Der Abend naht und folglich mit ihm auch meine neueste Review, die sich diesmal wieder einmal der Neunten Kunst und einem ihrer bekanntesten Vertreter widmet, der uns wieder einmal mit einer neuen Heftreihe beglückt hat, die Panini wiederum in geballter Form zu veröffentlichen beschlossen hat.
Jupiter’s Legacy 1
Familienbande
Jupiter’s Legacy #1-5, USA 2013-2015, 140 Seiten
© Panini
Mark Millar
Frank Quitely
Panini Verlag
978-3-957-98626-9
Action | Science-Fiction | Drama
Inhalt:
© Panini
Im Jahre 1932 bricht eine Gruppe Menschen zu einer Expedition auf, die sie für immer verändern soll. Denn getrieben von Sheldons Träumen, die von einer auf keiner Karte verzeichneten Insel künden, kehren allesamt mit Superkräften ausgestattet in die Zivilisation zurück und kämpfen fortan für die gerechte Sache. Jahrzehnte später – die Helden von einst haben längst Kinder bekommen und sind teils sesshaft geworden – halten nur noch wenige die Fahne der Rechtschaffenheit empor und insbesondere die nächste Generation steht merklich im Schatten ihrer übergroßen Eltern, gleichwohl auch sie mit Kräften ausgestattet sind. Doch ausgerechnet in den eigenen Reihen schickt sich eine Person an, die Kluft zwischen Jung und Alt noch zu vergrößern und dieses Zerwürfnis für den eigenen Vorteil auszunutzen, was schlussendlich einen Großteil der Helden gegen Utopian – der lange Zeit so etwas wie das Oberhaupt der Heldenschar gewesen ist – aufbringt; nicht ahnend, welche Konsequenzen ihr Aufbegehren nach sich ziehen wird…
Rezension:
Nicht erst seit Kick-Ass und dessen gleichnamiger Verfilmung ist Mark Millar im Comic-Business bekannt wie ein bunter Hund und speziell mit seinen unter dem eigenen Label Millarworld geschaffenen Titeln wusste er ein ums andere Mal zu überzeugen und die entsprechenden Werke gleichwohl bei namhaften Major-Labels unterzubringen, so wie nun auch bei Jupiter’s Legacy, bei dem er sich erneut dem Thema Superhelden von einer ungewöhnlichen Warte aus nähert, denn die hinlänglich bekannten, moralisch integren Strahlemänner findet man hier kaum und wenn doch, so wirken sie mehr wie Karikaturen denn echte Charaktere, doch was die Geschichte so faszinierend macht, ist der Ansatz, gleich mehrere Generationen besagter Helden auftreten zu lassen, so dass die Helden eben nicht bloß Helden, sondern auch Eltern sind und deren Nachwuchs natürlich gänzlich im Schatten der Ikonen aufwächst, sich entweder zu emanzipieren versucht oder womöglich gar keine Lust hat, selbst einmal in die Fußstapfen der Erzeuger zu treten. So gibt es hier rüstige Rentner, die noch immer für das Wohl der Menschheit einstehen, während die jüngere Generation Partys feiert und sich im Ruhme der Eltern sonnt. Von Schwarz-Weiß-Denken ist Millar dabei aber so weit entfernt wie ehedem und man wäre ein Narr, zu glauben, dass dies schon die gesamte Prämisse seines neuesten Superhelden-Wurfs darstellen würde.
© Panini
Millar beginnt seine Geschichte in den 30er Jahren und leitet nach kurzer Exposition hinüber in die heutige Zeit, so dass die zuvor noch jungen Männer und Frauen voller Ideale und hehrer Ziele nun alt geworden sind und einzig Utopian – so etwas wie der Superman dieser alternativen Realität – ist noch immer mit demselben Eifer bei der Sache, während sich andere Helden vornehm zurückhalten und versuchen, sich aus allem Ärger herauszuhalten, wobei seine eigenen Kinder Chloe und Brandon die mitunter größte Enttäuschung für ihn sein dürften. Nichtsdestotrotz könnte alles in bester Ordnung sein, wenn Brandon sich nicht wünschen würde, von seinem Vater als Mann und Held ernstgenommen zu werden, was dessen Bruder – Brandons Onkel – Tür und Tor für Einflüsterungen öffnet, die Brandon mehr und mehr gegen den eigenen Vater aufbringen, während Chloe mit Problemen ganz anderer Art zu kämpfen hat. Bei der Frage nach Ehre und Verantwortung, den unterschiedlichen Sicht- und Denkweisen der einzelnen Helden, fällt dann auch einmal mehr Millars differenzierte Figurenzeichnung ins Auge, die hier einhergeht mit äußerst überzeugenden Dialogen, die auch oft einen politischen oder zumindest gesellschaftskritischen Unterton besitzen, wobei dies eines der Alleinstellungsmerkmale von Jupiter’s Legacy an sich ist, wie man beispielsweise sieht, wenn der partysüchtige Heldennachwuchs sich über die ach so integren Eltern auskotzt, während im Hintergrund auf einem Fernsehschirm unheilvolle Nachrichten von Finanz- und Wirtschaftskrisen, wachsender Arbeitslosigkeit und moralischem Verfall künden, wobei dieses exemplarische Beispiel noch am ehesten der Holzhammermethode entspricht und Millar ansonsten weitaus subtiler zu Werke zu gehen weiß.
Ich könnte tatsächlich in einer Tour von Jupiter’s Legacy schwärmen, wenn da nicht einerseits der Umstand wäre, dass Millar und Quitely für ihren ersten fünfteiligen Geschichtszyklus, denn sie binnen fünf Monaten veröffentlichen wollten, nunmehr über anderthalb Jahre gebraucht haben, der zweite und die Geschichte zum Abschluss bringende Teil wohl also noch eine ganze Weile auf sich warten lassen wird und andererseits die Tatsache, dass man auch hier vermehrt das Gefühl hat, die Blaupause eines noch zu drehenden Filmes zu betrachten, denn es mag eine Sache sein, einen cineastischen Stil zu pflegen und diesen auf die Neunte Kunst zu übertragen, doch hier hat man bei den schnellen Schnitten, den Szenenwechseln und Zeitsprüngen doch öfter das Gefühl, dass manche Themen eingehender hätten behandelt werden können, so dass die Story für sich genommen vor Einfallsreichtum und Drive nur so sprüht, ich den Figuren aber nicht wirklich nahekommen konnte, weil in den fünf Heften nicht gerade viel Raum für eine ausgiebige Exposition bleibt.
© Panini
So verweilt man nämlich gerade einmal drei Kapitel – also Hefte – in der Gegenwart des Jahres 2013 (in dem die Veröffentlichung der Comic-Hefte begonnen hat), bevor ein neuerlicher Zeitsprung ins Jahr 2022 katapultiert. Was grundsätzlich aber für ein spannendes und abwechslungsreiches Leseerlebnis sprechen würde, verschenkt hier ganz klar Möglichkeiten, denn noch ehe die Figuren von Chloe und Brandon auch nur annähernd ausgelotet worden sind, geschweige denn, dass die sich zum Abschluss des dritten Heftes vollziehenden Ereignisse ihre Wirkung entfaltet hätte, überspringt man diesen Part schlichtweg und stellt den Leser vor vollendete Tatsachen, was zwar auch seinen Reiz haben mag, doch hätte mir eine eingehendere Beschäftigung mit der Thematik deutlich besser gefallen. Grafisch umgesetzt wurde Jupiter’s Legacy derweil von Frank Quitely und auch wenn der nicht hundertprozentig meinem persönlichen Geschmack entspricht, liefert er doch einen überzeugenden Job ab, insbesondere was die Mimik und Gestik der Figuren anbelangt, die allesamt ungemein dynamisch wirken, zumal jede Figur und jeder Held genügend Alleinstellungsmerkmale besitzen, um einen gewissen Wiedererkennungswert zu haben, zumal Quitely – und das muss man heutzutage immer wieder gesondert loben – für sämtliche Hefte verantwortlich zeichnet und nicht einmal den Zeichenstift aus der Hand gibt, was den Band in sich – trotz seiner Zeitsprünge und Rückblenden – ungemein homogen wirken lässt. So bin ich sehr gespannt, wie die Geschichte sich dereinst noch entwickeln wird und u welcher Konklusion die Ereignisse führen werden, denn vielversprechend, spannend und lohnenswert ist dieser Band trotz der angesprochenen Defizite allemal.
Jupiter's Legacy 1: Familienbande
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Dsillusionierte Heldensprösslinge - 8/10
8/10
Fazit & Wertung:
Einmal mehr legt Mark Millar mit Jupiter's Legacy 1: Familienbande eine Superheldengeschichte der etwas anderen Art vor und begeistert mit pointierten Dialogen und teils grandiosen Einfällen und Seitenhieben, derweil die Geschichte manchmal etwas gehetzt wirkt und es wünschenswert gewesen wäre, hätte sich Millar noch eingehender seinen Figuren und ihrer Motivation gewidmet. Dennoch eine Geschichte, die neugierig macht auf die derzeit noch in den Sternen stehende Fortsetzung!
Meinungen aus der Blogosphäre:
Filmherum: 5/5 Punkte
Jupiter’s Legacy 1: Familienbande ist am 22.03.16 im Panini Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!
Interessant, das ist tatsächlich mal eine Comic-Rezension von dir, die ich theoretisch direkt nachvollziehen könnte, weil es die digitale englischsprachige Version dieses Vol. 1 kürzlich gratis bei Comixology gab … allerdings ziehe ich es vor, Comic-Reihen möglichst erst nach deren Abschluß am Stück zu lesen (wie zuletzt Joe Hills großartiges “Locke & Key”, das ich nur weiterempfehlen kann!), insofern wird wohl doch nichts draus. :-)
Tja, da wirst du in dem Fall wohl noch ziemlich lange warten müssen, denn wenn ich allein überlege, wie lange sie jetzt für die paar Hefte gebraucht haben, würde ich so auf 2017/2018 tippen.
“Locke & Key” hatte ich auch schon sehr früh (und mittlerweile sehr lange) auf dem Radar, aber ich verfolge im Moment so viele Serien, dass ich mir die nicht auch noch ans Bein binden will. Ähnlich verhält es sich leider mit Kings “Der dunkle Turm” und auch “The Stand”, wo ich seinerzeit das Buch und selbst die Fernsehfilme sehr mochte. Aber kommt Zeit, kommt Rat… ;)
Ach je, mit King fange ich gar nicht erst an, ich habe schon mehr als genügend ungelesene Bücher rumliegen – da müssen bei King die zahllosen Verfilmungen und gelegentlichen Serien reichen. ;-) “Locke & Key” solltest du aber definitiv nicht aus den Augen verlieren, denn die Reihe lohnt sich definitiv – und ist ja auch gar nicht sooo lang (und wenn man erst mal damit anfängt, kommt sie einem sowieso noch viel kürzer vor). Wobei da ja momentan auch mal wieder eine Serienversion angedacht ist, wäre dann also vielleicht irgendwann noch eine zusätzliche Motivation …
King fiel mir in dem Zusammenhang auch nur ein, weil er ja eben der werte Herr Papa vom Joe ist, aber ich weiß was du meinst, da wird es dann erst so richtig unübersichtlich und mir geht es ja eben auch so, dass es eigentlich immer schon viel zu viel ist, was noch so rumliegt.
Von der Serienversion hatte ich schon mal irgendwo gehört, aber nur kurz, vielleicht ist das wirklich ein Ansporn, “Locke & Key” mal in Angriff zu nehmen, wo ich letztens schon einen drüber gekriegt habe, wieso ich die ganzen “Preacher”-Sachen nicht kenne. Achja, die gabs ja auch noch… öhm, ja, ich schreib “Locke & Key” mal mit auf die To-Do…