Auch heute bringe ich wieder eine Buchreihe zu Ende, auch wenn die nach aktuellem Stand aus lediglich zwei Bänden besteht und ich nicht ausschließen kann, dass hier dereinst noch eine Fortsetzung folgen wird. Ansonsten aber könnt ihr nachfolgend nachlesen, wie ich die zweite Begegnung mit den sogenannten ExtraOrdinären empfunden und erlebt habe.
Vengeful
Die Rache ist mein
Vengeful, USA 2018, 528 Seiten
© FISCHER Tor
V. E. Schwab
Petra Huber
Sara Riffel
FISCHER Tor
978-3-596-70502-3
Fantasy | Mystery | Thriller
Inhalt:
Victor nickte. »Sag Syd, dass wir morgen früh aufbrechen.« Mitch ging nach drinnen, und Victor stellte seinen Drink auf der Balkonbrüstung ab. Er holte die Spritze aus der Tasche und las die Beschriftung. Lorazepam. Ein Antikonvulsivum. Er hatte auf eine Diagnose, eine Heilung gehofft, aber bis dahin würde er eine Möglichkeit finden, die Symptome zu behandeln.
Fünf Jahre sind vergangen, seit es Victor Vale gelungen ist, seinen einzigen Freund und Studienkollegen Eli Ever in seine Schranken zu weisen und es Detective Stell zu ermöglichen, ihn in Gewahrsam zu nehmen, auch wenn Victor dafür mit dem eigenen Leben hat zahlen müssen. Dank der außergewöhnlichen Kräfte seiner Freundin Sydney – sie alle sind schließlich sogenannte EOs, ExtraOrdinäre – konnte er ins Leben zurückgeholt werden und befindet sich gemeinsam mit ihr und Mitch noch immer auf der Flucht. Stell derweil hat die Organisation EON ins Leben gerufen, die sich dem Aufspüren und Neutralisieren von EOs verschrieben hat, nachdem er Victors und Elis verstörende Kräfte hat kennenlernen können. Doch kürzlich kam nun eine Frau namens Marcella zumindest kurzzeitig zu Tode und kehrte ebenfalls mit außergewöhnlichen Kräften zurück. Beseelt von dem Wunsch nach Rache, etabliert sie sich schnell als feste Größe in dem Spiel der übernatürlich Begabten und fordert insbesondere Stell als Direktor von EON heraus, der seit geraumer Zeit wenn auch widerwillig mit dem noch immer inhaftierten Eli zusammenarbeitet…
Rezension:
Nicht einmal ein halbes Jahr hat man sich hierzulande gedulden müssen zwischen der Veröffentlichung von Vicious und nun Vengeful, derweil sowohl im Buch als auch in der Realität fünf Jahre vergangen sind, denn eigentlich sind die bislang zwei einzigen Vertreter der "Villains-Series" 2013 und 2018 erschienen, während sich FISCHER Tor eben erst damit befasst hat, als beide Bände bereits lange Zeit erschienen waren. Nichtsdestotrotz kann und sollte man das im Hinterkopf behalten, denn auch wenn es Autorin V. E. Schwab grundsätzlich gut gelungen ist, an ihr Frühwerk anzuknüpfen, merkt man doch auch ein wenig, dass ihr die Figuren längst nicht mehr so vertraut sind und spezifische Manierismen und Verhaltensweisen nur noch zum Tragen kommen, wenn sie ihr wieder gewahr werden. Darüber hinaus konnte ich hier ein Phänomen beobachten, dass ich auch schon bei der Lektüre der Weltenwanderer-Trilogie bemerkt zu haben meinte, nämlich, dass Schwab in ihren Ausführungen und Erzählungen im Laufe der Jahre deutlich weitschweifiger geworden ist. So dauert es dem Gefühl nach nicht nur geraume Zeit, bis die eigentliche Story in Fahrt kommt, nein, der immerhin mehr als 500 Seiten starke Band wirkt deutlich ausladender, auch was das Figuren-Konsortium, die Schauplätze und Zeiten betrifft.
June richtete sich auf, stieß die Luft aus und steckte den Draht in die Tasche zurück. Sie betrachtete die Handflächen, die nicht ihre waren. An den Stellen, an denen sich der Draht hineingegraben hatte, waren tiefe Linien zu sehen. June spürte sie zwar nicht, aber sie wusste, dass die echte Jeannie am nächsten Morgen mit diesen Schwielen und den damit verbundenen Schmerzen aufwachen würde.
War es beim ersten Band noch ein grandioser Kniff, das Ganze in zeitlich verschachtelten, sich gegenseitig bedingenden Ebenen zu erzählen, wirkt es bei Vengeful leider deutlich gewollter, wenn man zwischen Zeiträumen von "vor fünf Jahren" bis zu "am letzten Abend" changiert. Auch war es eine der großen Stärken des Vorgängers, dass es sich eben im Kern um ein Kräftemessen zwischen Victor Vale und Eli Ever gehandelt hat, während der Rest im Grunde bloßes Mittel zum Zweck gewesen ist, um das Duell der beiden EOs ins rechte Licht zu rücken und deren Hintergründe zu beleuchten. Hier nun tritt mit Marcella eine zwar grundsätzlich ebenfalls spannende, aber leider auch ziemlich klischeebehaftete Figur mit in den Ring und schart ihrerseits weitere ExtraOrdinäre um sich, wobei sich beispielsweise im Fall von June noch nicht einmal wirklich die Mühe gemacht wird, deren Werdegang und Beweggründe zu erörtern. Vor allem aber macht Schwab auf ihren rund 500 Seiten manchen Handlungsstrang auf, der dann in letzter Konsequenz kaum weiter verfolgt wird, was zwar einerseits Raum lässt für eine mögliche Fortsetzung, andererseits aber auch wenig befriedigend ist, wenn man sich einen gelungenen Abschluss für die zweibändige Reihe wünscht.
Was allerdings die (neuen) Kräfte der ExtraOrdinären angeht, braucht V. E. Schwab sich vor keinem Superhelden-Franchise zu verstecken und schafft einige mehr als spannende Figuren und Fähigkeiten, die im Fall von Marcella und ihrem "Gefolge" freilich auch bestens aufeinander abgestimmt sind und dem Duo Eli und Serena aus dem ersten Band in nichts nachstehen. Freilich findet aber auch die Fehde zwischen Victor und Eli ihre Fortsetzung, wenn auch anders als erwartet und mit reichlich Vorlaufzeit, derweil es ein wenig schade ist, dass es Schwab nicht erneut im selben Maße gelingt, eine Ansammlung von Figuren im Spektrum der moralischen Grauschattierungen anzusiedeln, denn wo es bei den bereits etablierten Protagonisten spannend gewesen ist, dass sie beide je nach Blickwinkel und Interpretation Held oder Schurke haben sein können, sind die Fronten bezüglich Marcella doch weit geklärter und sie unumwunden böse und machtgierig. Gleichwohl Vengeful aber nicht an die Stärke des ersten Bandes heranreicht (der aber freilich auch schon des Öfteren arg konstruiert gewirkt hat), kann ich nicht behaupten, mich je wirklich gelangweilt zu haben oder den Band grundsätzlich abkanzeln zu wollen, denn dafür war das Geschehen doch kurzweiliger und cleverer inszeniert als zunächst erwartet.
Sein erster Tod war grausam gewesen, seine Welt auf einen kalten Metalltisch reduziert, sein Leben nur noch elektrische Spannung und ein Regler, der immer höher ging. Elektrizität hatte sich durch jeden einzelnen Nerv gebrannt, bis er schließlich zusammengebrochen und in schwerem, flüssigem Nichts versunken war. Das Sterben hatte eine Ewigkeit gedauert, aber der Tod selbst war flüchtig gewesen, nur die Zeitspanne eines Atemanhaltens lang. Luft und Energie wurden aus seiner Lunge gepresst, bevor er wieder aufstieg durch das dunkle Wasser, während alles in ihm schrie.
Zunächst aber dümpelt die Geschichte von Vengeful leider ein wenig vor sich hin und während Schwab noch damit spielt, dass man als Leser über die Ereignisse der verstrichenen fünf Jahre nicht im Bilde ist, generiert sie einiges an Fragezeichen, die sich allerdings auch schnell in Wohlgefallen auflösen. Anderes wiederum bleibt bis zuletzt unaufgeklärt und man mag sich fragen, ob diese Plot-Points bewusst offen gelassen worden sind, um eben einen Nachfolger zu ermöglichen, oder ob Schwab sie im Angesicht des ausufernden Finales schlichtweg ein wenig aus den Augen verloren hat. Wie dem aber auch sei, wirkt dadurch die Lektüre nicht ganz so stimmig, wie sie hätte sein können, während leichtere Längen zu Beginn und im Mittelteil das Vergnügen zwar nur unmaßgeblich schmälern, aber eben dennoch spürbar und somit ärgerlich sind. Gegen eine Fortsetzung hätte ich derweil nichts einzuwenden, zumal insbesondere Victors Geschichte noch längst nicht zu Ende erzählt worden scheint, doch könnte die dann gerne wieder etwas griffiger und weniger weitschweifig daherkommen, als es hier zuweilen der Fall gewesen ist.
Vengeful - Die Rache ist mein
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Durch eine Nahtoderfahrung entwickelte Kräfte - 7/10
7/10
Fazit & Wertung:
V. E. Schwab liefert mit Vengeful - Die Rache ist mein einen verspäteten Nachfolger zu ihrem originär 2013 erschienenen Vicious, doch wo der noch in stringenter Weise auf das Duell zwischen zwei Kontrahenten abgestellt hat, geht hier die Story gehörig in die Breite und Länge, was ihr nicht immer zum Vorteil gereicht, da längst nicht alles an Handlungssträngen abschließend behandelt wird. So gelingt ihr zwar eine grundsätzlich kurzweilige und gelungene Fortsetzung, die allerdings auch mit leichten Längen und Auslassungen zu kämpfen hat.
Weitere Details zum Buch und der Autorin findet ihr auf der Seite von FISCHER Tor.
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Vengeful – Die Rache ist mein ist am 29.04.2020 bei FISCHER Tor erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den folgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!