So, schon wieder was später aber im Grunde auch die passende Uhrzeit, sich der nachfolgenden Serie zu widmen, die seit jeher – und völlig zurecht – die Gemüter spaltet.
You
Du wirst mich lieben
Staffel 3
You, USA 2018-, ca. 45 Min. je Folge
© Netflix
Greg Berlanti
Sera Gamble
Sera Gamble
Sarah Schechter
Greg Berlanti
Leslie Morgenstein
Gina Girolamo
Victoria Pedretti (Love Quinn)
Saffron Burrows (Dottie Quinn)
Tati Gabrielle (Marienne Bellamy)
Shalita Grant (Sherry Conrad)
Travis Van Winkle (Cary Conrad)
Scott Speedman (Matthew Engler)
Marcia Cross (Jean Peck)
Ben Mehl (Dante Ferguson)
Chris O’Shea (Andrew)
Bryan Safi (Jackson)
Christopher Sean (Brandon)
Shannon Chan-Kent (Kiki)
Scott Michael Foster (Ryan Goodwin)
Kim Shaw (Nurse Fiona)
Krimi | Drama | Thriller
Trailer:
Inhalt:
© Netflix
Nach jüngsten Ereignissen sind Joe und Love als frisch verliebtes Pärchen mit Familienzuwachs in einen Vorort von San Francisco gezogen und dort nun in der Spießbürgerlichkeit der gehobenen Gesellschaft angekommen. Als junge, übermüdete Eltern gelingt es ihnen zwar zunächst kaum, Kontakt zu den Gemeindemitgliedern und ihren Nachbarn zu knüpfen, doch ein paar helfende Worte eine angesehenen Influencerin lassen natürlich dennoch nicht lang auf sich warten. Ähnlich ergeht es Joe und seinen Verhaltensmustern, denn bei Love ist er schließlich nur seines Kindes zuliebe geblieben und wie es der Zufall will, scheint seine Traumfrau direkt im Haus nebenan zu wohnen. Bleibt nur die bange Frage, ob er seine Obsession vor seiner Ehefrau geheim halten kann, die ja schließlich – wie Joe mittlerweile weiß – ebenfalls vor Mord kaum zurückschreckt, wenn es um die eigene Familie geht…
Rezension:
Seit drei Wochen nun ist die dritte Staffel You – Du wirst mich lieben auf Netflix verfügbar und ich bin schon wieder durch mit den erneut zehn Episoden, die uns diesmal wieder kredenzt worden sind. Umso schöner, dass ich seinerzeit beschlossen habe am Ball zu bleiben, denn während der ersten, noch vergleichsweise geradlinig und erzählerisch auch durchaus bedenklichen Staffel hatte ich doch zwischenzeitlich überlegt, die Serie ad acta zu legen. Dabei hat sie sich in ihrem zweiten Jahr nicht nur signifikant gesteigert, was Storytelling und vor allem die satirische, parodistische Ader anbelangt, nein, sie legt nun im dritten Jahr noch eine gehörige Schippe drauf, nimmt alles, was die ersten beiden staffeln gut gemacht hat, vermengt, verdreht und überhöht es und heraus kommt, was man sich dieser Tage beim bekannten Streaming-Dienst ansehen kann: eine unerhört einfallsreiche und wendungsreiche Staffel, deren zahllose Twists sich kaum an zwei Händen abzählen lassen und die aus der verqueren Weltsicht eines Stalkers und Killers einige beißende Gesellschaftskommentare abgibt und erneut in die ungewöhnliche bis unbequeme Situation bringt, Sympathie für ein echtes Scheusal zu empfinden.
© Netflix
Irritierend dabei ist eigentlich nur, dass You bis auf eine Ausnahme ohne Trigger-Warnungen oder dergleichen auskommt, denn selbstredend ist es auch in der dritten Staffel eine Gratwanderung, die Story aus der Sicht eines dergestalt fehlgeleiteten und verblendeten Psychopathen zu erzählen, gleichwohl der sich langsam aber sicher auf einen Weg der Läuterung zu begeben scheint. Hier allein machen es sich die Autor*innen ein wenig einfach, indem sie das Maß der Sympathie dahingehend zu verlagern, suchen, dass Joes frisch Angetraute Love eben eine noch weitaus skrupellosere Killerin zu geben vermag, denn bekanntermaßen ist auch sie bereit, über Leichen zu gehen, um ihr persönliches Glück – oder nun das ihrer jungen Familie – zu schützen. Das allein – zwei Killer unter einem Dach, die sich belauern und umkreisen – mag für sich genommen nicht neu oder innovativ sein, aber die Kombination aus Vorstadthölle, in deren trendbewusster Oberflächlichkeit sich die beiden nun behaupten müssen, während sie voller Verachtung sind für alles, was diese Menschen ausmacht, ist inszenatorisch einfach wahnsinnig gelungen und noch bösartiger und biestiger als Joes Blick auf die Hipster-Klientel in Los Angeles in der Staffel zuvor.
Ebenfalls schön ist auch, wie es den Verantwortlichen gelingt, gleich mehrfach auf falsche Fährten zu führen, denn bereits die finalen Szenen der vorangegangenen Staffel ließen ja bereits erahnen, dass Joe ein neues Love-Interest finden würde, doch ganz so einfach ist es hier zunächst nicht und schnell wird deutlich, dass zwei Mörder sich nur schwerlich gänzlich unter dem Radar bewegen können, wenn sie in einer Vorstadt-Idylle residieren, in der jeder den anderen beäugt, bewertet und beobachtet. Und tatsächlich ist die dritte Staffel You auch erstmalig darauf ausgelegt, gleich zwei Killern eine Bühne zu bieten, was zeitweise so weit reicht, dass man auch Loves innerem Monolog lauschen kann, was sich allerdings auf wenige, ausgewählte Momente beschränkt. Während also Penn Badgley (Einfach zu haben) ein weiteres Mal als Joe Goldberg überzeugt und neue Facetten an der Figur offenbart, schwingt sich Victoria Pedretti mühelos – und mehr noch als zuvor – zum Co-Star der Show auf, die darüber hinaus natürlich mit einem gänzlich neuen Ensemble – der vereinten Vorstadt-Entourage – und einigen wenigen alten Bekannten – Loves Mutter Dottie (Saffron Burrows, Mozart in the Jungle) – aufwartet. Über viele der Figuren lässt sich leider kaum sprechen, ohne nicht auch deren Bewandtnis und Bedeutung innerhalb der ungemein wendungsreichen Staffel vorwegzunehmen, doch fest steht, dass man es erneut mit einer ganzen Schar überzeichneter, karikaturesker Zerrbilder echter Menschen zu tun bekommt, was erneut das satirische Flair der Serie unterstreicht, die dadurch natürlich auch ihr übergeordnetes Thema – ein Stalker und Serienkiller, und wie er die Welt sieht – ein wenig zu entkräften wissen.
© Netflix
Umso irritierender, dass man hier auch weiter mit Rückblenden arbeitet, die den Missbrauch an Joe im Kindesalter thematisieren, was ein wenig wirkt wie eine schale Entschuldigung für sein Tun, derweil man weit besser bedient damit wäre, dass Ganze als beißenden Gesellschaftskommentar und nicht etwa eine ernstzunehmende Charakterstudie zu inszenieren, die ein Monster vermenschlicht. Nicht nur, was das angeht, lassen sich freilich noch immer auch gewisse – nein, besser: diverse – Parallelen zu Dexter nicht von der Hand weisen, aber dennoch geht You mit jeder neuen Staffel mehr und merklich eigene Wege, selbst wenn sich mancher erzählerische Kniff (der innere Monolog) oder das Setting (Killer in der Vorstadt) gleichen mögen. Umso irritierender, dass sich im ansonsten fulminanten Finale der Staffel eine Art Rückschritt andeutet, den es so nicht gebraucht hätte und der auch nicht unbedingt die Vorfreude auf die vierte – unlängst bestätigte – Staffel erhöht, denn vieles von dem, was die Serie mit jedem Jahr besser und ausgereifter hat werden lassen, könnte womöglich ad acta gelegt werden, derweil ja immerhin aber auch das vorangegangene Staffelfinale eine falsche Fährte dahingehend gelegt hat, wie es wohl weitergehen würde in der Show. Ich bleibe also dezent zuversichtlich und durchaus gespannt, was den Macher*innen für Joe Goldberg als nächstes einfallen wird.
You – Du wirst mich lieben | Staffel 3
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Stalking-Methoden - 8.5/10
8.5/10
Fazit & Wertung:
Mit der dritten Staffel You – Du wirst mich lieben gelingt es den Verantwortlichen, die Qualitäten beider vorangegangener Staffeln zu verquicken und eine ungemein wendungs- und einfallsreiche Geschichte zu erzählen, die vor beißender Satire und kaum verhohlenen Seitenhieben nur so strotzt.
Episodenübersicht: Staffel 3
02. Ich bin also mit einer Axtmörderin verheiratet (8,5/10)
03. Missing White Woman Syndrome (8/10)
04. Hands Across Madre Linda (8,5/10)
05. Im Wald (8/10)
07. Wir sind hier alle verrückt (8/10)
08. Versuch macht klug (8,5/10)
09. Alarmzeichen (8,5/10)
10. Was ist Liebe? (9/10)
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You – Du wirst mich lieben | Staffel 3 ist seit dem 15.10.21 exklusiv bei Netflix verfügbar.