Manchmal kann man ja auch zugunsten von Aktualität die geplante Veröffentlichungsreihenfolge über den Haufen schmeißen und nachdem ich vor nur wenigen Tagen über diesen Film gestolpert bin, der es ganz frisch in die Netflix-Mediathek geschafft hat, komme ich nicht umhin, nun direkt meine Eindrücke zu dem Werk festzuhalten.
The Discovery
The Discovery, USA 2017, 110 Min.
© Netflix
Charlie McDowell
Justin Lader
Charlie McDowell
Jesse Plemons (Toby)
Ron Canada (Cooper)
Riley Keough (Lacey)
Drama | Mystery | Romantik | Science-Fiction | Mindfuck
Trailer:
Inhalt:
© Netflix
Wissenschaftler Thomas Harbor ist gelungen, was niemand je für möglich gehalten hat: Er hat der unumstößlichen Beweis für die Existenz eines Lebens nach dem Tod erbracht. Zwei Jahre nach seiner Entdeckung hat die Kunde von der Nachwelt auf der ganzen Erde die Runde gemacht und bereits vier Millionen Menschen haben sich in Erwartung einer besseren Welt das Leben genommen, denn dass ein Leben nach dem Tod existiert ist gesichert, wie es aussieht jedoch bleibt ungewiss. Zum Jahrestag der Entdeckung kehrt Harbors Sohn Will zu ihm auf eine abgelegene Insel in New England heim und findet, nachdem er auf der Fähre die junge Isla kennengelernt hat, einen regelrechten Kult um die Arbeit seines Vaters vor, der drauf und dran ist, den nächsten Durchbruch zu schaffen und Bewegtbilder aus dem Jenseits liefern zu können. Will ist schockiert, sowohl von den sektenartigen Zuständen als auch den Forschungen seines Vaters, doch fordert zunächst ein unerwartetes Wiedersehen mit der mysteriösen Isla seine Aufmerksamkeit…
Rezension:
Es gibt ein Leben nach dem Tod. Mit dieser simplen wie bahnbrechenden Erkenntnis versucht der Netflix-Film eine ungemein unaufgeregte und teilweise beinahe kammerspielartig inszenierte sanfte Variation der Apokalypse zu zeichnen. Obschon man nämlich um das "Dass" weiß, sind die weiteren Modalitäten um das "Wie" oder "Wo" in der Gleichung bisher noch große Unbekannte, derweil das die Menschen nicht davon abhält, die Suizidrate in ungeahnte Höhen schnellen zu lassen, denn ist das Leben schwierig oder unbequem, zu schwer oder zu traurig, besteht ja nun immerhin Gewissheit, dass es weitergeht nach dem Punkt, an dem eigentlich alles endet. All diese Gedankengänge und -spiele werden in The Discovery aber nur ziemlich am Rande angerissen und in dieser Hinsicht hätte ich es durchaus begrüßenswert gefunden, wenn man diesen Gedankengang im Dialog noch weiter verfolgt, doch fokussiert der Film eben weit mehr auf seine Figuren, deren Welt und Lebensumstände sich lediglich in diesem kleinen, aber doch gravierenden Punkt von unserer Welt unterscheiden.
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Nach einem anfänglichen Interview mit Wissenschaftler Tomas Harbor, dem niemand Geringeres als Robert Redford (Captain America 2) Gesicht und Stimme leiht, lernen wir nämlich zunächst einmal auf einer Fähre die beiden (weiteren) Hauptprotagonisten Will und Isla kennen, bei deren Gespräch allein schon die pointierte Art der Dialoge durchschimmert, die weite Teile des Films wird dominieren dürfen. Ähnlich aber wie die eher unspektakuläre und kaum abwechslungsreiche Kulisse der Fähre geben diese ersten Minuten bereits den Ton des Films an sich an, der mit kargen Landschaften und rauer Atmosphäre für sich einzunehmen weiß, ohne dabei in wahrhaftige Tristesse zu verfallen, stattdessen in seiner ganzen Art und Inszenierung angenehm reduziert wirkt, was zwar auch dem Budget geschuldet gewesen sein mag, mir aber allemal lieber ist als eine Effekte-Overkill, wie ihn ein anderer Regisseur bei höherem Budget vielleicht zu drehen beschlossen hätte. In seiner Doppelrolle als Regisseur und Drehbuchautor ist aber Charlie McDowell seinem Stoff entsprechend verhaftet, dass er solchen Versuchungen eben nicht erliegt und The Discovery als sprödes Charakter-Drama inszeniert.
Dem Umstand geschuldet, dass es eben weit weniger um das große Ganze als vielmehr eine Handvoll Figuren geht, werden aber auch die weiteren Umstände über die bahnbrechende Erkenntnis von Thomas Harbor in keiner Weise aufgegriffen, was dem Ganzen, obwohl von "überwältigenden Beweisen" die Rede ist, auch eine gewisse mystische Aura verleiht und vermutlich aber auch die eleganteste und sinnvollste Art und Herangehensweise darstellt, denn welche pseudowissenschaftlichen Erklärungen hätte man sich zusammenschustern müssen, um für die Logik des Films die Existenz eines Lebens nach dem Tode zu untermauern? Entscheidend ist ebenfalls, dass dieser Punkt in The Discovery längst abgehandelt und als gegeben angesehen werden kann, derweil es sich Harbor nun zum Ziel gesetzt hat, Bilder aus der Nachwelt aufzunehmen und dahinterzukommen, was genau die Menschen im Jenseits nun erwartet. Redfords Darstellung des passionierten Wissenschaftlers steht hier nun als dessen Sohn Will ein ungewohnt ernst agierender Jason Segel gegenüber, der ja aber auch schon in dem tragikomischen Jeff, der noch zu Hause lebt andere Töne anzuschlagen wusste als von seiner Paraderolle in How I Met Your Mother bekannt, so dass er sich als regelrechter Glücksgriff für den Film erweist, nachdem ich gelesen habe, dass wohl auch Nicholas Hoult für die Rolle des Will im Gespräch war, den ich zwar auch sehr schätze, mir in dieser Rolle aber absolut nicht hätte vorstellen können. Rooney Mara (The Saints) wiederum sollte darstellerisch bereits über jeden Zweifel erhaben sein und agiert hier wieder einmal in einer gefühlt auf sie zugeschnittenen Rolle, denn diese Kombination aus fragil scheinendem Äußeren, das speziell dem desolaten Gemütszustand ihrer Figur entspricht, gepaart mit einer toughen und teils regelrecht schnippischen Attitüde kauft man ihr vollends ab.
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Während also sowohl die Prämisse des Films als auch die Besetzung zu überzeugen wissen, steht und fällt The Discovery mit der Story und der Frage, in welche Richtung sie sich entwickeln wird und hier schleichen sich leider ein paar erste Längen ein, während sich das Geschehen in eine zwar unerwartete, letztlich aber auch nicht so ungewöhnliche Richtung entwickelt, was der Faszination schon einen gewissen Abbruch tut, doch halten auch hier immer wieder geschliffene Dialoge und teils extrem trockener Humor bei Laune, während die persönliche Meinung zum Film sich beim abschließenden Twist formen wird, denn während die eine Fraktion ihn davor in Richtung filmische Perle rücken wird, wird die andere Fraktion sich ent- und genervt abwenden, wobei ihr euch sicherlich schon denken könnt, dass ich mich durchaus zum ersten Lager zähle und die schlussendliche Auflösung so einerseits nicht habe kommen sehen und andererseits gerne nach langer Zeit mal wieder mit dem Prädikat "Mindfuck" versehen möchte, denn auch wenn die Auflösung nicht frei von logischen Auslassungen sein mag, wertet sie einen bis dahin ambitioniert-soliden Film in meinen Augen noch einmal gehörig auf und trägt vor allem der spannenden, sich gleichermaßen auf Science-Fiction und Mystery fokussierenden Prämisse Rechnung.
The Discovery
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Ausblicke auf die "Nachwelt" - 8/10
8/10
Fazit & Wertung:
Die von Netflix lizensierte Produktion The Discovery war für mich eine echte Überraschung und liefert eine gekonnte Verquickung aus Science-Fiction- und Mystery-Versatzstücken in einem regelrechten Charakter-Drama, das mit sprödem Charme und reduzierter Kulisse auch atmosphärisch ungemein gelungen ist und ein selten behandeltes Thema von einer ungekannten Warte aus angeht. Wenn auch hier eine willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit zum guten Ton gehört, funktioniert der Film in den Parametern seiner eigenen Realität ungemein gut und liefert fernab seines Kernthemas dank intelligenter Dialoge weitere Denkanstöße in ähnlichen und artverwandten Richtungen.
The Discovery ist seit dem 31.03.17 exklusiv bei Netflix verfügbar.
Eine schöne, ausführliche und vor Allem äquivalente Rezension. Danke dafür. Wenn man niemanden kennt, der mit einem über den Film diskutierten würde, dann kann man zumindest eine Rezension lesen.
Noch mehr würde ich mich jedoch über eine Interpretation freuen.
Ohne hier jetzt weiter auf mögliche Interpretationshypothesen einzugehen, welche sich direkt auf das Thema des Werkes beziehen, quält mich eine Frage ganz besonders.
Gegen Ende des Filmes sind mir immer mehr Parallelen zu einem anderen Mindfuck-Werk aufgefallen: Shutter Island.
Obgleich die Thematik und szenische Inzenierung natürlich deutlich abweicht, sehe ich zumindest eine Ähnlichkeit im sehr Groben Handlungsablauf.
Der Protagonist beginnt auf einer Fähre zu einer (zumindest teilweise) verlassenen Insel, wo sich ein großes, schloss- oder burgartiges Gebäude befindet, in welchem eine Menge seltsame, psychisch krank wirkende Menschen unter der Führung eines Wissenschaftler leben. Der Protagonist fungiert als kritische Sichtweise auf dieses ganze Konstrukt.
Für mich wirkt das wie eine Anspielung auf das Meisterwerk Shutter Island.
Mich würde es brennend interessieren, ob auch jemand andererem so etwas aufgefallen ist und er es ähnlich sieht. Und natürlich auch, ob es absichtlich so konstruiert ist!
Wie ist Ihre Meinung dazu? Und werden Sie vielleicht noch eine gesamte Interpretation des Filmes schreiben, wo sie einige Interpretationshypothesen beleuchten?