Review: Raum (Film)

Starten wir, nachdem ich gestern die Veröffentlichung meines 3000. Artikels feiern durfte, direkt mit einem großartigen Film in die neue Woche, der nun Thema der heutigen Besprechung sein soll und den ich dann somit auch endlich nachgeholt hätte.

Raum

Room, IE/CA/UK/USA 2015, 118 Min.

Raum | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Regisseur:
Lenny Abrahamson
Autorin:
Emma Donoghue (Drehbuch & Buch-Vorlage)

Main-Cast:

Brie Larson (Ma)
Jacob Tremblay (Jack)
Joan Allen (Nancy)
Sean Bridgers (Old Nick)
William H. Macy (Robert)

Genre:
Drama | Thriller

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Raum | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Vor nunmehr sieben Jahren wurde der damals noch siebzehnjährigen Joy ihre Gutmütigkeit zum Verhängnis und von einem Mann entführt und in einen gerade mal 9m² großen Raum gesperrt, wo sie seither lebt. Zwei Jahre nach ihrer Gefangennahme kam ihr Sohn Jack zur Welt und hat folglich sein ganzes Leben in "Raum" verbracht, der für ihn gleichbedeutend ist mit der Welt, denn dass mehr existieren könnte als dieser Mikrokosmos – in dem es seine Ma ihm so angenehm und gemütlich macht wie irgend möglich – übersteigt schlichtweg seine Vorstellungskraft. So sehr Joy sich aber auch bemüht, ihrem Sohn unter dieser grotesken Umständen eine auch nur näherungsweise behütete Kindheit zu bieten, zehrt die Jahre währende Gefangenschaft doch zunehmend an ihrer Psyche. Und nun – Jack ist schließlich bereits fünf Jahre alt – reift in ihr der Gedanke, ihm die Wahrheit über "Raum" und die Welt zu erzählen und so möglicherweise einen aberwitzigen Fluchtversuch zu realisieren…

Rezension:

Endlich bin ich dazu gekommen, den seinerzeit mit Preisen und Auszeichnungen überschütteten Raum nachzuholen und nach dessen Sichtung kann ich mich den Lobeshymnen nur vorbehaltlos anschließen, denn Lenny Abrahamson ist nach seiner Indie-Story Frank hier nun wirklich der große Wurf geglückt, gleichwohl der Film nichts für Zartbesaitete sein dürfte. Zwar wird – zumindest in der ersten Hälfte – das Geschehen beinahe ausschließlich aus der Sicht des gerade einmal fünfjährigen Jack geschildert, was auch den Zuschauer die Ereignisse durch den Filter kindlicher Naivität betrachten lässt, doch bringt das eben auch einen enormen Wissensvorsprung mit sich, der die regelmäßigen Besuche des zunächst gesichtslos bleibenden Peinigers "Old Nick" in einem ungleich erschreckenderen und vor allem reichlich beklemmenden Licht erscheinen lässt. Dieser Kloß im Hals liefert sich dabei ein stetiges Kräftemessen mit der Faszination, die sich aus der Weltsicht des kleinen Jack ergibt, der dank seiner Mutter – aber auch sonst völlig nachvollziehbar – der Meinung ist, die Welt bestünde lediglich aus "Raum" und den wenigen Habseligkeiten innerhalb dieses winzigen Refugiums. Dank ausgefeilter Kameraarbeit wirkt der Raum übrigens weit größer, als er sich später in der Rückschau präsentieren wird, wodurch sich der Blickwinkel des Jungen gekonnt auf den Zuschauer überträgt.

Szenenbild aus Raum | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Dabei besteht das Geschehen im Film im Grunde aus zwei großen Akten, denn anders als bei den sonst üblichen Entführungsgeschichten geht es eben weder um die handelnden Ermittler, noch endet das Geschehen mit der Befreiung oder in diesem Fall Flucht, so dass hier lediglich der erste von zwei großen Akten sein Ende findet. Und die schiere Unendlichkeit der wahren Welt ist dann für Jack auch weitaus erschreckender, als die beruhigende und vertraute Umgebung von "Raum", ganz davon abgesehen, dass es für ihn gänzlich neu ist, dass noch andere Menschen außer seiner Ma existieren. Besonders lobend erwähnen muss man hier natürlich Jacob Tremblay (Shut In), der mit entwaffnender Authentizität den wortwörtlich weltfremden Jack gibt, der nicht nur in seiner wankelmütigen, mal verschüchterten, mal aufbrausenden Art begeistert, sondern zudem via Off-Kommentar durch den Film führt und dabei aufzeigt, wie seine Ma ihm die Welt erklärt hat. Diese betörende wie märchenhafte Sicht der Dinge ist aber auch dringend vonnöten, um dem realen Schrecken zu begegnen, der sich einem zwar natürlich erschließt, aber so zumindest abgemildert wird.

Ihm gegenüber steht die gewohnt großartig aufspielende Brie Larson (Unicorn Store), die in meinen Augen völlig verdient den Oscar für diese Rolle eingeheimst hat, gleichwohl sie sich insbesondere in der ersten Hälfte auffallend zurücknimmt. Das soll nicht bedeuten, dass es nicht schon in "Raum" einige denkwürdige Szenen mit ihr geben würde, zumal ihr jederzeit der Widerstreit der Gefühle am Gesicht abzulesen ist, wenn sie einerseits Hoffnung und Stärke zu demonstrieren versucht und zugunsten ihres Kindes eine heile Welt vorgaukelt, im nächsten Moment an ihrer Verzweiflung jedoch wieder schier zu zerreißen droht. Daran ändert sich auch nicht viel in der zweiten Hälfte, die zwar nicht ganz an die Intensität in dem Mikrokosmos "Raum" heranreicht, aber ebenso gekonnt die Nachwirkungen eines solchen Jahre währenden Martyriums aufzeigt, unter denen natürlich Joy weit mehr zu leiden hat als Jack, ist der schließlich behütet und beschützt aufgewachsen und weiß nicht annähernd die Tragweite des Erlebten zu erfassen. Dafür allerdings eröffnet sich hier dahingehend eine neue Ebene der Erzählung, dass freilich das Verschwinden der Tochter Joy an ihren Eltern nicht spurlos vorübergegangen ist.

Szenenbild aus Raum | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Joan Allen punktet hierbei als aufopferungs- wie verständnisvolle Mutter, derweil William H. Macy (Shameless) als Vater zwar einen vergleichsweise kleinen Part bekleidet, dafür aber mit wenigen bedauernden Blicken zu transportieren versteht, wie sehr es ihn schmerzt, seine eigene Tochter mit ihrem Sohn zu sehen, der immerhin das Ergebnis der andauernden Vergewaltigung ihres Peinigers ist, auch wenn sich das kaum jemand offen auszusprechen wagt. In einem Fernseh-Interview schließlich wird aber auch dieses Thema zur Sprache gebracht und einmal mehr punktet Joy auch hier mit einer emotionalen Rationalität, die ihresgleichen sucht und gekonnt skizziert, mit welchem Willen und welcher Einstellung es ihr überhaupt möglich gewesen ist, schier endlos scheinende sieben Jahre in diesem perfiden Gefängnis zu überleben. So nimmt Raum in vielerlei Hinsicht ungewohnte Perspektiven ein, erzählt eine im Grunde altbekannte, aber sonst gerne ausgeklammerte Geschichte und schafft es mit unverbrauchter Perspektive und intensiven Schauspielleistungen, einen zwar merklich an die Nieren gehenden und zunehmend beklemmenden Alptraum zu schildern, der dennoch nicht in Hoffnungslosigkeit versinkt, sondern sich stattdessen eine kindlich-naive Magie bewahrt, die regelrecht poetisch daherkommt.

Fazit & Wertung:

Lenny Abrahamson hat mit Raum ein intensives wie bedrückendes Drama geschaffen, das vom Zauber der kindlichen Unschuld davor bewahrt wird, von der schieren Grausamkeit der Situation überrollt zu werden. Sowohl Jungstar Jacob Tremblay als auch Brie Larson tragen die zwischen Thrill und Tragik pendelnde Story dabei die meiste Zeit im Alleingang und liefern durchweg denkwürdige wie berührende Performances.

9 von 10 magischen Orten in "Raum"

Raum

  • Magische Orte in "Raum" - 9/10
    9/10

Fazit & Wertung:

Lenny Abrahamson hat mit Raum ein intensives wie bedrückendes Drama geschaffen, das vom Zauber der kindlichen Unschuld davor bewahrt wird, von der schieren Grausamkeit der Situation überrollt zu werden. Sowohl Jungstar Jacob Tremblay als auch Brie Larson tragen die zwischen Thrill und Tragik pendelnde Story dabei die meiste Zeit im Alleingang und liefern durchweg denkwürdige wie berührende Performances.

9.0/10
Leser-Wertung 8/10 (6 Stimmen)
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Raum ist am 28.07.16 auf DVD und Blu-ray bei Universal Pictures erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

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vgw

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