Review: Verrat – Das Imperium der Ströme 2 | John Scalzi (Buch)

Für den heutigen Tag habe ich mir mal den zweiten Teil einer Buch-Reihe vorgenommen, auf die ich meinem persönlichen Gefühl nach viel zu lange warten musste. Aber jetzt, jetzt habe ich den Band dann auch endlich gelesen!

Verrat
Das Imperium der Ströme 2

The Consuming Fire, USA 2018, 384 Seiten

Verrat - Das Imperium der Ströme 2 von John Scalzi | © FISCHER Tor
© FISCHER Tor

Autor:
John Scalzi
Übersetzer:
Bernhard Kempen

Verlag (D):
FISCHER Tor
ISBN:
978-3-596-29980-5

Genre:
Science-Fiction | Drama | Abenteuer

 

Inhalt:

Alles befindet sich im Umbruch, seit Lord Marce Claremont von Ende in Nabenfall eingetroffen ist und einen baldigen Kollaps der Ströme konstatiert hat, welche die einzelnen Planeten und Habitate der Interdependenz miteinander verbinden. Doch längst nicht alle glauben dem unbekannten Gelehrten, auch wenn er bei der noch jungen und vergleichsweise unerfahrenen Imperatox Grayland II. Gehör gefunden hat, auf die es jüngst eine Reihe von Attentatsversuchen gegeben hat. Doch die findige Grayland besinnt sich darauf, nicht nur weltliche Herrscherin der Interdependenz zu sein, sondern nominell auch Oberhaupt der Kirche, weshalb sie das Recht für sich in Anspruch nimmt, Visionen von der Zukunft gehabt zu haben, ganz so wie die erste Prophetin-Imperatox Rachela. Die großen Häuser, allen voran Nohamapetan, aus deren Reihen auch die Attentäterin Nadashe stammte. Aufgrund deren jüngster Vergehen wurde derweil Lady Kiva von der Imperatox als Verwalterin des Hauses eingesetzt, doch hilft das wenig, sie von immer neuen Intrigen und Bündnissen abzuhalten. Unterdessen werden an Marce höchst interessante Informationen bezüglich des drohenden Kollaps herangetragen, die alles verändern könnten, was er zu wissen geglaubt hat…

Rezension:

Gefühlte Ewigkeiten musste man hierzulande auf Verrat – Das Imperium der Ströme 2 warten, das seinerseits die direkte Fortsetzung des bereits 2017 erschienenen Kollaps darstellt und die Geschichte der durch so genannte Ströme verbundenen Interdependenz fortspinnt, gleichwohl besagte Ströme nun mehr denn je im Kollabieren begriffen sind und beispielsweise der Weg nach Ende – dem am äußersten Rand der Interdependenz gelegenen Habitat der Menschen – mittlerweile nicht mehr gangbar ist. Bevor sich Scalzi dem aber widmet, eröffnet er mit einem ungewöhnlichen Prolog, der sich der interdependanten Kirche widmet und im Anschluss hieran skizziert, auf welche Art und Weise die erste Imperatox die Bevölkerung hat glauben lassen, sie würde Visionen haben, denn selbige werden hier als schlichtes Marketing-Instrument enttarnt, um zur Schaffung des seit nun vielen Jahrhunderten bestehenden Imperiums beizutragen, an dessen Spitze sich seit jeher ein Vertreter des Hauses Wu befindet, so wie nun aktuell Grayland II., mit bürgerlichem Namen Cardenia Wu-Patrick genannt.

»Ich möchte Ihnen einen Gegenbeweis geben«, sagte Assan. »Während des vergangenen Monats hat unsere geliebte Imperatox verkündet, dass sie an einen Kollaps der Ströme glaubt, was das Ende unserer Methode des Reisens zwischen den Sternen bedeuten würde, und zauberte irgendeinen provinziellen Wissenschaftler herbei, von dem nie jemand etwas gehört hatte, um ihre Behauptung zu untermauern. Diese Behauptung löst wirtschaftliche und soziale Unruhen aus, obwohl andere Wissenschaftler diese Aussagen anfechten. Und in Reaktion darauf beruft sich die Imperatox nun auf mystische Botschaften.«

So weit, so gut, bildet dies aber nur die Ausgangslage für eine Fortsetzung, die es wirklich in sich hat, denn auch wenn ich kurzzeitig die Befürchtung hatte, mich an vieles nicht mehr richtig erinnern zu können, wurden diese Befürchtungen schnell zerstreut, denn Scalzi gelingt es tatsächlich ohne große Rückblenden oder redundante Zusammenfassungen wieder an den Punkt zu führen, an dem man den handelnden Charakteren zuletzt begegnet ist, auch wenn sich seitdem teils einiges getan haben mag. War ich schon vom ersten Band ja durchaus angetan – zumal der meine Neugierde auf die weiteren Arbeiten des Autors geschürt hat – wusste mich die Interdependenz hier aber noch weit mehr zu faszinieren, was gar damit zusammenhängen mag, dass Scalzi sich zunächst einmal gar nicht so sehr den dramaturgischen Verwicklungen, sondern mehr den Hintergründen der von ihm ersonnenen Welt widmet. Das mag für manchen Leser nicht ganz so packend sein und man könnte attestieren, Verrat käme vergleichsweise langsam in Gang, doch warten im Verlauf der rund 380 Seiten noch genügend Überraschungen, Auseinandersetzungen und Intrigen, wobei hier natürlich der finale Schlussakt noch einmal hervorsticht, der die Weichen für den unweigerlichen dritten Band The Last Emperox stellt, auf den man diesmal hoffentlich nicht so lange warten muss.

Müsste ich kritisieren, würde ich sogar so weit gehen, zu bemängeln, dass Verrat eigentlich zu kurz geraten ist, denn eine Space Opera dieser Art und Güte hätte sicherlich noch mehr Raum zur Entfaltung vertragen können, weshalb dem Band ein wenig das Schicksal des ungeliebten zweiten Teils anhaftet. So mag alles spannend, faszinierend, kurzweilig und lesenswert sein, doch bietet die Story eben keine echte Auflösung und bringt kaum etwas zu einem finalen Abschluss, sondern lässt lediglich mit Fragezeichen und Neugierde zurück, zumal besagter Schlussakt ein wenig wie aus dem Hut gezaubert wirkt. Hier bedient sich John Scalzi des enormen Wissensvorsprungs, den er als Autor gegenüber uns Lesern hat und lässt einige Machenschaften im Hintergrund ablaufen, ohne sie selbst zu thematisieren, was dann zwar den Überraschungseffekt vergrößert, aber sicher nicht jedem gefallen wird.

»Ich glaube, ich habe möglicherweise einen Fehler gemacht«, sagte Cardenia Wu-Patrick zum Geist ihres Vaters.
Attavio VI., genauer gesagt sein Geist, oder noch genauer gesagt die Computersimulation von Attavio VI., die nach lebenslang aufgezeichneten Erinnerungen, Emotionen und Handlungen gestaltet war, nickte. »Möglicherweise«, bestätigte er.
»Danke«, sagte Cardenia, die in ihrer Majestätsrolle Grayland II. genannt wurde. »Dein Vertrauensvotum ist äußerst beruhigend.«

Davon aber einmal abgesehen ist Verrat ein mehr als würdiger – und von mir wie gesagt sehnlich erwarteter – Nachfolger und punktet einmal mehr im Subtext mit viel augenzwinkerndem, teils beißend sarkastischen Humor. Der rührt zumeist von den vielschichtigen wie eigenwilligen Figuren her, von denen die ewig fluchende, zuweilen jähzornige Lady Kiva unbedingt gesonderte Erwähnung verdient, denn auch wenn sie nicht in den obersten Herrscherhäusern mitmischen darf, tut sie sich doch auch in diesem zweiten Teil wieder merklich hervor. Ansonsten gewinnen aber auch die Imperatox Grayland II. sowie Lord Marce gehörig an Profil und man darf darauf gespannt sein, zu erfahren, wo die Ursprünge der Interdependenz liegen und was sich fernab der bekannten Welten verbirgt. Wie nämlich bereits in der Inhaltsangabe kurz angedeutet, hat Marce noch längst nicht alle Zusammenhänge zum Kollaps der Ströme durchschaut und so kommt es, dass sich ihm die seltene Gelegenheit bietet, zu einer lange vergessenen Welt vorzustoßen und das sollte man sich meines Erachtens nicht entgehen lassen. Trotz Auslassungen und offenem Ende also ein Buch, dem man sich als Science-Fiction-Fan unbedingt widmen sollte, freilich nach der Lektüre des ersten Bandes, um dann gemeinsam mit mir erneut händeringend der Fortsetzung zu harren, die zumindest im englischen Original für 2020 angekündigt worden ist.

Fazit & Wertung:

John Scalzi führt in Verrat – Das Imperium der Ströme 2 seine in Kollaps begonnene Geschichte mehr als stimmig fort und nimmt sich fernab der im Zentrum des Geschehens stehenden Figuren Zeit, auch die Interdependenz und deren Ursprünge weiter zu beleuchten. Das, ebenso wie die zahllosen Intrigen und geheimen Bündnisse, ist allerdings mehr als nur bloßes Gimmick, sondern immanenter Teil einer zunehmend epischer werdenden Geschichte, die viel zu früh und eher offen endet. Freunde von Space-Operas im Allgemeinen und Fans des Vorgängers im Besonderen dürfen – und sollten – aber bedenkenlos zugreifen.

8 von 10 Reisen durch die Ströme

Verrat – Das Imperium der Ströme 2

  • Reisen durch die Ströme - 8/10
    8/10

Fazit & Wertung:

John Scalzi führt in Verrat – Das Imperium der Ströme 2 seine in Kollaps begonnene Geschichte mehr als stimmig fort und nimmt sich fernab der im Zentrum des Geschehens stehenden Figuren Zeit, auch die Interdependenz und deren Ursprünge weiter zu beleuchten. Das, ebenso wie die zahllosen Intrigen und geheimen Bündnisse, ist allerdings mehr als nur bloßes Gimmick, sondern immanenter Teil einer zunehmend epischer werdenden Geschichte, die viel zu früh und eher offen endet. Freunde von Space-Operas im Allgemeinen und Fans des Vorgängers im Besonderen dürfen – und sollten – aber bedenkenlos zugreifen.

8.0/10
Leser-Wertung 9/10 (1 Stimmen)
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von FISCHER Tor.

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Verrat – Das Imperium der Ströme 2 ist am 28.08.19 bei FISCHER Tor erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den folgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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