Review: Jedes Mal, wenn wir uns in der Eisdiele treffen, explodiert dein verdammtes Gesicht | Carlton Mellick III (Buch)

Während ich lange Zeit doch ziemlich festgefahren gewesen bin, was bevorzugtes Genre und Richtung der von mir gelesenen Bücher angeht, habe ich mich diesmal wieder an etwas gänzlich Anderem versucht und mich doch durchaus köstlich amüsiert.

Jedes Mal, wenn wir uns in der Eisdiele treffen,
explodiert dein verdammtes Gesicht

Every Time We Meet at the Dairy Queen,
Your Whole Fucking Face Explodes, USA 2016, 160 Seiten

Jedes Mal, wenn wir uns in der Eisdiele treffen, explodiert dein verdammtes Gesicht von Carlton Mellick III | © Festa
© Festa

Autor:
Carlton Mellick III
Übersetzer:
Manfred Sanders

Verlag (D):
Festa
ISBN:
Ohne ISBN

Genre:
Horror | Mystery | Drama | Romantik

 

Inhalt:

Spiderwebs Freund zu sein ist das Beste, was es gibt. Es hat mich glücklicher gemacht, als ich je in meinem Leben war. Aber es gibt ein großes Problem. Jedes Mal, wenn wir zusammen ausgehen, explodiert ihr Gesicht.

Teenager Ethan hat sich Hals über Kopf in das wohl merkwürdigste Mädchen seiner Schule verknallt, das von allen nur Spiderweb genannt wird und auch ansonsten ein ziemliches Außenseiterdasein fristet. Ihrem größten Geheimnis kommt Ethan allerdings erst beim ersten Date auf die Schliche, denn wenn Spiderweb zu aufgeregt wird, passiert es schon mal, dass ihr Gesicht explodiert, was ihr verständlicherweise mehr als peinlich ist. Doch selbst dafür bringt Ethan Verständnis auf, als sie sich tags darauf – sie frisch zusammengeflickt – wieder in der Schule begegnen. Leider bleibt das kein Einzelfall und auch die folgenden Dates bringen explosive Folgen mit sich, während die Mitschülerinnen und Mitschüler schon die Nase rümpfen ob des desolaten, einem Flickenteppich gleichenden Gesichts von Spiderweb. Ethan aber hält treu zu seiner neuen Freundin und gewöhnt sich langsam daran, dass sie ihm vor Aufregung schon mal wortwörtlich um die Ohren fliegt, aber merkwürdig ist die Situation natürlich trotzdem, woran sich auch nichts bessert, als Ethan die Eltern von Spiderweb kennenlernt…

Rezension:

Ich brauche wohl niemandem gesondert erklären, dass es im Grunde allein der Titel Jedes Mal, wenn wir uns in der Eisdiele treffen, explodiert dein verdammtes Gesicht war, der meine Aufmerksamkeit erregt hat. Das, in Kombination mit dem fröhlich-charmanten Cover, was im krassen Gegensatz zu Teilen des Titels, aber auch dem Ruf des Festa Verlages steht, wie er ihn sich in Jahren entsprechender Veröffentlichungen erarbeitet hat, sprachen natürlich mehr als dringlich für eine Lektüre. Mit Autor Carlton Mellick III hatte ich bis dato keine Berührung, auch wenn er so eine Art Koryphäe auf seinem Gebiet zu sein scheint, wobei das im Grunde auch einfach ist, hat er quasi für sich selbst das Genre der Bizarro-Fiction ersonnen und ist dort – man ahnt es fast – natürlich federführend. Das soll aber keineswegs die Qualität und Faszination des Buches schmälern, dessen Titel ich aus Zeit- und Platzgründen nicht noch einmal wiederholen möchte, denn auch wenn das Geschilderte wirklich, wirklich bizarr geraten ist, verströmt es auch eine merkwürdige Faszination.

Wir gingen noch dreimal zusammen aus und jedes Mal explodierte ihr Gesicht. Mit jedem Mal war es weniger schockierend. Bei unserem vierten Date waren sogar die Angestellten im Dairy Queen darauf gefasst und reagierten, als wäre es völlig normal. Aber jedes Mal schämte Spiderweb sich so sehr, dass sie wegrannte.

Dabei beginnt alles so harmlos mit den Schilderungen des jungen Ethan, der sich gehörig in eine Schulkameradin verguckt hat. Die wird von allen nur Spiderweb genannt, weil es ihr nichts auszumachen scheint, wenn stetig Spinnen auf ihr herumkrabbeln, doch ist das nur einer von vielen Punkten, der sie als Außenseiterin und merkwürdig brandmarkt. Das allerdings macht Ethan herzlich wenig aus und während es ihm anfänglich genügt, des Morgens neben ihr im Schulbus zu sitzen, fasst er sich eines Tages ein Herz, sie anzusprechen. Man ahnt, was alsbald passiert, denn endlich einmal wieder ist der Name Programm und durchaus wörtlich zu nehmen, was zu einer nicht nur schockierenden, sondern natürlich auch bewusst explizit und eklig geschilderten Situation führt, die Spiderweb ihr bis dato unversehrtes Gesicht kostet und Ethan auch einige Fleischbrocken und Hautfetzen ins Gesicht schleudert.

Damit ist es aber freilich längst nicht getan und das explodierende Gesicht bleibt auch kein Einzelfall, denn das scheint bei Spiderweb genetisch bedingt, auch wenn sich sowohl Ethan als auch die Eisdielen-Angestellten schnell an die Sache gewöhnen. Ich muss gestehen, mich schnell bei der Frage ertappt zu haben, wie man denn nun von dieser Prämisse ausgehend einen ganzen – wenn auch kurzen – Roman drum herum stricken kann und hier offenbaren sich dann die Fähigkeiten und die Expertise von Mellick III, denn tatsächlich hat er noch einiges mehr in petto für diese merkwürdige wie absurde Liebesgeschichte, ohne dafür die Ausgangslage ad absurdum führen zu müssen. Absurd ist diese freilich vom ersten Moment an, wobei das Umfeld von Spiderweb und Ethan längst nicht so entspannt mit dem stetig verheerten und behelfsmäßig wieder zusammengeflickten Gesicht des Mädchens hat, während sich auch bei Ethan Zweifel zu regen beginnen, ob es die Sache wert ist. Freilich mag das alles – auch in den Formulierungen und Schilderungen, die ja aber nun einmal einem Teenager nachempfunden sind – keine hoch anspruchsvolle Literatur sein, aber ungemein schnittig formuliert und eben genauso derb und abstrus, wie man es sich erwarten würde.

Die neuen Hautstücke überlappen sich nicht oder weisen an peinlichen Stellen Beulen auf. Wenn alles abgeheilt ist, werden nicht viele Narben zu sehen sein. Sie wird immer noch zusammengeflickt aussehen, aber ihre Haut wird glatt sein. Wer auch immer der Doktor war, der sie zusammengesetzt hat, er muss ein wahrer Meisterchirurg sein.

Vor allem aber punktet Mellick III damit, bis zuletzt bei der Stange halten zu können, denn bei den Haken, die die Story des Buches zuweilen schlägt, hätte man auch schnell ins Belanglose und Redundante abdriften können, wohingegen der Autor seine absonderliche Idee bis ins letzte Detail durchexerziert, woraus sich interessante Wendungen und Konsequenzen ergeben, die zu einem kompromisslos fatalistischen Ende hinleiten. Überzeugend zudem auch, dass der Kurzroman sowohl von einem Vor- als auch Nachwort umrahmt wird, denn einerseits erfährt man so ein wenig mehr zu der Intention und darf andererseits mit Faszination feststellen, dass tatsächlich Jedes Mal, wenn wir uns in der Eisdiele treffen, explodiert dein verdammtes Gesicht noch die Kurzform des Titels gewesen ist, denn ursprünglich schwebte Mellick III etwas deutlich Weitschweifigeres vor, auch wenn man in Frage stellen darf, inwieweit das wirklich ernst gewesen ist. Gerade dieses Unstete durchzieht aber auch die gesamte Erzählung und macht sie dadurch umso faszinierender, denn es gehört schon einiges an Schneid dazu, eine dergestalt bizarre Geschichte nicht nur auf Papier, sondern auch in Umlauf zu bringen. Wer also einmal Lust hat auf eine ganz und gar andersartige Liebesgeschichte und sich ähnlich wie ich von dem Titel allein wie magisch angezogen fühlt, dem kann ich versichern, dass man genau das bekommt, was die Aufmachung verspricht.

Fazit & Wertung:

Carlton Mellick III präsentiert mit Jedes Mal, wenn wir uns in der Eisdiele treffen, explodiert dein verdammtes Gesicht einen knackig inszenierten, vor bizarren und skurrilen Zusammenhängen strotzenden Kurzroman. Bei dem ist einerseits der Name Programm, die Prämisse andererseits wird aber im weiteren Verlauf konsequent weitergedacht, was die Absurdität und das Anarchische des Geschilderten noch zu steigern imstande ist.

8 von 10 sich in der Gegend verteilenden Gesichtsfetzen

Jedes Mal, wenn wir uns in der Eisdiele treffen, explodiert dein verdammtes Gesicht

  • Sich in der Gegend verteilende Gesichtsfetzen - 8/10
    8/10

Fazit & Wertung:

Carlton Mellick III präsentiert mit Jedes Mal, wenn wir uns in der Eisdiele treffen, explodiert dein verdammtes Gesicht einen knackig inszenierten, vor bizarren und skurrilen Zusammenhängen strotzenden Kurzroman. Bei dem ist einerseits der Name Programm, die Prämisse andererseits wird aber im weiteren Verlauf konsequent weitergedacht, was die Absurdität und das Anarchische des Geschilderten noch zu steigern imstande ist.

8.0/10
Leser-Wertung 10/10 (1 Stimmen)
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von Festa.

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Jedes Mal, wenn wir uns in der Eisdiele treffen, explodiert dein verdammtes Gesicht ist am 23.06.2020 bei Festa als Privatdruck ohne ISBN erschienen und kann über die verlinkte Verlagshomepage bezogen werden. Darüber hinaus existiert eine eBook-Variante für die unterschiedlichen Endgeräte. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den folgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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