Review: The Book of Henry (Film)

Langsam fühlt es sich schon durchaus ein wenig an wie Jahresendspurt (ist es ja auch) und ich werde mir fein überlegen müssen, welche Rezensionen ich in diesem Jahr noch raushaue. Eine ist auf jeden Fall nachfolgende, denn gemessen daran, dass der Film bereits 2017 (hierzulande Anfang 2018) erschienen ist, bin ich schließlich schon wieder verdammt spät dran.

The Book of Henry

The Book of Henry, USA 2017, 105 Min.

The Book of Henry | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Regisseur:
Colin Trevorrow
Autor:
Gregg Hurwitz

Main-Cast:

Naomi Watts (Susan Carpenter)
Jaeden Lieberher (Henry Carpenter)
Jacob Tremblay (Peter Carpenter)
Sarah Silverman (Sheila)
Lee Pace (Dr. David Daniels)
Maddie Ziegler (Christina)
Tonya Pinkins (Principal Wilder)
Dean Norris (Glenn Sickleman)

Genre:
Drama | Krimi | Thriller

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus The Book of Henry | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Henry Carpenter ist gerade einmal elf Jahre alt, doch dank seiner Hochbegabung tatsächlich auch außerordentlich beliebt in seiner Klasse, während er treu zu seinem jüngeren Bruder Peter steht und ihn bereitwillig unter seine Fittiche nimmt, vor allem aber seiner alleinerziehenden Mutter in Sachen Haushalt und Finanzen hilft. Doch Henry ist auch sonst ein aufgeweckter und empathischer Junge und so entgeht ihm nicht, dass seine nebenan wohnende Mitschülerin Christina – in die er durchaus ein wenig verschossen ist – womöglich von ihrem Vater Glenn misshandelt wird, der allerdings als hiesiger Polizeichef regelrechte Narrenfreiheit zu genießen scheint. So fruchten Henrys Aufforderungen an die Schuldirektorin, doch endlich etwas zu unternehmen, ebenso wenig wie Anrufe bei einer anonymen Hotline für ebensolche Fälle. Kurzerhand entwirft Henry einen weit unkonventionelleren Plan, um Glenn Sickleman von seinem Tun abzubringen, doch noch vor dessen Ausführung macht das Leben Henry einen unerwarteten Strich durch die Rechnung…

Rezension:

Colin Trevorrow dürfte noch am ehesten für seine Regie-Arbeit bei Jurassic World bekannt sein, für dessen ersten und zweiten (bald auch dritten) Teil er zudem das Drehbuch beigesteuert hat, und so ist es mehr als erstaunlich, dass ausgerechnet von ihm ein Film wie The Book of Henry kommt, der in eine völlig andere Richtung Film geht und sich noch dazu versucht, gleich mehrere, nicht unbedingt immer naheliegende Genres innerhalb seiner nicht ganz zweistündigen Laufzeit miteinander zu verknüpfen. Das gelingt ihm leider auch nicht immer vollends überzeugend, doch allein die Ambition gehört meines Erachtens geehrt, auch wenn die in diesem Fall von Gregg Hurwitz stammende Story sich ausgerechnet zum Ende hin in zu viel Zuckerguss verliert, um noch wirklich zu einem befriedigenden Abschluss zu finden. Dennoch überwiegen die positiven Aspekte des Gesamtpakets, insbesondere, wenn man – wie ich – völlig unbedarft – an die Sache herangeht und sich dementsprechend von dem Paradigmenwechsel hinsichtlich Tempo, Thema und Ton regelrecht überrollt wird, was im Übrigen gleich mehrfach passiert, wenn auch niemals mehr so effektiv wie beim ersten Mal.

Szenenbild aus The Book of Henry | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Sowohl diese inszenatorischen Brüche als auch die innere Logik des Gezeigten hält oftmals einer näheren Betrachtung kaum noch stand, doch kann bereitwillig darüber hinwegsehen, wer sich willentlich und wissentlich auf eine höchst ungewöhnliche und vor allem emotionale Geschichte einzulassen entschließt, deren vorderstes Alleinstellungsmerkmal es sein dürfte, sich dramaturgisch etablierten Konstrukten beinahe gänzlich zu widersetzen, was, hätte man Kitsch und zuckrige Glasur ein wenig zurückgefahren, schnell auch einen modernen Klassiker hätte ergeben können. Dafür allerdings sind die handelnden Figuren doch zu generisch, zu stereotyp, so dass insbesondere Henry und dessen Bruder Peter regelrechte Vorzeigekinder darstellen, während die von der gewohnt souverän und überzeugend aufspielenden Naomi Watts (Schloss aus Glas) verkörperte Susan natürlich trotz aller Schwächen und Fehlbarkeiten das Paradebeispiel einer fürsorglichen und aufopfernden Mutter darstellt. Ja selbst Lee Pace (Captain Marvel) in einer kleinen, aber feinen Nebenrolle kommt nicht darüber hinaus, als Dr. David Daniels der wohl verständnisvollste, vorbildlichste, einfühlsamste Arzt zu sein, den man sich überhaupt nur vorstellen kann, derweil im Gegenzug Dean Norris (Death Wish) den durch und durch kleinkarierten, düster dräuenden und über Regeln, Gesetze und Anstand erhaben zu scheinenden Glenn Sickleman geben darf.

In dieser Hinsicht schwächelt The Book of Henry also leider ganz gehörig und ein wenig mehr Fingerspitzengefühl beim Entwurf der Figuren wäre sicherlich hilfreich und sinnvoll gewesen, doch dafür wissen die vielen kleinen Episoden zu Beginn der Geschichte ungemein zu überzeugen, die aufzeigen und skizzieren, in welchen Lebensbereichen und Situationen sich der auch emotional hochintelligente Henry hervorzutun versteht. Der Darstellung seiner Figur durch Jaeden Lieberher (Midnight Special) ist daher nichts vorzuwerfen und auch wenn der gerade einmal Elfjährige schon wirklich überzogen begabt und intelligent wirkt, funktioniert Henry im oft märchenhaft angehauchten Kontext des Ganzen wunderbar, während auch Jacob Tremblay (Raum) als dessen jüngerer Bruder Peter erwartungsgemäß überzeugt. Auch das Baumhaus der beiden und die von Henry entworfenen Apparaturen strotzen vor Charme und Kreativität und hätten gern noch prominenter in Szene gesetzt werden können, während auch Henrys namensgebenden Notiz- beziehungsweise Tagebuch zunehmend immanenter Bestandteil der Geschichte wird, was in Kombination mit Tonbandaufnahmen insbesondere für die zweite Hälfte des Films gilt, die wie erwähnt in gänzlich unerwartete Richtungen driftet.

Szenenbild aus The Book of Henry | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Leider verliert sich dort der durchaus spannende und einfallsreiche Ansatz zunehmend in einer allgemeinen Unglaubwürdigkeit, die das weitere Geschehen konstruierter wirken lassen, als es im gut täte, wogegen dann auch der ambitioniert aufspielende Cast nicht mehr allzu viel auszurichten weiß. Nun kann man aber zumindest wohlwollend attestieren, dass es sich The Book of Henry eben auch zuvorderst um ein tragikomisches, modernes Märchen handelt, um den Eindruck der überkonstruiert wirkenden Geschichte und Auflösung abzumildern und allein in Anbetracht der erzählerischen Wandelbarkeit, der damit einhergehenden Achterbahnfahrt der Gefühle und nicht zuletzt der im Kern enorm zu Herzen gehenden Geschichte kann ich ohnehin nur jedem dazu raten, sich bestmöglich ein eigenes Bild zu machen, auch wenn man objektiv über einige Mängel hinwegsehen muss. Wer zudem nichts wagt, hat auch nichts zu verlieren und es ist mir allemal lieber, dass Trevorrow und Hurwitz hier den steinigen, unangepassten Weg zu beschreiten versuchen, als ein weiteres Drama nach Schema F abzuliefern, auch wenn dies sicherlich einfacher – und stellenweise überzeugender – zu realisieren gewesen wäre.

Fazit & Wertung:

Der von Colin Trevorrow inszenierte The Book of Henry ist in seiner Aneinanderreihung unterschiedlichster Genres als gleichermaßen sperrig wie ambitioniert zu bezeichnen und ist auch nicht immer davor gefeit, über die Maßen konstruiert zu wirken. Doch fernab dieser inszenatorischen Unzulänglichkeiten überzeugt die Geschichte des hochbegabten wie empathischen Henry zuvorderst in emotionaler Hinsicht, auch wenn Drehbuchautor Gregg Hurwitz bei der Auflösung mit der Zuckerglasur gerne etwas sparsamer hätte umgehen können.

7 von 10 akribisch ausgearbeiteten Plänen

The Book of Henry

  • Akribisch ausgearbeitete Pläne - 7/10
    7/10

Fazit & Wertung:

Der von Colin Trevorrow inszenierte The Book of Henry ist in seiner Aneinanderreihung unterschiedlichster Genres als gleichermaßen sperrig wie ambitioniert zu bezeichnen und ist auch nicht immer davor gefeit, über die Maßen konstruiert zu wirken. Doch fernab dieser inszenatorischen Unzulänglichkeiten überzeugt die Geschichte des hochbegabten wie empathischen Henry zuvorderst in emotionaler Hinsicht, auch wenn Drehbuchautor Gregg Hurwitz bei der Auflösung mit der Zuckerglasur gerne etwas sparsamer hätte umgehen können.

7.0/10
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The Book of Henry ist am 25.01.18 auf DVD und Blu-ray bei Universal Pictures erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

DVD:

Blu-ray:

vgw

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