Review: Horse Girl (Film)

Starten wir die Woche mit einem Netflix-Kleinod, dessen Existenz mir ziemlich lange nicht bewusst gewesen ist.

Horse Girl

Horse Girl, USA 2020, 103 Min.

Horse Girl | © Netflix
© Netflix

Regisseur:
Jeff Baena
Autoren:
Jeff Baena
Alison Brie

Main-Cast:
Alison Brie (Sarah)
in weiteren Rollen:
Debby Ryan (Nikki)
John Reynolds (Darren)
Molly Shannon (Joan)
John Ortiz (Ron)
Paul Reiser (Gary)

Genre:
Drama | Mystery | Thriller

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Horse Girl | © Netflix
© Netflix

Sarah ist eine merklich introvertierte junge Frau und lebt schon seit jeher in ihrer eigenen Welt, die vorrangig aus ihrem heißgeliebten Pferd Willow und ihrer Vorliebe für die TV-Serie Purgatory besteht. Am Rande mag es da noch die liebenswerte Arbeitskollegin Joan im Kunsthandwerksgeschäft oder auch Sarahs Mitbewohnerin Nikki geben, doch soziale Kontakte zu knüpfen fällt Sarah schwer und hat sie es sich unbewusst in der Rolle der Außenseiterin bequem gemacht. Das ändert sich zwar kurzzeitig, als Nikki versucht, sie mit Darren zu verkuppeln, aber in weiterer Folge hat Sarah einen irritierenden Traum, leidet fortan unter Zeitverlust und Nasenbluten, meint in einem Passanten eine Person aus ihrem Traum wiederzuerkennen. Irritiert wie perplex muss Sarah zur Kenntnis nehmen, dass sie ihre Mitbewohnerin hat reden hören, während die sich gar nicht in der Wohnung befand, derweil ihr neuerliche Gedächtnislücken zunehmend zu schaffen machen. Doch Sarah ahnt bereits, was hinter diesen Merkwürdigkeiten stecken könnte…

Rezension:

Warum auch immer an mir vorbeigerauscht ist, dass bereits seit Februar bei Netflix der mit Alison Brie in der Hauptrolle besetzte Horse Girl zum Streaming bereitsteht, habe ich nun besagtes Werk zumindest nachholen können, das beim Sundance Film Festival Anfang des Jahres Premiere gefeiert hat. Und zunächst wirkt der von Jeff Baena inszenierte Film auch wie eine klassische Indie-Produktion mit leisem Humor und skurrilen Charakteren, wobei sich dieser Eindruck schnell wandeln wird. Denn auch wenn der Titel anderes vermuten lassen mag, dreht sich das Geschehen mitnichten um ein "Pferdemädchen" (okay, im weitesten Sinne natürlich schon, schließlich hat Protagonistin Sarah zumindest früher einmal ein Pferd besessen), sondern präsentiert ein spannendes Psychogramm, das sich dem noch immer schwierigen Thema psychischer Erkrankung widmet, die allerdings diesmal kaum von außen betrachtet, sondern allein aus der Perspektive der Betroffenen Sarah behandelt wird.

Szenenbild aus Horse Girl | © Netflix
© Netflix

Entsprechend subjektiv ist das Geschehen des Films geraten und man wird kaum etwas von dem Gezeigten für bare Münze nehmen können, insbesondere, wenn sich Sarah zunehmend in ihre Wahnvorstellungen und Verschwörungstheorien versteigt, die natürlich für Außenstehende reichlich konfus wirken, in ihrer persönlichen Lebensrealität aber absolut Sinn ergeben. Gerade dieser Spagat ist es, der Horse Girl derweil so gut gelingt und den Film sehenswert macht, denn von der Annahme einer möglichen Entführung durch Außerirdische, über den zunehmenden Zeit- und Gedächtnisverlust sowie das vorherrschende Gefühl der Unzulänglichkeit bleibt man stets nah an Sarahs Erleben und Empfinden, was der Figur auf eine Weise nahekommen lässt, wie es anderen psychologischen Dramen kaum oder nur selten gelingt. Jetzt ist natürlich auch die persönliche Erwartungshaltung stets für das Wohl und Wehe eines Films mitverantwortlich und insbesondere durch den spleenig-melancholischen Auftakt mag man sich hier als unbescholtener Zuschauer etwas gänzlich anderes erwarten, doch ist eben auch dieser Stimmungswechsel Programm und von immenser Bedeutung für die leise Faszination, die sich hier zunehmend einstellt.

Getragen und geerdet wird das Ganze wie zu erwarten von Alison Brie (GLOW), die sich wirklich in die Rolle der Sarah hineinkniet und ein tiefes Verständnis für das zunehmend aufgewühlte Innenleben ihrer Figur offenbart, was sicherlich auch damit zusammenhängen dürfte, dass sie gemeinsam mit Regisseur Jeff Baena auch für das Drehbuch zu Horse Girl verantwortlich zeichnet. Im Umkehrschluss muss ich allerdings auch einräumen, dass durch die muntere Genre-Mixtur aus Indie-Drama mit leichtem RomCom-Einschlag bis hin zum schlussendlichen Mystery- oder Verschwörungs-Thriller, der vielleicht – vielleicht aber auch nicht – nur in Sarahs Kopf existiert, das Geschehen auch ein wenig sperrig und unzugänglich daherkommt. So mutmaße ich, dass dieses Werk einem ausgesuchten Publikum durchaus munden dürfte, während wiederum andere nach nicht einmal der Hälfte der Laufzeit entnervt der enttäuscht abschalten dürften (was ich keinesfalls kritisieren, sondern lediglich anmerken möchte).

Szenenbild aus Horse Girl | © Netflix
© Netflix

In Kombination mit manch angerissenem, aber nicht weiter verfolgtem Nebenplot kostet das den Film zwar geringfügig Punkte, doch überwiegen bei mir die Faszination für die überzeugende Innenschau und das konsequente Hineinsteigern in zunehmend absonderliche Theorien, die aber in Kombination mit der Sarah entgegenschlagenden Skepsis enorm plastisch bebildern, was in ihrem Kopf vorgehen mag. Die steigert sich zusehends bis zu einem regelrecht assoziativen, frei interpretierbarem letzten Drittel, in dem sich Realität und Wahn nun wirklich nicht mehr auseinanderhalten lassen und das förmlich dazu einlädt, sich seine eigene Lesart der Ereignisse zurechtzulegen. Währenddessen wird freilich auch das Ende als solches nicht unbedingt auf ungeteilte Akzeptanz stoßen, ist in seiner Art aber eben ungemein konsequent und stimmig. Tatsächlich hat mich Horse Girl also überaus positiv überrascht, auch wenn ein wenig dramaturgisches Feingefühl sicherlich noch nett gewesen wäre, was nicht nur Nebenhandlungen, sondern auch Nebenfiguren anbelangt, denn die bleiben – im Gegensatz zu der von Brie verkörperten Sarah – ausnahmslos blass und austauschbar, wirken im Kontext also auf ihre jeweilige Funktion reduziert, was man glücklicher hätte lösen können.

Fazit & Wertung:

Jeff Baena inszeniert mit Horse Girl ein schwer zu kategorisierendes, psychologisches Drama mit Indie-Anstrich und einer herausragenden Alison Brie in der Hauptrolle, die gemeinsam mit Baena auch für das Skript verantwortlich zeichnet. Mag das zunehmend subjektive und assoziative Geschehen teils sperrig sein, gelingt ihnen doch ein faszinierender Einblick in eine ins Ungleichgewicht geratene Psyche.

7 von 10 imaginierten Episoden

Horse Girl

  • Imaginierte Episoden - 7/10
    7/10

Fazit & Wertung:

Jeff Baena inszeniert mit Horse Girl ein schwer zu kategorisierendes, psychologisches Drama mit Indie-Anstrich und einer herausragenden Alison Brie in der Hauptrolle, die gemeinsam mit Baena auch für das Skript verantwortlich zeichnet. Mag das zunehmend subjektive und assoziative Geschehen teils sperrig sein, gelingt ihnen doch ein faszinierender Einblick in eine ins Ungleichgewicht geratene Psyche.

7.0/10
Leser-Wertung 0/10 (0 Stimmen)
Sende

Horse Girl ist seit dem 07.02.2020 exklusiv bei Netflix verfügbar.

vgw

Sharing is Caring:

Hinterlasse einen Kommentar