu wagen, befindet sich Alex in der wohl denkbar undankbarsten Lage, die man ihm nur hat wünschen können und auch hier würde man meinen, dies alles sei schon Jahre zuvor angeteasert worden, auch wenn ich meine leichten Zweifel hege, ob der Autor wirklich derart weit in die Zukunft geschaut und geplant hat, als er in bester Marathon-Manier die ersten drei Bände rausgehauen hat. Sei es wie es will, wirkt es allemal überzeugend und nur konsequent, wobei ich dann alsbald auch den ersten Dämpfer in der Geschichte empfunden habe.
Ich hatte Zeit, die Zukünfte gründlicher zu prüfen, und war so sicher, wie ich nur sein konnte, dass der Mensch, der da auf uns wartete, nicht hier war, um zu kämpfen. »Dann lass uns mal sehen, was er zu sagen hat.«
Der Kerl, der auf uns wartete, versteckte sich nicht. Als wir den Wald betraten, kam er hinter einem Baum hervor und hielt die Hände sichtbar vor sich.
Dafür nämlich, wie Schwarzmagier Richard Drakh bislang vor- und dargestellt worden ist, mit all der Angst, die Alex nur bei dem Gedanken an ihn empfindet, empfand ich nun doch den Prozess des In-seinen-Dienst-treten als relativ unspektakulär, zumal er effektiv weit eher in die Dienste von Morden gezwungen wird, als dass er wirklich mit Richard zu tun hätte. So wirkt es dann leider im Mittelteil des Buches ein wenig, als mäandere Autor Jacka und mit ihm natürlich Ich-Erzähler Alex ein wenig durch die Geschichte, die gern von Kapitel zu Kapitel ein bis mehrere Monate in die Zukunft springt, was viel darüber sagt, wie spektakulär diese Zeit verläuft. Nicht falsch verstehen, die Lesefreude ist ungebrochen und von langweilig ist auch Der Gefangene von London weit entfernt, doch gepaart mit der Enttäuschung, dass Richard unterstellt zu sein nun eben doch nicht so die krasse Nummer zu sein scheint, wirkt es ein wenig wie erste Ermüdungserscheinungen in der langlebigen Reihe. Zum Glück aber bestätigt sich dieser Eindruck in keiner Weise und selbst wenn die Story – für mein Empfinden – im Mittelteil ein kleines Hängerchen hat, fängt sie sich im letzten Drittel so fulminant und begeisterungswürdig, dass es manch schwächere Passage schnell vergessen lässt.
Denn natürlich wird vieles von dem, was Alex Verus in den Diensten von Morden ertragen muss, später noch Bedeutung erlangen, natürlich verfolgt Richard weit abgründigere und weitreichendere Pläne, als es das zunächst scheint und selbstredend gibt es auch hier wieder einiges, was Luna, Anne und Vari widerfährt, das einen begeistert oder schockiert, mitnimmt und berührt. Denn je länger nun die Reihe läuft, umso mehr wachsen einem die Figuren spürbar ans Herz, umso mehr haben sie bereits hinter sich. Hier spielt Jacka dann auch wieder alle Stärken aus, sich eben nicht nur auf Alex zu fokussieren, sondern eben auch sein Umfeld, seine Freunde miteinzubeziehen, was ihn der Vergangenheit ja manches Mal zu kurz kam. Überhaupt merkt man auch Alex eine Entwicklung an, denn der verabschiedet sich natürlich zusehends von dem Gedanken, ein nirgends akzeptierter Eigenbrötler zu sein und kämpft noch immer mit der Rolle, dergestalt viel Verantwortung für andere zu empfinden.
Bis vor anderthalb Tagen waren Anne und ich auf der Flucht gewesen vor den Fahndern eines Seniorratsmitglieds, eines Magiers namens Levistus. Wir waren ihnen weit genug voraus geblieben, um ein Patt zu erzwingen. Dann aber hatte Levistus’ Hauptfahnder, ein schleimiger Bastard namens Barrayar, Lunas Wohnung mit Sprengstoff versehen, während sie geschlafen hatte. Ich war aufgetaucht, bereit für einen letzten Kampf, aber bevor Barrayar mich hatte erledigen können, war Morden eingeschritten.
Ansonsten sollte auch hier nicht unerwähnt bleiben, dass Der Gefangene von London zuweilen wieder ausgemacht düster und fatalistisch gerät, was die Reihe doch sehr wohltuend von vielen Vertretern des Urban-Fantasy-Genres abhebt, auch wenn man dann im Gegenzug argumentieren könnte, dass hier eine kleine Inhaltswarnung angebracht sein könnte (wobei das Thema Triggerwarnungen eine Grundsatzdiskussion ist, die ich besser gar nicht erst eröffne). Fakt ist, dass sich vieles hier eben nicht einfach in Wohlgefallen auflöst und noch immer gibt es Dinge, die Alex teils vor Jahren getan hat oder die anderen vor langer Zeit widerfahren sind, die hier immer noch nachwirken und manch fragile Freundschaft gefährden, was zwar bedrückend zu lesen, aber umso berührender ist. Hier ist Jacka im Laufe der Jahre auch spürbar gewachsen, dieses diffizile Verhältnis der Figuren zu- und untereinander besser erfahrbar zu machen, ganz so, wie es ihm gelingt, immer wieder neu zu schockieren und zu überraschen. Denn wer meint, dass der Vorgängerband bereits mit einem Paukenschlag geendet hätte, sollte sich das Finale hier auf gar keinen Fall entgehen lassen!
Der Gefangene von London
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Mehr oder minder wahrscheinliche Zukunftsstränge - 8/10
8/10
Fazit & Wertung:
Einmal mehr gelingt es Benedict Jacka, seine Reihe um Divinationsmagier Alex Verus mit Der Gefangene von London souverän wie gekonnt weiterzuführen. Zunächst scheint es zwar, als würde er dramaturgisch zu schwächeln beginnen, was mit einem vergleichsweise schwachen Mittelteil einhergeht, doch wenn sich die Ereignisse im letzten Drittel zu überschlagen beginnen, sehnt man sich bereits den nächsten Band herbei.
Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von Blanvalet. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.
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Der Gefangene von London ist am 16.05.22 im Blanvalet Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!