Review: Die Verzauberung der Schatten | V. E. Schwab (Buch)

Kommen wir heute mal schlicht und ergreifend zum zweiten Teil einer von mir im Sommer begonnenen Fantasy-Reihe, die aber auch im Herbst noch durchaus gut funktioniert, um euch dahingehend schon einmal zu beruhigen.

Die Verzauberung der Schatten
Weltenwanderer-Trilogie 2

A Gathering of Shadows, USA 2016, 640 Seiten

Die Verzauberung der Schatten von V. E. Schwab | © FISCHER Tor
© FISCHER Tor

Autorin:
V. E. Schwab
Übersetzerin:
Petra Huber

Verlag (D):
FISCHER Tor
ISBN:
978-3-596-29633-0

Genre:
Fantasy | Abenteuer

 

Inhalt:

Lila starrte, ohne zu blinzeln, in das rote Licht der Leuchtfackel, bis Kells Bild ausgemerzt war. Sie hatte jetzt wahrlich drängendere Sorgen. Das Wasser stieg und stieg; und das Signal drohte wieder zu erlöschen. Mehr und mehr Schatten schlängelten sich um das Boot.

Vier Monate sind vergangen, seit der weltenwandelnde Antari Kell und die abenteuerlustige Delilah Bard gemeinsam der schwärzesten Form der Magie Einhalt gebieten mussten und dafür mehrere der in vier Welten existierenden Städte London bereist haben, um letztlich die Dane-Zwillinge in der weißen Stadt zu stellen. Damit aber haben sie auch das rote London in Gefahr gebracht und Prinz Rhy hätte beinahe mit dem Leben dafür bezahlt, weshalb Kell nunmehr unter strenger Bewachung der Garde steht und von Alpträumen geplagt wird. Lila derweil hat sich ihren Traum erfüllt, zur See zu fahren und ist auf fragwürdigen Wegen Teil der Crew von Alucard Emery geworden. Es könnte allerdings sein, dass sich Lila und Kell demnächst erneut begegnen, denn im roten London steht die Ausrichtung des "Essen Tasch" bevor, eines magischen Duells, an dem auch Alucard teilzunehmen gedenkt. Und während Lila im Vertrauen auf ihre jüngst entdeckten magischen Talente nichts lieber täte, als ebenfalls dort ihr Können unter Beweis zu stellen, schmieden Rhy und Kell im Geheimen ganz ähnliche Pläne. Unbeeinflusst von alledem glimmt derweil im weißen London ein neuer Lebensfunke und eine neue Macht schickt sich an, sich zu erheben…

Rezension:

Nachdem ich mich im Sommerurlaub dem ersten Band der Weltenwanderer-Trilogie gewidmet hatte und vor rund vier Monaten von Vier Farben der Magie an dieser Stelle berichtet habe, wurde es nun höchste Zeit, mich dem nunmehr zweiten Band Die Verzauberung der Schatten zu widmen, die – mitunter das erste, was mir auffiel – mit ihren mehr als 600 Seiten deutlich umfangreicher daherkommt als der Auftaktband. Mehr bedeutet aber nicht immer automatisch besser, denn auch wenn ich guten Gewissens behaupten kann, mit jeder einzelnen Seite des Bandes meine Freude gehabt zu haben und mich in Gänze glänzend unterhalten gefühlt habe, nimmt sich Autorin V. E. Schwab doch deutlich zu viel Zeit, ihren Plot zu etablieren, der vor allem lange Zeit kaum als solcher zu erkennen ist. So folgt man in gewohnter Manier im steten Wechsel den Handlungssträngen von einerseits dem Antari Kell, der mit den Nachwehen seiner schicksalsträchtigen Entscheidung zu kämpfen hat, das Leben von Prinz Rhy an sein eigenes zu binden, andererseits Delilah Bard, die ihren Traum verfolgt, Piratin zu werden und dabei auf dem Schiff von Alucard Emery anheuert, der sich als Freibeuter der Krone verdingt.

Ausgezeichnet! Kasnov war eine Legende auf dem Arnesischen Meer. Seine Mannschaft war klein, aber überaus geschickt; sie pflegten Schiffe in der undurchdringlichen Dunkelheit vor dem Morgengrauen zu kapern und allen, die ihnen in die Hände gerieten, die Kehle durchzuschneiden. Dann überließen sie die Leichen der Verwesung, während sie sich mit ihrer Beute davonstahlen.

Beides für sich genommen ist gelungen und unterhaltsam, doch dümpelt die Geschichte zunächst gemächlich vor sich hin, während Episoden aus Lilas Seefahrerleben zum Besten gegeben werden und Kell in einer Tour mit sich und seinem Schicksal hadert. Und über all dem thront die Verheißung des "Essen Tasch", eines pompösen wie prunkvollen Magier-Duells, das alle drei Jahre stattfindet und nunmehr im roten London veranstaltet werden soll. Nicht gerade ein neuer Einfall, bei dem ich auch durchaus ein wenig die Augen verdreht habe, doch nimmt das Duell an sich dann tatsächlich auch deutlich weniger Raum ein als befürchtet, gleichwohl es sich um einen der dramaturgischen Eckpfeiler der Erzählung handelt. So hat aber alles sein für und Wider, denn der Umstand, dass im Grunde die ersten zwei Drittel des Romans das Vorgeplänkel zu besagtem Duell darstellen, gereicht Die Verzauberung der Schatten nun auch nicht eben zur Ehre, wohingegen der beinahe unweigerliche Cliffhanger zum Abschluss des zweiten Bandes einer Trilogie dann schon beinahe ein wenig gehetzt wirkt und sorgsamer – sprich ausführlicher – hätte vorbereitet werden können.

Weit schwerer wiegt aber, dass ausgerechnet einer der gefühlten Kernaspekte einer als Weltenwanderer-Trilogie betitelten Reihe hier merklich ins Hintertreffen gerät (gleichwohl die Bände im Original als Shades of Magic-Serie vermarktet werden), denn zwischen den Welten gewandelt wird hier herzlich wenig und von kurzen Abstechern ins graue London und einigen wenigen, vom Rest losgelösten Kapiteln im weißen London einmal abgesehen, spielt sich das Geschehen von Die Verzauberung der Schatten zu rund neunzig Prozent im roten London ab. Das ist nicht per se schlecht, nur wirkt der Roman dadurch weit mehr wie generische Fantasy, wenn er sich eines seiner spannendsten Alleinstellungsmerkmale selbst beraubt. Das graue London – dem unseren nachempfunden und damit reizvolles, weil erdendes Element – hat kaum noch Bewandtnis für die Geschichte und hinsichtlich der Passagen im weißen London ist von vornherein offensichtlich, dass diese nur der Vorbereitung des Nachfolgers Die Beschwörung des Lichts dienen. Natürlich ist der Mittelteil einer Trilogie mitunter am schwierigsten zu gestalten, doch hätte es in dem Fall schon geholfen, die überwiegend kaum zielführende Handlung ein wenig zu straffen.

Die Piraten hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, sie nach Waffen zu durchsuchen; was nun wirklich ein wenig überheblich war, dachte Lila, als sie ein Messer aus ihrem Stiefel zog, es mit einer geübten Bewegung zwischen den gefesselten Händen herumdrehte und die Seile durchschnitt. Die Stränge fielen zu Boden, während sie sich die Handgelenke rieb. Dabei summte sie ein Seemannslied über den sogenannten Sarows vor sich hin, einen Geist, der der Legende nach des Nachts verirrte Schiffe heimsuchte.

Zuletzt sei noch erwähnt, dass Schwab mit Kell und Lila im Auftaktband ein durchaus überzeugendes Duo geschaffen hat, dessen unterschiedliche Ansichten und Wesenszüge nicht unmaßgeblich zum Unterhaltungswert des Ganzen beigetragen haben und so ist es schade, dass sie die beiden so lange getrennt voneinander agieren lässt, auch wenn sie nicht müde wird zu betonen, dass sie ständig aneinander denken. Immerhin, das Wiedersehen – wenn es dann stattfindet – ist gelungen und die Erlebnisse beider Figuren wissen auch für sich genommen zu gefallen, doch hat Die Verzauberung der Schatten schlichtweg zu viel erzählerischen Leerlauf, als das es qualitativ an den Vorgänger anschließen könnte. Das heißt im Umkehrschluss nicht, dass man der Reihe den Rücken kehren sollte oder dass der Band misslungen wäre, doch sollte man gewarnt sein, dass das Mehr an Seiten eben nicht automatisch auch mehr Story, mehr Spannung, mehr Action verspricht, auch wenn all diese Komponenten freilich auch hier wieder vorhanden sind und Übersetzung und Schreibstil erneut angenehm flüssig zu lesen sind. Entsprechend werde ich mir natürlich auch den finalen Band zu Gemüte führen, hoffe aber doch sehr, dass die Autorin die dann sogar über 700 Seiten etwas sinnvoller und zielführender zu nutzen wissen wird.

Fazit & Wertung:

V. E. Schwabs Die Verzauberung der Schatten macht als zweiter Teil der Weltenwanderer-Trilogie eine grundsätzlich gute Figur, doch trüben reichlich dramaturgischer Leerlauf und der in den Hintergrund tretende Aspekt vierer sich überschneidender Städte London den Gesamteindruck merklich. Zu großen Teilen wissen das zwar die sympathischen Figuren und der angenehm leichtfüßige Schreibstil auszugleichen, doch reicht der Band dadurch nicht annähernd an die Qualitäten seines Vorgängers heran, wenn auch das vielversprechende Finale und der obligatorische Cliffhanger versöhnlich stimmen.

7 von 10 durchschrittenen Toren

Die Verzauberung der Schatten

  • Durchschrittene Tore - 7/10
    7/10

Fazit & Wertung:

V. E. Schwabs Die Verzauberung der Schatten macht als zweiter Teil der Weltenwanderer-Trilogie eine grundsätzlich gute Figur, doch trüben reichlich dramaturgischer Leerlauf und der in den Hintergrund tretende Aspekt vierer sich überschneidender Städte London den Gesamteindruck merklich. Zu großen Teilen wissen das zwar die sympathischen Figuren und der angenehm leichtfüßige Schreibstil auszugleichen, doch reicht der Band dadurch nicht annähernd an die Qualitäten seines Vorgängers heran, wenn auch das vielversprechende Finale und der obligatorische Cliffhanger versöhnlich stimmen.

7.0/10
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Weitere Details zum Buch und der Autorin findet ihr auf der Seite von FISCHER Tor.

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Die Verzauberung der Schatten ist am 23.11.17 bei FISCHER Tor erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den folgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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