Es mag nicht die kreativste Buchauswahl gewesen sein, aber ich hatte wieder meine helle Freude an dem nunmehr neunten Band um Magier Alex Verus. Warum, verrate ich nachfolgend gern.
Der Geist von London
Alex Verus 9
Marked (Alex Verus 9), UK 2018, 432 Seiten
© Blanvalet
Benedict Jacka
Michelle Gyo
Blanvalet
978-3-734-16330-2
Fantasy | Abenteuer
Inhalt:
Der Rat hat die Angewohnheit, seine Sicherheitskräfte zur Sichtung einzusetzen. Muss also jemand zuerst durch eine Tür, dann für gewöhnlich ein Mitglied der Ratssicherheit, ungefähr so wie man etwas Suspektes erst mal mit einem langen Stock anstupst. Manchmal stellt sich dieses Etwas als Bombe heraus, was blöd ist für den Stock.
Einige Monate sind vergangen seit den jüngsten Ereignissen, die dazu geführt haben, dass eine ganze Reihe magischer Gegenstände aus dem Tresorraum des Magierrats entwendet worden sind, wofür wiederum Ratsmitglied Morden seines Postens enthoben und inhaftiert worden ist, und Alex hat es langsam geschafft, sich damit abzufinden, nun Mitglied des Juniorrats zu sein. Zwar trachten noch immer einige ihm nach seinem Leben oder versuchen, ihn ebenfalls aus dem Amt zu drängen, doch sind das für den umtriebigen Divinationsmagier ja eher übliche Querelen als wirkliche Probleme. Ganz anders sieht es da mit Anne aus, die bei den Ereignissen im Tresorraum mit einem alten Artefakt und der in ihm wohnenden Entität in Berührung gekommen ist, denn auch wenn sie keinerlei Auffälligkeiten zeigt, wollen Alex, Luna und Vari natürlich sicher gehen, dass sie auch wirklich nicht von einem Dschinn oder dergleichen besessen ist. Dann aber tritt zu allem Überfluss auch noch der Rat an Alex heran und bittet ihn, gegenüber Morden zu vermitteln, damit der wiederum dabei hilft, Onyx dazu zu bringen, Schwarzmagier Richard Drakh ans Messer zu liefern. Immerhin ist Alex es gewohnt, zwischen den Fronten zu agieren, doch scheint dieser Plan an Aberwitz und Waghalsigkeit kaum zu übertreffen…
Rezension:
Kaum hatte ich Der Gefangene von London beendet, habe ich unmittelbar den nächsten Band geordert und mich auch ein bisschen gefreut, so ins Hintertreffen geraten zu sein, denn dadurch konnte ich immerhin unmittelbar fortfahren mit der Story und musste nicht etwa Monate warten, bis der nächste Band auch hierzulande eintrudelt (wobei Blanvalet in dieser Hinsicht diesmal wirklich vorbildliche Arbeit leistet und in verlässlichem Turnus für Nachschub sorgt!). Und diesmal geht es direkt auf den ersten Seiten wieder in die Vollen und schickt Alex Verus auf Mission, die entwendeten magischen Gegenstände und Artefakte aufzutreiben, was ihn – wie man erfährt – bereits seit Monaten umtreibt. Während als o der Rest des Rates lieber hinter verschlossenen Türen debattiert und diffamiert, sieht sich Alex lieber in einer proaktiveren Rolle. Hier punktet der Band schon mit der schlichten Tatsache, auf spannende Weise die Nachwehen des Vorgängers aufzuarbeiten und eben nicht so zu tun, als habe sich mittlerweile alles in Wohlgefallen aufgelöst. Das gefällt mir ausnehmend gut, denn auch wenn jeder Band der Alex-Verus-Reihe in der Theorie auch für sich genommen genossen werden kann, hat die übergeordnete Dramaturgie doch immer mehr spürbaren Einfluss auf das akute Geschehen.
Einen Augenblick zögerten sie, aber mehr brauchte ich nicht. Ich wich dem Ersten aus, trieb dem Zweiten mit einem Schlag die Luft aus der Lunge, stellte ihm ein Bein und schubste ihn dem Dritten zwischen die Füße. Sie wollten mich bedrängen und packen, handelten synchron.
Das gilt zumindest für den Großteil dessen, was Benedict Jacka bislang zu erzählen gewusst hat, denn die Tatsache, dass Alex schon zwei Bände zuvor in die Dienste seines ehemaligen Meisters Richard Drakh gezwungen worden ist, hat mir immer noch deutlich zu wenig Einfluss auf die gegenwärtigen Geschehnisse, gerade wenn es nun darum geht, eben jenem Richard eine Falle zu stellen und ihn bestmöglich dingfest zu machen. Hier frage ich mich schon, inwieweit die Entscheidung dramaturgisch richtig war, wenn Jacka doch offenkundig im Vorfeld noch nicht so recht gewusst haben mag, wohin das führen soll – ganz im Gegensatz zu manch anderem Plot, der wirklich wirkt, als wäre er Jahre zuvor sorgfältig eingefädelt worden. Dennoch liest sich auch Der Geist von London ungebrochen spannend und kurzweilig, wobei auch zunehmend das Innenleben und die charakterlichen Untiefen des Protagonisten ausgelotet werden. Auch das ist in meinen Augen ganz klar eine Stärke der Reihe, denn auch wenn Alex einen ausgeprägten moralischen Kompass haben mag, ist er doch weit entfernt vom typischen Helden, der – klaren Grundsätzen folgend – beispielsweise nie ein Leben gefährden, geschweige denn beenden würde. Nicht, dass ich das glorifizieren würde, nein, aber es macht die Figur vielschichtiger und interessanter, als es ein simpler Strahlemann mit weißer Weste je sein könnte.
Was der Band aber an Charakterarbeit leistet, kann er nur unzureichend auch dramaturgisch liefern, denn mit ein wenig Abstand wird klar, dass hier im Mittelteil im Grunde herzlich wenig passiert und manches schlichtweg viel Zeit – in diesem Kontext gemeint: Seiten – benötigt, um durchgespielt zu werden. Das ist nicht schlecht oder dröge, aber es gab eben auch schon Storylines, die deutlich mehr zu bieten gehabt haben. Ganz ähnlich wie beim Vorgänger aber vermag Jacka das Ruder im letzten Drittel so dermaßen rumzureißen, dass er damit manch kleinere Länge spielend vergessen macht. Es versteht sich, dass ich hier nichts vorwegnehme, doch war der Effekt ganz ähnlich dem im Vorgängerband und hier hat der Autor definitiv eine Stärke gefunden, die er wahrscheinlich auch künftig noch nutzen wird. Mag also Der Geist von London nicht zu den stärksten Vertretern der Reihe zählen, ist das doch immer noch Jammern auf hohem Niveau und von Ermüdungserscheinungen ist hier keine Spur, zumal ich auch jetzt wieder unbedingt wissen möchte, wie es weitergeht.
Die War Rooms sind Sitz des Weißmagierrats und politisches Hauptmachtzentrum der magischen Gesellschaft Britanniens. Sie bestehen aus einem weitläufigen Tunnel- und Höhlennetzwerk, das sich unter Zentrallondon verbirgt. Es beherbergt nicht nur den Weißmagierrat, sondern auch die ausgedehnte Bürokratie, die Ratsentscheidungen ausführt. Bis vor ein paar Jahren hatte ich die War Rooms noch nie gesehen und wäre an der Tür abgewiesen worden. Jetzt verbringe ich die meisten Tage hier.
Dennoch muss der kleine Einwurf gestattet sein, dass sich das Buch ein wenig wie ein Zwischenspiel anfühlt und ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass hier der Weg für Größeres bereitet wird, das erst noch folgen wird. Wenn allerdings selbst die Bindeglied-Bände von einem derart hohen Unterhaltungswert künden wie hier, bin ich der Letzte, der sich beschwert, zumal klar sein dürfte, dass ich ohnehin längst einen Narren an Alex Verus gefressen habe. Daran ändert sich auch mit Der Geist von London nichts und ich staune ein ums andere Mal, wie es Jacka gelingt, insbesondere Alex‘ Spezialgebiet, die Divination – oder Voraussicht – doch immer wieder neu und spannend wirken zu lassen, obwohl das Konzept sich theoretisch längst hätte abgenutzt haben müssen. Urban-Fantasy-Fans im Allgemeinen und Alex-Verus-Fans im Besonderen werden also auch hier wieder ihre Freude haben, wage ich zu behaupten, auch wenn der Mittelteil noch ein wenig schmissiger und überraschender hätte ausfallen dürfen.
Der Geist von London
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Mehr oder minder wahrscheinliche Zukunftsstränge - 8/10
8/10
Fazit & Wertung:
Auch Der Geist von London vermag wieder ungebrochen gut zu unterhalten und faszinieren, auch wenn es diesmal im Mittelteil dramaturgisch vergleichsweise dürftig bleibt. Die finalen Twists und der vielschichtige Protagonist reißen aber auch diesmal wieder einiges raus und so kann ich den nächsten Band mal wieder kaum erwarten!
Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von Blanvalet. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.
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Der Geist von London ist am 22.02.23 im Blanvalet Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!