Review: Im Zeichen des Raben | Ed McDonald (Buch)

Auch vergangene Woche habe ich mir wieder einen Fantasy-Roman gegönnt und freue mich jetzt schon, euch nachfolgend davon berichten zu können, denn lange habe ich nicht mehr eine so einfallsreich-unverbrauchte, grimmige und düstere Welt kennenlernen dürfen, die mich bereits nach wenigen Seiten so gepackt hat wie hier.

Im Zeichen des Raben
Schwarzschwinge (1)

Blackwing (Raven’s Mark 1), UK 2017, 480 Seiten

Im Zeichen des Raben von Ed McDonald | © Blanvalet
© Blanvalet

Autor:
Ed McDonald
Übersetzer:
Ruggero Leò

Verlag (D):
Blanvalet
ISBN:
978-3-734-16146-9

Genre:
Fantasy | Action | Abenteuer

 

Inhalt:

Tnota richtete das Glasaugeninstrument auf den Himmel, dessen Farbe einer Prellung glich, die eine Woche alt war: ein Gemisch aus schmierigem Gelb, Anflügen von Grün, blassem Violett und hässlichem Blutbraun, eine Staffelei ausgetretener Flüssigkeiten und geplatzter Kapillargefäße.

Ryhalt Galharrow ist Hauptmann der Schwarzschwingen, einer Art Söldner-Einheit, die zwar auf Höhe des Militärs operiert, sich aber nicht in deren Hierarchien eingruppieren lässt. Ihres Zeichens unterstehen sie dem mysteriösen "Krähfuß", einem der wenigen noch lebenden Namenlosen, die mit ihren teils gottgleichen Kräften einst die Könige der Tiefe zurückgedrängt haben. Doch die nunmehr jenseits des magisch verheerten Landstrichs – schlicht das Elend genannt – lauernden Könige stellen noch immer eine Bedrohung dar, zumal es ihnen immer wieder gelingt, Sympathisanten auf ihre Seite zu ziehen und zu Hörigen zu machen, grauenvoll deformierten Wesen, die ganz ihren Meistern ergeben sind. Solchen Abtrünnigen und Deserteuren jagt Galharrow nach, auch um sich sein Auskommen zu sichern, denn Krähfuß hat nicht wirklich einen Blick für die Belange und Bedürfnisse von Menschen. Nun aber kontaktiert er Galharrow nach Jahren des Stillschweigens und trägt ihm auf, die Lichtspinnerin Ezabeth Tanza zu beschützen und nach Valengrad zu geleiten. Rahlt fühlt sich vor den Kopf gestoßen und an alte Zeiten erinnert, denn tatsächlich handelt es sich bei Ezabeth um seine Jugendliebe. Viel Zeit zur Nostalgie bleibt allerdings nicht, als ein Angriff der Hörigen erfolgt, die es anscheinend tatsächlich auf die Lichtspinnerin abgesehen haben…

Rezension:

Nach Beendigung von Anna Stephens‘ Wächter und Wölfe-Trilogie suchte ich händeringend Nachschub dieser Art düsterer, erwachsener, grimmiger Fantasy und stieß hierbei auf Ed McDonalds Schwarzschwingen-Reihe, deren zweiter Band im vergangenen Dezember hierzulande erschienen ist. Logischerweise beginnt man ja aber natürlich am Anfang und so habe ich mir kurzerhand Im Zeichen des Raben als Auftakt der Reihe bestellt und voller Neugierde mit der Lektüre begonnen. Mit dieser Wahl schien ich – so viel wurde mir bereits nach wenigen Seiten bewusst – goldrichtig gelegen zu haben, zumal McDonald tut, was sonst gerne schiefgehen kann, indem er den Leser unmittelbar ins Geschehen wirft. Namentlich ins Elend, ein von Magie korrumpiertes Niemandsland fernab der Grenzen von Valengrad, wo auch Protagonist Galharrow zuweilen residiert. Der wiederum fungiert hier als Ich-Erzähler und führt ohne störende Expositions-Monologe gekonnt in die düstere Welt ein, in der wir uns fortan bewegen, zumal speziell das Elend von allerhand garstigen bis scheußlichen Kreaturen und Wesenheiten bevölkert wird, denen man schon tagsüber nicht gern begegnen möchte.

Zwei Monde waren hinter zwei verschiedenen Horizonten verschwunden, nur Clada schien noch als schlanker Halbmond am Nachthimmel, als wir uns Station Zwölf näherten. Tnota hatte eine ungewöhnliche, riskante Route durch Dünen mit hohem Schnappgras gewählt, aber wir brachten sie ohne Verletzungen hinter uns.

So wird man gekonnt häppchenweise mit der Welt und ihren Gesetzmäßigkeiten vertraut gemacht, deren größtes Alleinstellungsmerkmal wohl die Lichtspinner sein dürften, die Energie aus den drei Monden beziehen zu wissen und damit allerhand Apparaturen anzutreiben oder – speziell im Fall der Kriegsspinner oder eben auch Ezabeth Tanza – Magie zu wirken wissen. Diese Energie, das sogenannte Phos, dient aber auch dazu, Nalls Maschine mit Energie zu versorgen. Und die allein, einst gefertigt von einem Namenlosen – quasi gottähnlichen Zauberern –, ist es auch, die das Land vor den Königen der Tiefe schützt, deren Legionen aus Hörigen ansonsten das Reich der Menschen längst überrannt hätte. So war es auch Nalls Maschine, die einst das Elend erschaffen und damit die Könige zurückgedrängt hat, während der verheerte Landstrich als stets Mahnmal erhalten blieb und die immense Maschine, selbst vom Orden der Ätherischen Ingenieure unverstanden, als letzte Bastion vor dem Feind dient. Ein Schelm, der meint, etwas könne mit besagter Maschine nicht in Ordnung sein, doch möchte ich da gar nicht vorgreifen, zumal es zunächst einmal allein um den ruppigen Galharrow geht, der sich nach Kontaktaufnahme seitens Krähenfuß – dem Namenlosen, dem er selbst sich verpflichtet hat – seiner verflossenen Jugendliebe Ezabeth Tanza gegenübersieht, die selbst unter den Lichtspinnern als außergewöhnlich begabt gelten dürfte.

Neben dem oft faszinierenden Worldbuilding, das gerade in dem um Klischees oft nicht verlegenen Fantasy-Genre mi reichlich frischem Wind und spannenden Ideen punktet, die das Ganze einerseits ein wenig in Richtung Steampunk, andererseits ein wenig in Richtung Dystopie driften lassen, vermag derweil insbesondere Protagonist und Erzähler Galharrow zu gefallen. Zudem bleibt dessen Vergangenheit und Herkunft lange im Dunkeln und er ist ein wirklich konsequent konzipierter Antiheld geworden, der zwar das Herz grundsätzlich am rechten Fleck haben mag, aber weit desillusionierter und grimmiger wirkt als die sonst üblichen Antihelden, die dann doch eher schlichtweg mit einem gewissen Badboy-Image kokettieren. Dergestalt könnte man beinahe eine Inhaltswarnung für Im Zeichen des Raben anbringen, die sich auf den exzessiven und krankhaften Alkoholkonsum der Hauptfigur bezieht, doch gäbe es dann dergestalt sicherlich noch mehr zu warnen, denn Ed McDonald ist in seinen Schilderungen auch sonst nicht gerade zimperlich, wobei das viel vom Reiz dieser von Hoffnung und Optimismus befreiten Welt ausmacht, in der die Menschen zu bloßen Spielfiguren der Jahrhunderte währenden Fehde zwischen den Namenlosen und den Königen der Tiefe verkommen.

Die Schwarzschwingen sind eine kleine Organisation, wenn man uns überhaupt so nennen kann. Wir arbeiten ohne Koordination, ohne Regeln. Ich kannte die Namen von sieben anderen, aber drei davon waren Decknamen, und ich hatte keinen Schimmer, wo sie sich aufhielten. Wir waren Krähfuß’ Hände im Schatten, seine Augen und Vollstrecker. Wir standen sowohl über als auch unter dem Militär, Agenten, die die stillen Befehle der Namenlosen ausführten – wenn sie sich dazu herabließen, welche zu erteilen.

Mich wusste McDonald auf alle Fälle prompt in seinen Bann zu ziehen und den Nachfolgeband habe ich längst für mich geordert, derweil hier mitnichten alles düster und hoffnungslos sein mag. Denn so ernst und brutal die Story sich entfalten mag – übrigens auch voller Intrigen und überraschender Wendungen, die Im Zeichen des Raben zu einem echten Page-Turner werden lassen –, findet sich doch auch immer eine Prise schwarzen, garstigen Humors, um das Ganze auf eine zum Gesamttenor passende Weise aufzulockern. Dafür zeichnen neben Galharrow insbesondere seine langjährigen Begleiter, die kampferprobte Nenn und der friedliebende Navigator Tnota verantwortlich, die ebenso wie ihr Hauptmann der Unbill des Lebens mit reichlich Galgenhumor zu begegnen wissen. Kurz und knapp, das Gesamtbild hat mich mehr als überzeugt und von den Figuren über die düstere Welt bis hin zum kurzweiligen wie ernsthaften Storytelling kann ich den Band allen Freunden von Dark Fantasy nur empfehlen, derweil ich mich eben jetzt schon auf den zweiten Band freue, den ich nur deshalb nicht direkt im Anschluss lesen werde, damit die Wartezeit bis zum nächsten Jahr – wenn im März der dritte und finale Band erscheinen wird – nicht ganz so lang wird.

Fazit & Wertung:

Ed McDonald kreiert mit Im Zeichen des Raben eine ungemein stimmungsvolle und düstere Fantasy-Welt voller frischer Ideen, spannender Konzepte, bedrohlicher Gestalten und finsterer Schergen. Dank des vielschichtig-abgründigen Antihelden und Ich-Erzählers Ryhalt Galharrow macht dieser Auftaktband einer dreibändigen Reihe aber auch in Sachen Storytelling und Dramaturgie eine immens gute Figur.

9 von 10 im Elend lauernden Bedrohungen

Im Zeichen des Raben

  • Im Elend lauernde Bedrohungen - 9/10
    9/10

Fazit & Wertung:

Ed McDonald kreiert mit Im Zeichen des Raben eine ungemein stimmungsvolle und düstere Fantasy-Welt voller frischer Ideen, spannender Konzepte, bedrohlicher Gestalten und finsterer Schergen. Dank des vielschichtig-abgründigen Antihelden und Ich-Erzählers Ryhalt Galharrow macht dieser Auftaktband einer dreibändigen Reihe aber auch in Sachen Storytelling und Dramaturgie eine immens gute Figur.

9.0/10
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von Blanvalet. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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Im Zeichen des Raben ist am 10.12.18 im Blanvalet Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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