Review: Das Spiel der Götter 5: Der Tag des Sehers | Steven Erikson (Buch)

Heute habe ich nach einer gefühlten Ewigkeit mal wieder das große Vergnügen, euch eine neue Buch-Kritik präsentieren zu können und da ich ja mittlerweile eine Vielzahl von Reihen im Portfolio habe, ist es sicher auch nicht weiter verwunderlich, dass es sich auch bei dem heutigen Buch um den Vertreter einer ebensolchen handelt. Hoffe, einen schönen Mittwoch gehabt zu haben und wünsche einen schönen, erholsamen Abend!

Das Spiel der Götter 5
Der Tag des Sehers

Memories of Ice. A Tale of the Malazan Book of the Fallen 3, Part 2, USA 2001, 768 Seiten

Das Spiel der Götter 5: Der Tag des Sehers von Steven Erikson | © Blanvalet
© Blanvalet

Autor:
Steven Erikson

Verlag (D):
Blanvalet
ISBN:
978-3-442-26991-4

Genre:
Fantasy | Drama | Abenteuer

 

Inhalt:

Niemand wusste, worauf Septarch Kulpath wartete, obwohl natürlich jede Menge Vermutungen angestellt wurden. Noch mehr Boote voller Tenescowri hatten den Fluss überquert, bis es den Anschein hatte, als habe sich die halbe Bevölkerung des pannionischen Reiches der Bauern- und Bettlerarmee angeschlossen. »Wenn es so viele sind«, hatte jemand vor vielleicht einem Glockenschlag gesagt, »bleibt für jeden gerade mal ein Bissen capanischer Bürger.« Grantl war praktisch der Einzige gewesen, der an dem Witz Gefallen gefunden hatte.

Unaufhaltsam nähert sich das Heer unter dem Kommando von Dujek Einarm und dem Aufgestiegenen Caladan Bruth der belagerten Stadt Capustan, doch noch trennen sie fünf Wochen von der Armee des Pannionischen Sehers und eine Rettung der Stadt scheint ausgeschlossen. Itkovian, Schild-Amboss der Grauen Schwerter von Capustan, beginnt zu resignieren und findet sich mit der sicheren Vernichtung der Stadt und der Söldner ab, zumal ihm nur allzu schmerzlich bewusst ist, dass die Präsenz des Ebergottes Fener seit längerem nicht mehr gegeben ist. Doch aus den Wirren des sich über die Straßen der Stadt ergießenden Krieges erhebt sich bereits ein neuer Gott und mit ihm ein neues Todbringendes Schwert, erwachsen aus einem Mann, der eine derartige Wandlung wohl noch am wenigsten erwartet hatte. Während sowohl die T’lan Imass als auch die Tiste Andii unter Anomander Rake durch Abwesenheit glänzen, befinden sich Lady Missgunst und ihre Seguleh auf ihrem Weg in die Pannionische Domäne, wo Toc der Jüngere noch immer von dem Pannionischen Seher gefangen gehalten wird und kaum noch Hoffnung für sein Leben sieht.

Als der Ansturm auf Capustan schlussendlich beginnt, fordert das daraus erwachsende Gemetzel schnell erste Opfer und ein blutiger Grabenkampf um jeden einzelnen Straßenzug nimmt seinen Anfang, wenn es auch speziell den Grauen Schwertern gelingt, den Tenescowri entscheidende Verluste zuzufügen. Ben Adaephon Delat wiederum reist durch gänzlich andere Sphären und sammelt Informationen über die im Hintergrund lauernde, weit größere Gefahr, die von dem Verkrüppelten Gott ausgeht, der seinen schädlichen Einfluss auf die Gewirre mehr und mehr ausdehnt und sich anschickt, ein neues Haus der Ketten zu etablieren. Doch da hat Ganoes Paran, Hauptmann der Brückenverbrenner, ein Wörtchen mitzureden, scheint es schließlich so, als sei er der neue Herr der Drachenkarten.

Rezension:

Nur etwas mehr als drei Monate ist es her (und das wäre exakt der Zeitraum, in dem Blanvalet derzeit neue Bände raushaut), dass ich mich das letzte Mal in der Welt von Das Spiel der Götter verlieren durfte und nicht nur, weil es sich bei Der Tag des Sehers um den zweiten Teil des englischen Originalbandes Memories of Ice handelt, sondern auch, weil es Erikson tatsächlich ein weiteres Mal gelungen ist, ein enorm mitreißendes und packendes Epos aufs Papier zu zaubern, fiel mir Einstieg unerwartet leicht und ich konnte mich direkt wieder in dem Kampf um Capustan verlieren, der hier seine volle Tragweite entfaltet und mit detaillierten Schilderungen der übermäßig blutigen Fehden und Grabenkämpfe nicht hinterm Berg hält. Das ist harter Tobak, doch Krieg ist natürlich niemals schön und ich begrüße es, dass Erikson hier nichts beschönigt, sondern stattdessen die Brutalität in all ihrer rohen Kraft skizziert. Das passt auch dahingehend gut, als dass die Grauen Schwerter sich neuer Konkurrenz gegenübersehen, denn während ihr Eber-Gott Fener in der Welt der Sterblichen verschollen scheint, erhebt sich der Tiger des Sommers als neuer Kriegsgott und mit ihm ausgerechnet der Karawanenführer Grantl, der wider Willen bald als Todbringendes Schwert dieser neuen Gottheit in Erscheinung tritt und eine sagenhafte Wandlung durchmacht.

Er fühlte, wie er innerlich kälter wurde, als hätte sein Blut sich verändert, wäre nun etwas anderes, das in einem unerbittlichen Kreislauf durch seine Adern floss und seine Muskeln mit einer merkwürdigen, nicht nachlassenden Kraft versorgte. So etwas hatte er noch nie gespürt, doch er war über den Punkt hinaus, an dem er darüber nachgedacht hätte. Es gab keine Worte dafür.
Ebenso wenig – das sollte er bald entdecken –, wie es Worte für das gab, was aus ihm werden und was er tun würde.

Die Tage der Grauen Schwerter sind allerdings noch längst nicht gezählt und Itkovian ist es, der nicht nur die rettende Idee zum Fortbestand seiner Kriegerkaste hat, sondern in seiner Funktion als Schild-Amboss eine der mitunter tragischsten Rollen in Der Tag des Sehers einnimmt. Doch an Tragik spart Erikson auch insgesamt nicht gerade und speziell während des unbestreitbar epischen Finales wird man sich von einer liebgewonnenen Figur verabschieden müssen, die mir doch sehr ans Herz gewachsen ist, was ebenfalls von den sprachlichen Qualitäten des Autors kündet, der aber bei all den Kriegswirren und Verlusten auch nicht müde wird, ab und an einen beißenden Humor in die Erzählung einzuarbeiten, die der Geschichte zwar nicht ihre dramatische Komponente in Abrede stellt, das Geschehen aber doch wohltuend auflockert, was sich in manch pointiertem Dialog und insbesondere dem Auftauchen von Motts Irregulären äußert.

Vor allem aber versteht es Erikson wie kein Zweiter, nicht nur zahllose parallel verlaufende und auf den ersten Blick unverbundene Erzählstränge im Verlauf des beinahe 800 Seiten starken Bandes nach und nach miteinander zu verflechten und dabei noch eine Geschichte zu erzählen, die einerseits an Spannung und dramaturgischen Höhepunkten kaum zu überbieten sein dürfte, andererseits in ihren Ursprüngen sowohl tausende von Jahren in der Zeit zurückreicht als auch bis in die Sphären der Götter und die unterschiedlichen Gewirre dringt, über deren Herkunft und Aufbau man im Übrigen dank der Anstrengungen des Schnellen Ben bald endlich mehr erfährt. Auch die T’lan Imass und ihr seit jeher thematisierte ewige Kampf gegen die Jaghut-Tyrannen werden erneut aufgegriffen und konsequent weiter beleuchtet, was in Anbetracht der Tatsache, dass diese Umstände bereits in Die Gärten des Mondes Erwähnung gefunden haben, darauf schließen lässt, dass die von Erikson ersonnene Welt mit all ihren Wesen, Mythen, Göttern und Mysterien tatsächlich so konsistent und durchdacht ist, wie man bei der Lektüre jeder einzelnen Seite von Der Tag des Sehers glauben möchte.

Nachdem Destriant Karnadas gegangen war und die Boten hektisch hin und her zu schwirren begannen, hatte Itkovian von seiner Position auf dem höchsten Turm der Mauer hinter den Truppenunterkünften aus die erste gleichzeitige Bewegung feindlicher Truppen im Osten und Südosten und das rumpelnde Auftauchen von Belagerungsmaschinen beobachtet. Bekliten und die schwerer gerüsteten Betakliten stellten sich gegenüber dem Hafentor auf, hinter ihnen und zu ihren Seiten wimmelten Massen von Scalandi. Stoßtrupps aus Domänensern sammelten sich, hin und her huschende Desandi – Sappeure – brachten noch mehr Belagerungsmaschinen in Stellung. Und in riesigen, entlang des Flussufers und der Meeresküste weit auseinandergezogenen Lagern warteten die brodelnden Massen der Tenescowri.

Ein weiteres Indiz hierfür wäre wohl auch die weitere Entwicklung von Toc dem Jüngeren, der bislang eine wahre Odyssee hat durchstehen müssen und dem nun, in der Pannionischen Domäne unter Obhut des Sehers, freilich keine Verschnaufpause vergönnt ist, während er, ebenso wie der Leser – weshalb ich hier nichts vorwegnehmen möchte – , noch längst nicht ahnt, was das Schicksal für ihn noch bereithält. Doch so wendungsreich sich das Spiel der Götter auch präsentieren mag, gelingt es dem Autor dabei immer, diese Entwicklungen überzeugend und stichhaltig zu präsentieren und diese Kohärenz ist es, die zusammen mit dem pointierten und eloquenten Schreibstil, der ungeschönten Darstellungsweise und der einfallsreichen Weltenschaffung auch Der Tag des Sehers zu einem mehr als nur lohnenswerten Vertreter des Fantasy-Genres machen, der bis dato zudem das Highlight der Reihe darstellt und mehr als einmal anzudeuten weiß, welches Potential selbiger noch innewohnt, denn nicht gerade wenige Fragen bleiben offen und längst nicht alle Bedrohungen sind gebannt, mitnichten auch nur ein Großteil der Geheimnisse gelüftet und die Geschichte so mancher Figur definitiv noch nicht zu Ende erzählt, so dass ich mich schon wieder sehr auf den jüngst erschienenen sechsten Band Der Krieg der Schwestern freue, der eine Rückkehr ins Reich der sieben Städte verspricht.

Fazit & Wertung:

Steven Eriksons Der Tag des Sehers markiert den bisherigen Höhepunkt seines Fantasy-Epos Das Spiel der Götter, trumpft mit einer packenden Geschichte, pointiertem Schreibstil und detailliert geschilderten Geschehnissen auf, die an Spannung und Einfallsreichtum kaum zu überbieten sein dürften.

9,5 von 10 magischen Gewirren

Das Spiel der Götter 5: Der Tag des Sehers

  • Magische Gewirre - 9.5/10
    9.5/10

Fazit & Wertung:

Steven Eriksons Der Tag des Sehers markiert den bisherigen Höhepunkt seines Fantasy-Epos Das Spiel der Götter, trumpft mit einer packenden Geschichte, pointiertem Schreibstil und detailliert geschilderten Geschehnissen auf, die an Spannung und Einfallsreichtum kaum zu überbieten sein dürften.

9.5/10
Leser-Wertung 10/10 (3 Stimmen)
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von Blanvalet. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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Das Spiel der Götter 5: Der Tag des Sehers ist am 21.07.14 bei Blanvalet erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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