Review: Mord im Orient-Express (Film)

Weiter geht es mit dem Nachholen von Filmen, die ich schon lange gesehen haben wollte und diesmal hat es eben Branaghs Neuinterpretation des Agatha-Christie-Klassikers getroffen, die mir der schneebedeckten Weiten wegen ganz gut zum Winter passen wollte. Ansonsten erst einmal einen guten Start ins Wochenende!

Mord im Orient-Express

Murder on the Orient Express, USA/MT 2017, 114 Min.

Mord im Orient-Express | © Twentieth Century Fox
© Twentieth Century Fox

Regisseur:
Kenneth Branagh
Autoren:
Michael Green (Drehbuch)
Agatha Christie (Buch-Vorlage)

Main-Cast:
Tom Bateman (Bouc)
Kenneth Branagh (Hercule Poirot)
Penélope Cruz (Pilar Estravados)
Willem Dafoe (Gerhard Hardman)
Judi Dench (Princess Dragomiroff)
Johnny Depp (Edward Ratchett)
Josh Gad (Hector MacQueen)
Derek Jacobi (Edward Henry Masterman)
Leslie Odom Jr. (Dr. Arbuthnot)
Michelle Pfeiffer (Caroline Hubbard)
Daisy Ridley (Miss Mary Debenham)
in weiteren Rollen:
Marwan Kenzari (Pierre Michel)
Olivia Colman (Hildegarde Schmidt)
Lucy Boynton (Countess Elena Andrenyi)
Manuel Garcia-Rulfo (Biniamino Marquez)
Sergei Polunin (Count Rudolph Andrenyi)

Genre:
Krimi | Drama | Mystery

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Mord im Orient-Express | © Twentieth Century Fox
© Twentieth Century Fox

Kaum hat der weltberühmte Meisterdetektiv Hercule Poirot 1934 in Jerusalem einen Streit zwischen den Glaubensrichtungen beigelegt, indem er den Raub einer wertvollen Reliquie aufzuklären wusste, erreicht ihn eine Nachricht, die ihn zu einem neuen Fall in London ruft und kurzerhand wendet er sich an seinen Freund Bouc, der ihm ein Abteil im vollbesetzten Orient-Express verschafft. Theoretisch würde dies für den Detektiv eine mehrtägige Auszeit bedeuten und endlich einmal findet er die Zeit für gutes Essen und noch bessere Lektüre, doch die illustre Gesellschaft, die ihm an Bord des Zuges begegnet, hat einige Geheimnisse zu verbergen, derweil der windige Geschäftsmann Ratchett an ihn herantritt, um ihn als Personenschützer zu engagieren. Poirot lehnt ab und staunt nicht schlecht, als ebenjener Ratchett am nächsten Morgen ermordet in seinem Abteil aufgefunden wird, nachdem der Zug durch eine Schneelawine aus der Spur geraten ist. Während man noch in den verschneiten Weiten auf Rettung wartet, nimmt der Detektiv seine Ermittlungen auf und dabei jeden einzelnen Passagier ins Kreuzverhör…

Rezension:

Lange war ich neugierig auf die Neuverfilmung des Mord im Orient-Express, zumal ich den unbestreitbaren Heimvorteil auf meiner Seite hatte, mit dem Fall im Besonderen und Hercule Poirot im allgemeinen gänzlich unvertraut zu sein, so dass ich, selbst was die Auflösung des Falles angeht, gänzlich unvorbelastet an diese Geschichte gehen konnte. Vor vielem anderen sprach natürlich für mein Interesse die durchweg formidable wie hochkarätige Besetzung, die sich zu großen Teilen aus Kenneth Branaghs Freundes- und Bekanntenkreis rekrutiert, derweil der Mime selbst sowohl als Regisseur wie auch Hauptfigur Hercule Poirot dem Geschehen seinen Stempel aufzudrücken gedachte. Die Kritiken fielen derweil nicht annähernd so überschwänglich aus, wie ich mir das erhofft hatte, doch wollte ich mir freilich ein eigenes Bild machen, auch wenn es vielleicht deshalb mal wieder etwas länger gedauert hat als angenommen. Grundsätzlich wusste mich Branaghs Interpretation des Stoffes dann auch zu überzeugen, wobei ich im Nachgang schon das Gefühl hatte, hier liefe einiges nicht ganz rund, ohne dass ich direkt den Finger darauf hätte legen können. Mittlerweile weiß ich zwar, was genau mich gestört haben dürfte, doch widmen wir uns zunächst einmal den positiven Aspekten des Films.

Szenenbild aus Mord im Orient-Express | © Twentieth Century Fox
© Twentieth Century Fox

Die nehmen mit erwähnter, formidabler Besetzung ihren Anfang und auch wenn die Riege an Darstellerinnen und Darstellern in Anbetracht des üppigen Figuren-Konsortiums samt und sonders nicht die Leinwandzeit bekommt, die ihnen zugestanden hätte, wertet ihre reine Anwesenheit das Geschehen schon deutlich auf, wobei ausgerechnet die vergleichsweise noch als Newcomerin zu betrachtende Daisy Ridley (Star Wars) hier unter anderem hervorsticht. Doch auch Johnny Depp (Mortdecai) als finsterer Ratchett macht nach längerer Zeit mal wieder eine richtig gute Figur, wobei es ihm sicherlich zupass kommt, dass Kenneth Branagh (My Week with Marilyn) den Film als solchen wie auch seinen Hercule Poirot durchaus ein wenig exzentrischer anlegt, als man das zunächst erwarten würde, so dass das zuweilen doch eher exaltierte Spiel hier formidabel passt. Darüber hinaus wissen sich aber freilich auch Leinwandgrößen wie Judi Dench (Jane Eyre), Michelle Pfeiffer (Malavita) und Willem Dafoe (Grand Budapest Hotel) mühelos zu etablieren, wohingegen ich mir von Penélope Cruz (The Counselor) tatsächlich mehr erwartet hätte. Dessen ungeachtet ist die namhafte Besetzung aber auch dahingehend ein Segen, dass viele der Charaktere in Anbetracht der hier beinahe knapp bemessen wirkenden zwei Stunden Laufzeit kaum charakterisiert werden (können), was durch deren Charisma und Präsenz zumindest ein stück weit aufgefangen werden kann.

Über Branaghs Interpretation von Hercule Poirot derweil mögen sich andere streiten, denn da ich keinerlei Vergleichswerte oder Referenzmaterial kenne, kann ich nur auf dessen Wirkung bei Mord im Orient-Express schauen und muss sagen, dass mir Figur und Gestus ausnehmend gut gefallen haben in ihrer Mischung aus analytischem Denken, offensiver Pedanterie und einem zuweilen aufbrausenden Wesen, während sich der Detektiv ansonsten ruhig und distinguiert zu verhalten weiß, ohne steif oder unnahbar zu wirken. Der Fall als solches derweil mag für viele altbekannt und wenig überraschend sein, was natürlich für einen als Kriminalfall aufgezogenen Film nicht eben von Vorteil ist und sicherlich einigen das Vergnügen bei der Sichtung ein wenig geschmälert hat. Dem allerdings hält Branagh eine Inszenierung entgegen, die an die goldene Hollywood-Ära denken lässt und ungeahnt der zum Einsatz kommenden computer-Effekte wirkt das Geschehen durchweg opulent und schafft ein ganz eigenes Flair an Bord des namensgebenden Orient-Express, das durch die stimmigen Kostüme, die exzentrischen Figuren und nicht zuletzt allerhand großartige Kamerafahrten noch unterstrichen wird, so dass Branagh allein aus inszenatorischer Sicht einiges aus dem ungewöhnlichen Setting zu machen versteht, wenn die Kamera inmitten der Schneewehen in Schieflage gerät, die Entdeckung des Mordopfers von oben gefilmt wird und Kamerafahrten entlang der Außenfassade des Zuges einen Eindruck vermitteln, wer sich wo befindet.

Szenenbild aus Mord im Orient-Express | © Twentieth Century Fox
© Twentieth Century Fox

Umso unverständlicher – und jetzt widme ich mich erstmalig den Schattenseiten von Mord im Orient-Express – , dass sich fernab der grundsätzlich tollen Optik niemand Gedanken über die Details gemacht zu haben scheint. So wird zu Beginn wild darüber diskutiert, dass der gesamte Zug ausgebucht sei – inklusive zweiter Klasse – und am ende besteht der Orient-Express aus insgesamt vier Waggons, in denen dem Gefühl nach kaum das unter Verdacht stehende Dutzend Platz finden würde, derweil es de facto niemanden sonst gibt, der mitreist. Weiterhin geht natürlich der Charme der schneebedeckten Weiten gänzlich verloren, wenn niemand sich an der angeblichen Kälte zu stören scheint, keine Atemwölkchen zu sehen sind und das Eis auf den Fenstern – weil computergeneriert – überall exakt gleich aussieht. Diese Liste ließe sich noch beliebig ergänzen und stellt dann auch einen der Gründe dar, weshalb mich Mord im Orient-Express nicht vollends überzeugen konnte, denn in der Summe der Ungereimtheiten und Auslassungen trübt das alles natürlich die Illusion und damit Immersion, sich gemeinsam mit dem Meisterdetektiv an Bord dieses luxuriösen Fortbewegungsmittels früherer Tage zu befinden. Die konkreten Anachronismen lasse ich hierbei gar außeracht, da sie mir nicht annähernd so störend aufgefallen sind (weil ich nun einmal kein Historiker bin), doch verwundert es schon, dass man bei einem dergestalt auf extravagant und großspurig getrimmten Projekt an so vielen Stellen ein Auge zudrücken muss. Ungeachtet dieser vielen kleinen Ärgernisse hatte ich allerdings durchaus meinen Spaß an der Chose, doch hätte diese eben noch deutlich wertiger und konsistenter präsentiert werden können, als es letztlich der Fall gewesen ist.

Fazit & Wertung:

Kenneth Branagh inszeniert seine Version des Mord im Orient-Express als selbstbewusst opulent auftretendes Kostümstück vor schwelgerischer Kulisse mit einem spleenigen Detektiv und allerhand undurchsichtigen bis exzentrischen Zuggästen. Das weiß in der Summe durchaus zu gefallen, leistet sich allerdings auch einige inszenatorische Unpässlichkeiten, die dem Gesamteindruck merklich abträglich sind, ganz davon abgesehen, dass Branaghs Poirot-Interpretation mit ihrem "Mega-Moustache" einigen Fans des Ermittlers übel aufstoßen könnte.

7 von 10 Verdächtigen im Speise-Waggon

Mord im Orient-Express

  • Verdächtige im Speise-Waggon - 7/10
    7/10

Fazit & Wertung:

Kenneth Branagh inszeniert seine Version des Mord im Orient-Express als selbstbewusst opulent auftretendes Kostümstück vor schwelgerischer Kulisse mit einem spleenigen Detektiv und allerhand undurchsichtigen bis exzentrischen Zuggästen. Das weiß in der Summe durchaus zu gefallen, leistet sich allerdings auch einige inszenatorische Unpässlichkeiten, die dem Gesamteindruck merklich abträglich sind, ganz davon abgesehen, dass Branaghs Poirot-Interpretation mit ihrem "Mega-Moustache" einigen Fans des Ermittlers übel aufstoßen könnte.

7.0/10
Leser-Wertung 7.75/10 (4 Stimmen)
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Mord im Orient-Express ist am 22.03.18 auf DVD, Blu-ray und 4K UHD Blu-ray bei Twentieth Century Fox erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

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vgw

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