Review: Der Schrei des Raben | Ed McDonald (Buch)

Klar, heute dann wieder was zum Thema Fantasy, habe ich schließlich vergangene Woche auch nur verschoben, weil ich nicht rechtzeitig fertig geworden wäre mit dem Buch. Dafür habe ich mich in den vergangenen Tagen dafür begeistern können und es regelrecht verschlungen. Warum, könnt ihr nachfolgend nachlesen (und euch dann – mein Rat – den ersten Band bestellen).

Der Schrei des Raben
Schwarzschwinge (2)

Ravencry (Raven’s Mark 2), UK 2018, 512 Seiten

Der Schrei des Raben von Ed McDonald | © Blanvalet
© Blanvalet

Autor:
Ed McDonald
Übersetzer:
Ruggero Leò

Verlag (D):
Blanvalet
ISBN:
978-3-734-16147-6

Genre:
Fantasy | Action | Abenteuer

 

Inhalt:

Niemand hatte um ihn getrauert, als ich ihn das erste Mal erschoss, und ich bezweifelte sehr, dass sich das beim zweiten Mal ändern würde. Ich entsann mich deutlich daran, ihn getötet zu haben, und wusste noch genau, dass meine Dohlen seine Leiche auf einen Karren geworfen hatten. Daher war es überraschend, dass er vor wenigen Minuten das Feuer erwidert hatte.

Einige Jahre sind vergangen, seit Ryhalt Galharrow und Ezabeth Tanza unter Aufbietung all ihrer Kräfte – und mit reichlich Hilfe der Namenlosen – den Angriff der Könige aus der Tiefe auf Valengrad haben zurückschlagen können, residiert Ryhalt noch immer in der Stadt und führt mittlerweile die dort stationierten Schwarzschwingen an, unterstützt von der engagierten Valiya. Derweil hat Ryhalt noch immer nicht verwunden, Ezabeth verloren zu haben, die immer mehr Bewohnern der Stadt als gleißende Lichtgestalt erscheint, was einen neuen Kult um die Herrin des Lichts ins Leben gerufen hat und ihn tagtäglich an seinen Verlust erinnert. Während sich Ryhalt weiter und vermehrt in den Alkohol flüchtet, ist das tägliche Leben vergleichsweise ruhig, bis zu dem Tag zumindest, als Galharrow in eine Auseinandersetzung gerät, an der ein bereits vor Wochen Getöteter beteiligt ist. Darauf kann sich Ryhalt freilich keinen Reim machen, doch noch während er dieses Rätsel zu lösen versucht, bricht jemand in die persönliche Kammer des Namenlosen Krähfuß ein und entwendet dort einen Gegenstand, den Ryhalt selbst dort hinterlegt hatte. Es braut sich etwas zusammen, doch noch während der Ermittlungen spitzt sich auch die politische Lage in Valengrad immer weiter zu, während der Orden der Herrin des Lichts zunehmend an Einfluss gewinnt und aus dem nahegelegenen elend heraus eine Reihe überraschender wie verheerender Angriffe erfolgt. Einmal mehr gilt es, die Stadt zu retten, doch dafür muss Galharrow erst einmal dahinterkommen, wer sein eigentlicher Widersacher sein mag…

Rezension:

Durch die Ankündigung von Der Schrei des Raben bin ich ja kürzlich überhaupt erst auf die Schwarzschwingen-Trilogie gestoßen und habe deren ersten Band Im Zeichen des Raben regelrecht verschlungen. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass Autor Ed McDonald sich nun mit dem Nachfolgeband noch einmal selbst zu übertrumpfen wüsste, doch konnte mich der Roman alsbald eines Besseren belehren. Dabei beginnt alles gleichermaßen beschaulich wie überschaubar, auch wenn es nur wenige Seiten dauert, bis Ryhalt in den ersten, waffenstarrenden Konflikt gerät. Doch vorher bietet McDonald zudem einen kurzen Abriss der vorigen Ereignisse, was mehr als löblich ist und sicherlich hilfreich, wenn zwischen der Lektüre der Bände dann doch mehr Zeit vergeht, als es bei mir nun einmal der Fall gewesen ist. Nach der einleitenden Auseinandersetzung derweil, die Ryhalt mit einigen Fragezeichen zurücklässt, wirkt das Geschilderte tatsächlich zunächst einmal wie ein Noir Krimi im Fantasy-Gewand und der Kommandant der Schwarzschwingen setzt alles daran, der Lage Herr zu werden, bevor sich langsam eine Spur herauskristallisiert und es prompt zum nächsten Zwischenfall kommt.

Wir brachten uns auf den neuesten Stand. Während ich einige Leute getötet hatte, war er lediglich saufen gewesen. So lief es meistens, auch wenn ich in letzter Zeit eher Befehle gab, als selbst das Schwert zu schwingen. Tnota war klugerweise vom Navigator zu meiner rechten Hand geworden, was nicht einer gewissen Ironie entbehrte, da ihm die eigene Rechte fehlte.

McDonald hat hier noch einmal sichtlich mehr in die von ihm geschilderte Welt gefunden und Valengrad wird während Ryhalts Ermittlungen regelrecht lebendig, während man allerorten den Anhängern des Ordens der Herrin des Lichts begegnet und spürt, wie deren Einfluss und Präsenz um sich zu greifen beginnt. Gelungen auch die Verknüpfung von Ryhalts seelischer, psychischer Verfassung und den von ihm wahrgenommenen äußeren Einflüssen, denn Galharrow war freilich schon im ersten Band weit mehr eine Art Anti-Held, während er sich hier zunehmend zurückzieht und kaum eine Gelegenheit auslässt, alkoholische Getränke jedweder Couleur zu konsumieren. Das mag nicht schön oder erheiternd sein, passt aber immens gut zu der zunehmend fatalistischen Ausgestaltung von Der Schrei des Raben, während man als Leser doch zumindest häppchenweise auch Neues zu diesem regelrecht gebrochenen Mann erfährt, den im Grunde nur der pure Wille noch aufrecht hält, während er sich zum Schutz von Valengrad und dessen Bewohnern verausgabt. Dennoch ist das Buch nicht frei von Humor, nur ist der hier seltener vertreten als noch zuvor und zudem meist von der allerschwärzesten Sorte, doch interessiert das nur noch am Rande, als die Könige aus der Tiefe ihre nächste Offensive starten.

Ab diesem Punkt nämlich, wenn Valengrad in Aufruhr und Zerstörung zu versinken droht, überschlagen sich die Ereignisse zunehmend und bemerkenswert hieran ist, dass Der Schrei des Raben zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal die Halbzeit eingeläutet hat, ich das Buch aber kaum mehr aus der Hand legen konnte und mochte, auch wenn ich natürlich nichts zum weiteren Fortgang vorwegnehmen oder verraten möchte. Ansonsten aber – das dürfte man sich durchaus gedacht haben – dringt Galharrow aber auch einmal mehr ins Elend vor und was im Auftaktband noch eher eine Stippvisite gewesen sein mag, gleicht hier einer regelrechten Odyssee, derweil man neben Siefern und Hörigen so allerlei teils garstigem Zeug begegnet. Die Schilderungen zum Elend sind dabei außerordentlich gelungen und ansprechend fremdweltlich geraten, was den surrealen Eindruck dieses pervertierten Landstrichs noch verstärkt und unterstreicht. Überhaupt wirkt der Band noch eine ganze Spur düsterer und grimmiger als der Vorgänger, der ebenfalls schon ein Paradebeispiel für Dark Fantasy gewesen sein mag.

Er senkte den Blick auf seine Dokumente, wie immer, wenn ihm etwas auf der Zunge lag, das mir nicht gefiel. »Vielleicht solltest du dich ein bisschen aufs Ohr hauen.«
Er hatte recht, aber das würde ich nicht tun. Aus demselben Grund, aus dem ich keine Phoslampen im Büro gestattete. Ich wusste, was mich in der Dunkelheit erwartete. Immer, wenn ich die Augen schloss, erschien sie mir in meinen Träumen und streckte die Hand nach mir aus, wieder und wieder. Gefangen im Licht. Um Hilfe bittend. Und obwohl ich jedes Mal nach ihrer Hand griff, berührten unsere Finger sich nie, sondern durchdrangen einander wie Rauch.

So hätte ich im Vorfeld – wie eingangs erwähnt – nicht damit gerechnet, dass McDonald noch eine Schippe würde drauflegen können, doch nach Beendigung des ersten Drittels – das aber eben als Einführung und übernatürliche Kriminalgeschichte selbst so seine Qualitäten mitbringt – dreht der Autor erzählerisch und inszenatorisch auf, dass es eine wahre Freude ist. Allerdings baut er auch das Abgründige und Erschreckende noch einmal deutlich aus und Galharrow selbst wird einiges erdulden müssen im Verlauf von Der Schrei des Raben, während ihm auch Schreckliches und Schockierendes begegnen wird, bei dessen Schilderungen der Autor nicht gerade zimperlich ist, ohne dies zum reinen Selbstzweck verkommen zu lassen. Überdies hat McDonald in allen Belangen wieder voll meinen Geschmack getroffen, ob es um den abgehalfterten Antihelden, dessen Freunde und Begegnungen geht, die vor Fatalismus und Bedrohung strotzende Welt oder die schlichte Ambivalenz mit, der man den Namenlosen begegnet, die zwar Widersacher der Könige aus der Tiefe sein mögen, ihrer Natur nach aber dadurch nicht automatisch als gut oder rechtschaffen gelten müssen. Allem voran aber ist es Protagonist Ryhalt Galharrow, den ich auch im kommenden Jahr in Der Sturz des Raben wieder bereitwillig begleiten werde, wenn ich auch jetzt schon um sein Wohl bange angesichts der Tatsache, was McDonald an Tragischem bereits hier seinen Leser*innen zumutet.

Fazit & Wertung:

Mit Der Schrei des Raben legt Ed McDonald in seiner Schwarzschwingen-Trilogie mehr als überzeugend nach und toppt stilistisch und atmosphärisch seinen großartigen Einstand noch einmal merklich. Allen voran begeistert der vielschichtig gezeichnete, ambivalente Antiheld Galharrow, der sich hier erneut in einer von Gefahr und pervertierter Magie dominierten Welt gegen allerlei unaussprechliche Schrecken behaupten muss.

9,5 von 10 im Elend lauernden Bedrohungen

Der Schrei des Raben

  • Im Elend lauernde Bedrohungen - 9.5/10
    9.5/10

Fazit & Wertung:

Mit Der Schrei des Raben legt Ed McDonald in seiner Schwarzschwingen-Trilogie mehr als überzeugend nach und toppt stilistisch und atmosphärisch seinen großartigen Einstand noch einmal merklich. Allen voran begeistert der vielschichtig gezeichnete, ambivalente Antiheld Galharrow, der sich hier erneut in einer von Gefahr und pervertierter Magie dominierten Welt gegen allerlei unaussprechliche Schrecken behaupten muss.

9.5/10
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von Blanvalet. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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Der Schrei des Raben ist am 16.12.19 im Blanvalet Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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