Heute mal wieder ein typischer Donnerstagsvertreter von Film, also irgendwie leider nicht so berauschend. Richtig schlecht fand ich die Adaption zwar auch nicht, aber weit hinter ihren Möglichkeiten, wie ihr nachfolgend werdet lesen können.
Der Anruf
All the Old Knives, USA 2022, 101 Min.
© Amazon Studios
Janus Metz
Olen Steinhauer (Drehbuch & Buch-Vorlage)
Chris Pine (Henry Pelham)
Thandiwe Newton (Celia Harrison)
Laurence Fishburne (Vick Wallinger)
Jonathan Pryce (Bill Compton)
Mystery | Thriller
Trailer:
Inhalt:
© Amazon Studios
Im Jahr 2012 wird ein Passagierflugzeug von einer Handvoll islamistischer Terroristen gekapert, entführt und zur Landung in Wien gezwungen. Die Verhandlungen dort erweisen sich als schwierig, weil allein die Situation an Bord nicht bekannt ist und viele im Dunkeln tappen. Einzig die CIA hat Kontakt zu einem Informanten im Flugzeug, dessen Identität sie allerdings nicht einmal den Österreichern preisgeben. Und dennoch wird der Informant alsbald enttarnt und von den Terroristen erschossen. Was folgt, ist eine Tragödie beispiellosen Ausmaßes, denn kurz darauf kommen mehr als einhundert Passagiere, die Crew und die Terroristen ums Leben. Die Frage, ob es einen Maulwurf bei der CIA gegeben hat oder wie der Informant hat enttarnt werden können, bleibt trotz intensiver Untersuchungen offen und der Fall landet zunächst bei den Akten. Sechs Jahre später allerdings wird CIA-Agent Henry Pelham darauf angesetzt, seine ehemalige Kollegin Celia Harrison erneut zu befragen, um herauszubekommen, ob sie eventuell die Verräterin ist, was ihn zu einer sofortigen Elimination legitimeren würde. Pikant dabei, dass die beiden ein Liebespaar gewesen sind. Alsbald treffen sich die beiden in einem vornehmen, aber wenig besuchten Restaurant und beginnen, den Fall – und ihre gemeinsame Vergangenheit – neu aufzurollen…
Rezension:
Ich habe nun jüngst die Literaturverfilmung Der Anruf nachgeholt, die sich schon einmal dadurch auszeichnet, dass der Autor der Romanvorlage, Olen Steinhauer, sich auch an das Skript zum Film begeben hat, was ja zunächst einmal für eine gewisse Vorlagentreue und im besten Fall auch Güte eines Films spricht. Leider aber ist die Adaption ein doch sehr zweischneidiges Schwert geworden, denn vieles von dem, was sicherlich im Buch gut funktioniert haben mag, tut das im Film entweder weniger gut oder hätte schlichtweg überzeugender umgesetzt werden können. Sieht man nämlich von der initialen Tragödie um das Flugzeug ab, sind die zahlreichen Rückblenden leider oftmals alles andere als spannend geraten, zumal es sich stets um vergleichsweise fragmentarische Eindrücke und Momente handelt, ohne dass ein wirklicher Erzählfluss zustande käme, weil man dann wieder in die Gegenwart zurückspringt. Die wiederum ist außerordentlich gelungen und als waschechtes Kammerspiel im Restaurant inszeniert, woraus man definitiv noch mehr hätte machen können, sähe man hier den Fokus der Erzählung (was aber für Regisseur Janus Metz wohl eher nicht der Fall gewesen ist).
© Amazon Studios
Dabei funktioniert das Katz-und-Maus-Spiel zwischen den beiden Protagonisten über alle Maßen gut und lässt tatsächlich über so manche dramaturgische und erzählerische Schwäche hinwegsehen, denn nicht nur haben wir es ohne Frage mit zwei talentierten Darstellern zu tun, nein, die Chemie ist auch noch als superb zu bezeichnen und so überzeugt und punktet Der Anruf immer gerade dann, wenn die beiden sich im Gespräch befinden oder in Rückblenden ihre alte Romanze wiederaufleben lassen. Dazwischen aber gibt es leider einiges an Leerlauf und auch wenn man wohlwollend davon sprechen kann, hier einen Agenten-Thriller der alten Schule vorgesetzt zu bekommen – Action im klassischen Sinne wird man hier vergeblich suchen – ist ein Teil der Wahrheit eben auch, dass hier vieles schlichtweg dröge gerät, zumal man als Zuschauer längst weiß, dass es zu nichts führen wird, denn sonst wäre der Fall ja wohl schließlich nicht sechs Jahre zuvor zu den Akten gelegt worden. Da bleiben dann auch die beiden namhaften Nebenrollen, immerhin verkörpert von Laurence Fishburne (Hannibal) und Jonathan Pryce (The Man Who Killed Don Quixote), auffallend blass.
Umso mehr brillieren dafür Chris Pine (Hell or High Water) und Thandiwe Newton (Westworld), deren Zusammenspiel sowohl auf der Rückblenden-Vergangenheits- als auch der Gegenwarts-Ebene überzeugt und wahrscheinlich den dringendsten Grund darstellt, dem Film eine Chance zu geben, denn für den ausgeklügelten Agenten-Thriller und die damit einhergehende Aufklärungs- und Ermittlungsarbeit braucht man hier eigentlich nicht an Bord kommen. Aufmerksame Betrachter*innen – oder all jene, die sich dem Genre nicht gänzlich unwissend nähern – werden dann auch die Twists, die sich im dritten Akt entfalten, nicht sonderlich überraschend vorkommen, wobei hier die Ausführung schon weitaus gelungener ist als weite Strecken im Mittelteil des Gezeigten und sei es nur, weil hier die kammerspielartige Gegenwartshandlung zunehmend in den Vordergrund rückt.
© Amazon Studios
So rätsele ich selbst noch immer mit mir, wie man nun einen Film wie Der Anruf bewerten sollte, denn während ich nach vielversprechendem Start schnell den Fokus verloren und mich tendenziell beinahe gelangweilt habe, vermag der finale Akt in all seiner dramatischen Wucht doch weitestgehend zu begeistern, wenn man denn bis hierhin eben nicht längst das Interesse verloren und im schlimmsten Falle abgeschaltet hat. Da ein Großteil der Faszination des Films aber auf den Schultern von Newton und Pine ruht, ließe sich wohl am ehesten festhalten, dass dem Film eine Chance geben sollte, wer den beiden etwas abgewinnen kann, wobei natürlich auch Genre-Präferenzen eine Rolle spielen sollten. Wichtig ist hierbei dann auch das Wissen um die zu bändigende Erwartungshaltung, so dass ich ausnahmsweise den deutschen Titel auch durchaus sinnvoll finde, denn All the Old Knives dürfte allein aufgrund der Stichwaffe im Namen gänzlich falsche Erwartungen wecken, was man von einem Anruf nun eben nicht gerade behaupten kann. Am Ende bleibt ein überzeugendes Zwei-Personen-Charakter-Drama, dem das Korsett eines Agentenfilms nun nicht gerade guttut und das mit ein paar Straffungen hie und da wahrscheinlich besser gefahren wäre. Für den gelungenen Schlussakt gibt es dennoch eine eingeschränkte Empfehlung von mir.
Der Anruf
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Alte Wunden - 6/10
6/10
Fazit & Wertung:
Mit Der Anruf verfilmt Regisseur Janus Metz den gleichnamigen Roman von Olen Steinhauer, der hier auch das Drehbuch beigesteuert hat. Leider funktioniert die Adaption eines dialoglastigen Kammerspiels auf die Leinwand nur bedingt, wobei es dem Duo Chris Pine und Thandiwe Newton zuzurechnen ist, dass der Film noch immer manch starken Moment zu verzeichnen hat und mit einem intensiven Schlussakt punktet, der aber über den müden Mittelteil nur mäßig hinwegtröstet.
Der Anruf ist seit dem 08.04.22 exklusiv bei Amazon Prime verfügbar.