Hier bin ich schon wieder mit einem Film, über den ich schon früher hätte schreiben wollen und der mich ziemlich begeistert hat. Jetzt wird es aber schon fast wieder Zeit, mich aufzuraffen, denn heute steht endlich mal wieder ein Brettspielabend an und zu dem begebe ich mich nun.
Der Rausch
Druk, DK/SE/NL 2020, 117 Min.
© LEONINE
Thomas Vinterberg
Thomas Vinterberg
Tobias Lindholm
Mads Mikkelsen (Martin)
Thomas Bo Larsen (Tommy)
Magnus Millang (Nikolaj)
Lars Ranthe (Peter)
Maria Bonnevie (Anika)
Helene Reingaard Neumann (Amalie)
Susse Wold (Rektor)
Drama | Komödie
Trailer:
Inhalt:
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Martin bewegt sich im immer gleichen Trott wie schlafwandelnd durch sein Leben, wirkt unkonzentriert, abwesend, desinteressiert. Das führt soweit, dass eine Schulkonferenz einberufen wird, weil die Schüler sich von ihm als Geschichtslehrer nur unzureichend auf die Prüfungen vorbereitet fühlen. Bei einer Geburtstagsfeier mit seinen Freunden und Kollegen Tommy, Nikolaj und Peter kommt dann allerdings die Theorie des norwegischen Philosophen Finn Skerderund auf den Tisch, der behauptet, dass der Mensch mit einem Blutalkoholwert geboren wird, der ein halbes Promille unter dem Optimum liegt und der zunächst zurückhaltende Martin lässt sich überreden, gemeinsam den Selbstversuch zu wagen. Fortan gilt es, einen möglichst konstanten Wert von 0,5 Promille zu halten, wobei sie die Erkenntnisse schriftlich festzuhalten gedenken, denn schließlich handelt es sich um ein ernstgemeintes Experiment und nicht etwa um einen Vorwand, schon morgens Schnaps zu trinken, wie sie es bald allesamt tun. Tatsächlich sorgt die frühmorgendliche Beschwingtheit zunächst dafür, dass Martin seine Schüler*innen neu zu begeistern weiß und auch seine Frau Trine ist durchaus angetan von der frisch entfachten Leidenschaft ihres Mannes. Bald allerdings kommt auch die Frage auf, ob der Philosoph sich geirrt haben könnte und der ideale Blutalkoholwert womöglich noch höher liegt. Im Dienste der Wissenschaft gilt es, dieser Annahme nachzugehen…
Rezension:
Geschlagene achteinhalb Jahre ist es nun her, dass mich ein gewisser Thomas Vinterberg mit Die Jagd zu begeistern gewusst hat und entsprechend war schnell meine Neugierde geweckt, als ich das erste Mal von Der Rausch Kenntnis nahm, der nun eben auch den Regisseur und Drehbuchautor Vinterberg mit Schauspieler Mads Mikkelsen zusammenführt, der schon das eingangs genannte Werk zu einem emotional eindrücklichen Film gemacht hat. Nun spricht eine erfolgreiche Zusammenarbeit nicht automatisch für eine weitere von ähnlicher Güte doch in diesem Fall sieht sich die Annahme bestätigt, denn Vinterberg und Mikkelsen gelingt ein eindrückliches Portrait einer Gesellschaft, die gleichsam vom Alkoholkonsum beflügelt, im selben Maße aber auch verdammt wird. Das führt zu einer Gratwanderung, die den Film zu einem Paradebeispiel einer Tragikomödie werden lässt, denn nach anfänglich euphorischer Hochstimmung brechen sich selbstredend auch zunehmend Probleme im Alltag Bahn, die sich mitnichten mit (noch mehr) Alkohol lösen lassen, was zunehmend die tragische und fatalistische Komponente offenbart, die einer Erzählung wie dieser zwangsläufig innewohnt.
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Dennoch bleibt Thomas Vinterberg (Am grünen Rand der Welt) dabei, ein grundsätzlich lebensbejahendes, optimistisches, wohlwollendes Werk zu schaffen, das sich in seinen besten Momenten dem weiten Feld der Feel-Good-Movies zuordnen ließe und auch als Buddy-Komödie eine glänzende Figur macht. Die Hintergründe für diesen offenkundigen Optimismus sind dabei ungleich tragischerer Natur, denn vier Tage nach Drehbeginn verstarb Ida Maria, die Tochter von Thomas Vinterberg, bei einem Autounfall und was ursprünglich ein "weit wütenderer" Film hätte werden sollen, stand zwischenzeitlich gänzlich auf der Kippe, bis Vinterberg zurückkehrte, das Skript überarbeitete und auf eine lebensbejahendere Konnotation brachte. Der Film ist Ida Maria gewidmet und obwohl die Tragödie im Film mit keinem Wort thematisiert wird, erklärt sich die unterschwellige Melancholie und Emotion, die allem innewohnt, was Protagonist Martin widerfährt, dessen Tochter ursprünglich von Ida Maria hätte gespielt werden sollen.
Überhaupt ist Martin der Kern im Geflecht der Ausschweifungen, derjenige, der zunächst skeptisch ist, doch auch derjenige, der sich bereitwillig hingibt, während es seine Freunde in die eine oder andere Richtung übertreiben, so dass man bei ihm noch am ehesten das Gefühl hat, er begreife das richtige Maß, könnte die Waage, die Balance halten, was natürlich – schon der Natur der Sache nach- ein Trugschluss ist. Und dennoch, Der Rausch ist nicht anklagend und verurteilend, auch wenn eine Kritik unweigerlich mitschwingen muss, wobei das teils so unterschwellig geschieht, dass oberflächliche Betrachter meinen würden, es stelle eine Ode an den Alkoholismus dar. Und tatsächlich, wenn Mads Mikkelsen (Hannibal) zu den Klängen von What a Life das Tanzbein schwingt, dann kommt das einem Befreiungsschlag gleich, doch lässt dieser nicht vergessen, was zuvor geschah und das Alkohol nie eine Lösung, sondern stets nur Katalysator und Verstärker sein kann.
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Man kann eigentlich nur staunen, wie ernst Vinterberg seine Prämisse nimmt, denn auf den ersten Blick mag die Theorie Skerderund, uns "fehle" ein halbes Promille, natürlich grenzenlos albern wirken, doch ebenso ernst, wie das Freundes-Quartett sich der Angelegenheit nähert, inszeniert auch der Regisseur die Ausschweifungen mit dem wissenschaftlichen Anspruch. So ist Der Rausch eine Ode an die Freude aber gleichsam auch ein mahnendes Beispiel, denn spätestens wenn die Dosis erhöht wird, die Stimmung kippt, ahnt auch noch der Letzte, dass das mitnichten für alle ein gutes Ende nehmen kann. Dabei stört es weniger, dass die Reise in vielen Punkten vorgezeichnet scheint und viele der späteren Entwicklungen nicht wirklich überraschen, denn fernab der doch eher konventionellen Dramaturgie überzeugen auch hier wieder umso mehr die Darsteller und in dem fall die vier Freunde, die in eine Midlife-Crisis der eher ungewöhnlichen Sorte schlittern, dabei aber auch vermehrt den Zauber der Jungend heraufzubeschwören wissen, als man noch unbeschwert und angeheitert das Leben zelebriert hat, was auch dem Film in seinen besten Momenten bravourös gelingt.
Der Rausch
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Geheime Alkoholvorräte - 8.5/10
8.5/10
Fazit & Wertung:
Thomas Vinterberg und Mads Mikkelsen erweisen sich auch bei Der Rausch als unschlagbares Duo, denn gemeinsam schaffen sie eine Tragikomödie par excellence, die einerseits den Reiz des Alkohols in einer beispiellosen Tour de Force vermitteln, aber auch dessen Schattenseiten nicht verhehlen.
Der Rausch ist am 26.11.21 auf DVD und Blu-ray bei Weltkino Filmverleih im Vertrieb von LEONINE erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!