Review: 127 Hours (Film)

Neues Jahr, neues Glück und nachdem ich mir in den vergangenen Tagen relativ bewusst eine mehr oder minder konsequente Internet-Abstinenz verordnet habe, um auch mal Luft zu holen, melde ich mich nun also mit dem ersten Artikel für 2015 zurück, dem später selbstredend noch das erste Schauspieler-Portrait für dieses Jahr folgen wird, ganz wie sich das gehört. Schön, wieder da zu sein und schön, auch 2015 mit euch verbringen zu können. Ich bin jetzt schon gespannt, was das Jahr so alles bereithalten wird!

127 Hours

127 Hours, USA/UK 2010, 94 Min.

127 Hours | © Twentieth Century Fox
© Twentieth Century Fox

Regisseur:
Danny Boyle
Autoren:
Danny Boyle (Drehbuch)
Simon Beaufoy (Drehbuch)
Aron Ralston (Buch-Vorlage)

Main-Cast:
James Franco (Aron Ralston)
in weiteren Rollen:
Kate Mara (Kristi)
Amber Tamblyn (Megan)
Clémence Poésy (Rana)
Kate Burton (Aron’s Mom)
Lizzy Caplan (Sonja)

Genre:
Biografie | Drama | Thriller | Abenteuer

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus 127 Hours | © Twentieth Century Fox
© Twentieth Century Fox

Es ist der 25. April 2003, als der Bergsteiger und Abenteurer Aron Ralston aufbricht, um den Blue John Canyon in Utah zu erkunden. Frisch gestärkt und mit Proviant sowie seiner unverzichtbaren Kamera ausgestattet, begibt er sich auf eine Tour, die bald eine unerwartete wie tragische Wendung nehmen soll. Im Anschluss an eine meilenweite Radtour entschließt er sich, von nun an zu Fuß in die Berge vorzudringen, die vor ihm liegen, trifft alsbald auf die beiden jungen Hikerinnen Kristi und Megan, die sich verirrt zu haben scheinen und lotst sie durch das unwegsame Gelände. Nicht ohne Aron zu einer Party einzuladen, verabschieden sich die beiden Mädchen bald von ihm und er setzt seine Tour auf eigene Faust fort, klettert über Felsen, springt über Kluften, quetscht sich durch enge Gänge, bis ihm ein folgenschweres Unglück widerfährt.

Ein Felsblock löst sich, Aron stürzt, mit ihm der Stein und am Grunde einer Erdspalte zerschmettert ihm der Fels den rechten Arm und klemmt ihn ein. Inmitten der menschenleeren Einöde von Roobers Roost beginnen für Aron Ralston die für ihn wohl längsten 127 Stunden seines Lebens. Jeder Versuch, sich aus der Gefangenschaft zu befreien, scheint zum Scheitern verurteilt und auch seine Vorräte gehen alsbald zur Neige, hatte er schließlich erwartet, alsbald wieder in die Zivilisation zurückzukehren. Dem gewiss scheinenden Tod ins Auge blickend, beginnt Aron, seine letzten Tage auf Band festzuhalten und beginnt, sich von seiner Familie zu verabschieden, sehnt sich nach der verheißungsvollen Party, erinnert sich seines Lebens und gibt doch bis zuletzt den Versuch nicht auf, sich zu befreien.

Rezension:

Nachdem ich nun wirklich ein Gros des Gesamtwerkes von Danny Boyle habe begutachten können, bleibt es doch immer noch erstaunlich, mit welch virtuoser Souveränität er die unterschiedlichsten Genres und Themen abgrast, dabei auf jedem Terrain nicht nur eine gute Figur macht, sondern mich regelmäßig sprachlos zurücklässt wie nun eben hier mit 127 Hours. Der Ansatz, den Überlebenskampf des realen Aron Ralston verfilmen zu wollen und das Glück, dass dieser sich bereit erklärt hat, Boyle und Team seine bis heute unter Verschluss gehaltenen Videoaufnahmen aus der Schlucht zu zeigen, um ein tieferes Verständnis für die ausweglose Situation zu bekommen, lässt auf einen packenden und intensiven Film hoffen, jedoch auch verbunden mit der Frage, wie es dem Tausendsassa-Regisseur gelingen mag, rund 90 Minuten damit zu füllen, einen Menschen auf engstem Raum ohne äußere Einflüsse abzulichten und bei dem für viele Zuschauer bereits bekannten Ausgang und dem damit einhergehenden Hinfiebern auf die Schlüsselszene dennoch die Spannung aufrecht zu erhalten und im Idealfall noch eine emotionale Bindung aufzubauen.

Szenenbild aus 127 Hours | © Twentieth Century Fox
© Twentieth Century Fox

Erwartungsgemäß ist ihm aber auch dieses Kunststück mehr als geglückt und nachdem er die erste Viertelstunde nutzt, um in die Geschichte zu führen und im starken Kontrast zu den folgenden Geschehnissen einen abenteuerlustigen, lebenshungrigen und charmanten Ralston zu zeigen, der noch ein wenig mit den zwei verirrten Hikerinnen Kristi und Megan flirten darf, während das Geschehen gerade in den ersten Minuten von wummernden Beats und zahllosen Splitscreens dominiert wird, folgt auch die Titeleinblendung 127 Hours erst nach dem tragischen Absturz und die Erzählweise ändert sich dramatisch, denn zunächst scheint die Kamera an Franco zu kleben und auch wenn die Kamerawinkel variieren ist es zunächst vorbei mit weitläufigen Landschaftsaufnahmen, lebensbejahendem Soundtrack und dergleichen. In dem Wissen, dass es nun ganz an Franco liegt, die Geschichte zu transportieren und die langsam wachsende Verzweiflung des Bergsteigers deutlich zu machen, fokussiert Boyle ganz auf ihn und unbestritten legt James Franco hier seine wohl intensivste und überzeugendste Schauspielleistung ab, was sich besonders in einem beeindruckend bedrückenden Monolog äußert, der voller bitterem Witz, kaum unterschwelligen Schrecken und einer gehörigen Portion Tragik steckt.

Szenenbild aus 127 Hours | © Twentieth Century Fox
© Twentieth Century Fox

Ein wenig tricksen musste Danny Boyle aber natürlich schon, um die Laufzeit von anderthalb Stunden gefüllt zu bekommen, so dass es immer wieder Rückblenden und Splitscreens, Traumsequenzen und Halluzinationen gibt, gar eine breit angelegte Sturmflut-Sequenz, die natürlich an Symbolträchtigkeit kaum zu überbieten ist, denn Ralstons Wasservorräte gehen bald schon zur Neige und es wird mehr als deutlich gezeigt, wie er in den nur fünf Tagen merklich abbaut. Francos Darstellung und Boyles kongeniale Inszenierung kulminieren dann in dem unglaublich intensiven Befreiungsversuch seitens Ralston, der mich, obschon ich mich für sehr abgebrüht halte, was Gewalt und Gekröse, Blut und Innereien in Filmen angeht, für sehr abgebrüht halte, doch schon ordentlich in den Sitz gepresst hat, was eben einerseits an der Art der Darstellung und akustischen Untermalung, andererseits an dem Gedanken, dass es sich so oder so ähnlich zugetragen haben muss, gelegen hat und für die sich anschließenden Minuten, die den Film stimmungsvoll abrunden, dankbar werden lässt, weil diese Verschnaufpause nach der nervlichen Zerreißprobe mehr als angebracht ist.

127 Hours bietet über den dramaturgischen Klimax hinaus allerdings noch weit mehr und insbesondere die vielen Close-Ups sowie die Videoaufnahmen, die Ralston im Laufe seiner Gefangenschaft in der Kluft anfertigt, bringen einem der Person deutlich näher, als es womöglich eine ausdifferenzierte Biografie getan hätte, wie man sie hier vergeblich sucht. Stattdessen wirft Boyle nur immer wieder Spotlights auf zurückliegende Ereignisse, skizziert damit Aron Ralston als Person zwar nur rudimentär, gibt der Geschichte dadurch aber trotz ihres realen, biografischen Hintergrundes einen gewissen, allgemeingültigen Anstrich. Wieder einmal ist Danny Boyle ein packender, mitreißender, ganz und gar ungewöhnlicher Film gelungen, der in weiten Teilen auf das gesprochene Wort zu verzichten weiß, mit zwar wenig subtilen, dafür aber umso wirkungsvolleren Mitteln Spannung zu erzeugen versteht und dennoch zumeist ein Film der leisen Töne bleibt.

Szenenbild aus 127 Hours | © Twentieth Century Fox
© Twentieth Century Fox

Fazit & Wertung:

Gleichermaßen beeindruckend wie bewegend, ist Danny Boyles 127 Hours ein Biopic der besonderen Art, konzentriert es sich schließlich beinahe ausschließlich auf die namensgebenden 127 Stunden in der Felsspalte und charakterisiert die Figur Aron Ralston unerwartet wenig, schafft dafür aber mit inszenatorischen Raffinessen und James Franco in Bestform eine ungemein packende, mitreißende Atmosphäre.

8,5 von 10 verzweifelten Versuchen, sich zu befreien

127 Hours

  • Verzweifelte Versuche, sich zu befreien - 8.5/10
    8.5/10

Fazit & Wertung:

Gleichermaßen beeindruckend wie bewegend, ist Danny Boyles 127 Hours ein Biopic der besonderen Art, konzentriert es sich schließlich beinahe ausschließlich auf die namensgebenden 127 Stunden in der Felsspalte und charakterisiert die Figur Aron Ralston unerwartet wenig, schafft dafür aber mit inszenatorischen Raffinessen und James Franco in Bestform eine ungemein packende, mitreißende Atmosphäre.

8.5/10
Leser-Wertung 2.6/10 (5 Stimmen)
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Meinungen aus der Blogosphäre:
Der Kinogänger: 9/10 Punkte
Tonight is gonna be a large one.: 8/10 Punkte
Xanders Blog: 9/10 Punkte

127 Hours ist am 29.07.11 auf DVD und Blu-ray im Vertrieb von Twentieth Century Fox erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

DVD:

Blu-ray:

vgw

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Kommentare (4)

  1. Jan 4. Januar 2015
  2. bullion 4. Januar 2015

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