Review: Bonfire – Sie gehörte nie dazu | Krysten Ritter (Buch)

Kommen wir nun zur Buch-Kritik für diese Woche, wobei ich mich selbst ein bisschen ärgere, erst jetzt dazu gekommen zu sein, hier einen Blick zu riskieren, denn ursprünglich hatte ich Krysten Ritters Debüt schon bei seiner Erstveröffentlichung auf dem Plan, habe es bis zur deutschen Fassung aber ziemlich aus den Augen verloren und bin dann erst durch Zufall wieder in der Buchhandlung drüber gestolpert.

Bonfire
Sie gehörte nie dazu

Bonfire, USA 2017, 368 Seiten

Bonfire – Sie gehörte nie dazu von Krysten Ritter | © Diana
© Diana

Autorin:
Krysten Ritter
Übersetzer:
Charlotte Breuer
Norbert Möllemann

Verlag (D):
Diana
ISBN:
978-3-453-29213-0

Genre:
Drama | Thriller

 

Inhalt:

In den meisten Nächten werde ich inzwischen sogar nicht mehr von Albträumen heimgesucht.
Ich habe mir oft geschworen, nie wieder nach Hause zu fahren. Jetzt weiß ich es besser. Jedes Selbsthilfebuch der Welt sagt einem, dass man vor seiner Vergangenheit nicht davonlaufen kann.
Ich habe meine Wurzeln in Barrens. Wenn diese Wurzeln ein für alle Mal gekappt werden sollen, muss ich das selber tun.

Abby Williams hatte ihrem Heimatort Barrens kurz nach ihrem Schulabschluss den Rücken gekehrt und sämtliche Brücken abgebrochen. In Chicago hatte sie sich ein neues Leben aufgebaut und war als Anwältin bei der Umweltschutzorganisation CEAW – Center for Environmental Advocacy Work – untergekommen. Und ausgerechnet dieser Job führt sie nun in ihre alte Heimat zurück, da schon seit Jahren immer wieder Verdachtsmomente aufgetaucht sind, die ortsansässige Firma Optimal könnte womöglich das Wasser verschmutzen. Doch für Abby geht es um weit mehr als eine erfolgreiche Anklage gegen Optimal, denn die Rückkehr nach Barrens bedeutet für sie vor allem eine Konfrontation mit ihrer Vergangenheit. Einer Vergangenheit, die von Lügen und Intrigen, rücksichtslosem und unbarmherzigen Mobbing und einem perfiden "Spiel" überschattet wird, die alle eng mit ihrer Schulkameradin Kaycee Mitchell verwoben sind, der man seinerzeit vorwarf, eine Krankheit simuliert zu haben, woraufhin sie kurz danach aus der Stadt verschwand…

Rezension:

Ich kann und möchte gar nicht verhehlen, dass auch ich vorrangig auf Bonfire – Sie gehörte nie dazu aufmerksam geworden bin, da es sich um den Debüt-Roman der doch eher als Schauspielerin bekannten Krysten Ritter handelt, die spätestens seit Jessica Jones doch so ziemlich jedem ein Begriff sein dürfte. Parallelen zu speziell dieser Figur weist dabei durchaus auch der vorliegende Roman auf, wobei Titelfigur Abby freilich nicht über Superkräfte verfügt und auch ansonsten merklich geerdeter und weniger zynisch daherkommt. Nichtsdestotrotz ist es erwähnenswert, zumal sich Ritter bei ihrer Erzählung für die Ich-Perspektive entschieden hat und ich nicht umhin konnte, mir eine ihr doch sehr ähnliche Figur in der Rolle der Anwältin und ehemaligen Barrens-Bewohnerin vorzustellen. Das soll es dann aber auch gewesen sein, was der Roman an "Star-Bonus" zugesichert bekommt, derweil ich mich ansonsten bestmöglich um Objektivität und Unvoreingenommenheit bemüht habe.

In der zwölften Klasse wurden Misha und Kaycee krank. Ihre Hände zitterten – es war eins der ersten Symptome. Als Nächstes ging es bei Cora Allen und Annie Baum los. Sie verloren ständig das Gleichgewicht, sogar dann, wenn sie einfach still dastanden. Sie vergaßen, wo unser Klassenzimmer war oder wo es zur Turnhalle ging. Irgendwann war es, als würden alle in Barrens krank, als würde die ganze Stadt gemeinsam den Verstand verlieren.

Und entsprechend irritiert bin ich, wie mäßig das Buch doch teilweise aufgenommen worden ist, wobei es zugegebenermaßen in vielerlei Hinsicht nicht unbedingt einem klassischen Thriller entspricht, den man sich nicht von ungefähr hat erwarten können. Bei mir allerdings hatte Bonfire recht schnell einen Stein im Brett, was an der zunehmend abgründiger und schockierender werdenden Erzählung resultiert, die zwar nicht mit billigen Schockeffekten aufwartet und auch beinahe ruhig vorgetragen wird, aber überschattet ist und von allerhand Grausamkeiten, denen sich Protagonistin Abby während ihrer Schulzeit ausgesetzt war oder von denen sie zumindest Kenntnis hatte und die sich nun mit Nachdruck wieder in ihr Bewusstsein drängen. So mag der Aufhänger ein vermuteter Umweltskandal sein, doch weist die Geschichte eine ungleich persönlichere Note auf, während sich Anwältin Abby mit zunehmend manischen Zügen auf Recherche begibt und sich immer tiefer in den Pfuhl verdrängter Erinnerungen ziehen lässt. Das mag handwerklich noch nicht mit jeder Nuance überzeugen, doch als Debüt macht das Ganze für meinen Geschmack einen mehr als vielversprechenden Eindruck, wenn man sich davon losmacht, einen jederzeit spannungsgeladenen Thriller zu erwarten.

Weit überzeugender sind nämlich die Einsprengsel und Erinnerungsfetzen, die allenthalben in Abbys Kopf aufblitzen und die Schicht um Schicht weitere Geheimnisse ihrer Vergangenheit ans Licht bringen, die teils wirklich schockierende Ausmaße haben und das kleine Örtchen Barrens immer mehr als bis in den Kern verdorbenen Sündenpfuhl skizzieren. Und natürlich ist das manchmal dick aufgetragen, doch gefiel mir diese Art Düsternis ausnehmend gut, zumal selbst belanglos scheinende Details später durchaus noch mit Bedeutung aufgeladen werden und ein vielschichtig-detailliertes Bild ergeben. So erinnert die Recherchearbeit seitens Abby nicht von ungefähr öfter an klassische Detektivarbeit und man könnte darüber streiten, ob dies dem üblichen Habitus einer Umweltanwältin entspricht, doch vermag Ritter eben auch schnell herauszustellen, dass es sich eben um einen persönlichen Feldzug von Abby Williams handelt. Vom ersten Moment an treibt sie daher weit mehr die Frage um, was wirklich mit der damals verschwundenen Kaycee Mitchell passiert ist, statt sich einzig auf die Indizien in dem Fall zu stützen, was der Handlung aber auch eine unmittelbare, weit emotionalere Ebene verleiht.

Während meiner Jugend lag morgens immer eine Art Plastikasche in der Luft. Jedes Mal, wenn wir Luft holten, atmeten wir Chemikalien von Optimal ein, und abends zauberte der chemische Smog die herrlichsten pink- und orangefarbenen Sonnenuntergänge an den Himmel. Unsere Ohren dröhnten vom permanenten Baulärm, den Optimal verursachte. Gebäude wurden eingerüstet, neue Lagerhallen wurden errichtet, neue Produktionsgebäude, neue Schornsteine.

Entsprechend wird aus Bonfire zeitweise auch ein regelrechter Höllentrip, derweil sich das keine 400 Seiten fassende Werk ganz wunderbar konsumieren lässt und behutsam tiefer in die Geschichte tauchen lässt. Zwischenzeitlich, speziell im letzten Drittel, scheint zwar Abbys Verhalten oder vielleicht eher der Zustand ihrer Psyche zunehmend desolat zu wirken, doch passiert das weder grundlos noch ohne Erklärung, auch wenn die eher nebensächlich abgehandelt wird. Im Grunde ist das aber auch eine Stärke des Buches, denn Ritter hält es nicht für nötig, haarklein jeden Zusammenhang zu erklären und aufs Kleinste aufzudröseln, was mir doch sehr gefallen hat, denn nichts ist langweiliger und schlimmer als ein sich für clever haltender Autor, der auf den letzten Metern all die unwahrscheinlichen Zusammenhänge zu elaborieren versucht, denn natürlich ist auch hier einiges konstruiert, geht aber für mein Empfinden gut auf und überzeugt mit einem abwechslungsreichen Plot, der jetzt handlungstechnisch vielleicht nicht die größten Überraschungen beinhaltet, aber allein durch sein stetiges Vortasten in immer weitere untiefen durchweg atmosphärisch geraten ist. Demnach bin ich gespannt, ob man in Zukunft in literarischer Hinsicht noch mehr von Krysten Ritter wird erwarten können, oder ob es bei diesem einmaligen Ausflug bleibt.

Fazit & Wertung:

Krysten Ritter liefert mit Bonfire – Sie gehörte nie dazu ein durchaus gelungenes Debüt ab, das vielleicht an mancher Stelle noch ein wenig kantig wirkt, dadurch aber auch die abgründige Atmosphäre des Plots unterstreicht, der wirklich in die tiefsten Tiefen menschlicher Grausamkeit vordringt und so manche Überraschung parat hält, auch wenn das Grundgerüst des Geschehens wie ein Konglomerat einschlägig bekannter Versatzstücke wirken mag.

7,5 von 10 lange verdrängten Erinnerungen

Bonfire – Sie gehörte nie dazu

  • Lange verdrängte Erinnerungen - 7.5/10
    7.5/10

Fazit & Wertung:

Krysten Ritter liefert mit Bonfire – Sie gehörte nie dazu ein durchaus gelungenes Debüt ab, das vielleicht an mancher Stelle noch ein wenig kantig wirkt, dadurch aber auch die abgründige Atmosphäre des Plots unterstreicht, der wirklich in die tiefsten Tiefen menschlicher Grausamkeit vordringt und so manche Überraschung parat hält, auch wenn das Grundgerüst des Geschehens wie ein Konglomerat einschlägig bekannter Versatzstücke wirken mag.

7.5/10
Leser-Wertung 10/10 (1 Stimmen)
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Weitere Details zum Buch und der Autorin findet ihr auf der Seite von Diana. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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Bonfire – Sie gehörte nie dazu ist am 13.08.18 bei Diana als Klappenbroschur erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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