Ob es daran liegt, dass zumindest die letzten zwei Filme absoluten Mainstream bedient haben, vermag ich nicht zu sagen, denn wenn mich Giamatti auch nicht ausnahmslos in dieser Indie-Dramödie zu überzeugen wusste, geht es doch zumindest qualitativ merklich bergauf.
Barney’s Version
Barney’s Version, CA/IT 2010, 134 Min.
© Universal Pictures
Richard J. Lewis
Michael Konyves (Drehbuch)
Mordecai Richler (Buch-Vorlage)
Rosamund Pike (Miriam Grant-Panofsky)
Minnie Driver (The 2nd Mrs. P)
Scott Speedman (Boogie)
Dustin Hoffman (Izzy Panofsky)
Komödie | Drama
Trailer:
Inhalt:
© Universal Pictures
Barney Panofsky verdingt sich als Produzent einer langlebigen wie debilen TV-Soap, lebt allein, trinkt zu viel und ist innerlich zerfressen. Als ein Detective, der seit Jahren versucht hat, ihm einen Mord anzuhängen, nun ein Buch über den Fall veröffentlicht hat, kocht Barney innerlich, beginnt aber auch im beinahe selben Atemzug, sich an seine Zeit in Rom zu erinnern, wo er seine erste Ehefrau kennenlernte und mit seinem besten Freund Boogie noch die Nächte durchzechte. Von dort ausgehend durchlebt er die einzelnen Stationen seines Lebens erneut, das tragische Ende seiner ersten Ehe, seine zweite Heirat und wie er noch während der Hochzeitsfeier seine wahre Liebe traf, während Boogie – ebenso wie sein quirliger und unangepasster Dad Izzy – ihm stets treu zur Seite standen, während Barneys Gegenwart derweil weitaus trübsinniger aussieht…
Rezension:
Bei dem von Richard J. Lewis inszeniertem Barney’s Version, seines Zeichens Verfilmung eines Romans von Mordecai Richler habe ich verhältnismäßig lange gezögert, war jedoch stets überzeugt, dass der Film mich schon – allein aufgrund von Paul Giamatti (Love & Mercy) – in seinen Bann zu ziehen wüsste, doch derweil dem auch so war, muss ich zugestehen, dass das Werk doch deutlich hinter seinen Möglichkeiten oder zumindest meinen Erwartungen zurückgeblieben ist. Erzählt wird im Grunde die Lebensgeschichte von Barney und diese zieht sich von Italien in den Siebzigern bis in die Neunziger in Kanada, wobei sich der Film einer eigentlich recht eleganten Rückblendenstruktur bedient, die zwar anfänglich wirkt wie ein pures Mittel zum Zweck, alsbald aber durchaus ihre Qualitäten offenbart. Und wie das zu erwarten ist, steht stets der namensgebende Barney im Fokus und entsprechend entpuppt es sich als Glücksgriff, ausgerechnet den charismatischen Giamatti für die Rolle gewonnen zu haben, denn ihm allein ist es zu verdanken, dass die Tragikomödie im Kern doch immer funktioniert.
© Universal Pictures
Und es ist durchaus begrüßenswert, dass Barney’s Version sich fernab der Fahrwasser des Mainstream bewegt, doch missfiel mir weit mehr, dass es dem Skript nur selten gelingt, eine wirklich überzeugende Mischung aus Komödie und Drama zu schaffen, denn regelrecht witzig ist der Film tatsächlich sehr selten und die meisten Zeit von einer leisen Melancholie überfrachtet, die in ihrer teils nostalgischen Ausprägung natürlich durch den Rückblenden-Charakter vieler Szenen noch verstärkt werden. Das ließe sich aber ganz anders "genießen" wenn nicht von vornherein auch Barneys "Gegenwart" thematisiert würde und die sieht mehr als trostlos aus, derweil man sich nun vom Plot erwarten würde, Szenen spendiert zu bekommen, an denen Protagonist Barney sozusagen die falsche Abzweigung im Leben genommen hat, doch offenbart sich hier schnell ein gewisser Fatalismus, lässt sich schließlich nicht wirklich herausarbeiten, wo genau sein Leben aus dem Ruder zu laufen beginnt.
Von der narrativen Warte aus hätte das alles dennoch sehr interessant werden und sein können, doch schleichen sich bereits im Mittelteil ab und an kleinere Längen in die Geschichte, während man als Zuschauer des Öfteren mehr oder minder ausgeprägt an der Nase herumgeführt wird, worum genau es in Barney’s Version denn nun gehen soll. Was dem Film allerdings in meinen Augen regelrecht abträglich ist, ist so ziemlich das letzte Drittel der Geschichte, denn ungeachtet der tragikomischen Ausrichtung wird aufkeimender Humor hier doch im Keim erstickt und macht einer allumfassenden Tragik Platz, die zwar durchaus zu berühren weiß, ist Barney einem in der vorangegangenen Spielzeit trotz all seiner Charakterschwächen und -fehler merklich ans Herz gewachsen, aber eben auch in sehr krassem Gegensatz zum Rest des Geschehens steht, zumal letzte Entwicklungen der Figur an sich teils wie aus dem Hut gezaubert wirken.
© Universal Pictures
Immerhin vermag der Film auf Darsteller-Seite merklich Boden gut zu machen, wobei hier speziell Rosamund Pike (Gone Girl) als Barneys große Liebe zu nennen wäre, der er auf seiner zweiten Hochzeit nachzustellen beginnt und natürlich Dustin Hoffman als Barneys unangepasst-charmanter Vater, der noch jede Gesellschaft aufzumischen weiß und grundsätzlich kein Blatt vor den Mund nimmt. Dieses Triumvirat aus fähigen Darstellern allerdings vermag es auch nicht, darüber hinwegzutäuschen, dass aus Barney’s Version dem Gefühl nach noch deutlich mehr hätte werden können, denn so elegant die Rückblendenstruktur beispielsweise präsentiert wird, so unnötig ist sie doch in letzter Konsequenz, während der bewusste Wechsel zwischen Drama und Komödie nicht immer aufgeht und die Stationen in Barneys Leben mit einer teils unverständlichen Unverhältnismäßigkeit gewichtet werden, was den Film dramaturgisch leider extrem durchwachsen wirken lässt, so sehr er mich letztlich auch emotional zu berühren gewusst hat; ein klassischer Verstreter der Sparte "hätte ich gerne (noch) besser gefunden" also.
Barney's Version
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Stationen im Leben - 6.5/10
6.5/10
Kurzfassung
Paul Giamatti gibt sich in Barney's Version keine Blöße und verkörpert den eigensinnigen Pessimisten mit gehörigem Gespür für Timing und Ausstrahlung, wächst einem somit schnell ans Herz, wohingegen die eigentliche Geschichte hier kaum mithalten kann und nicht nur einige Längen aufweist, sondern durch die Rückblendenstruktur unnötig verschachtelt wirkt, derweil die Gratwanderung zwischen Drama und Komödie anfänglich noch funktioniert, die leichtfüßig-humorige Note aber irgendwo auf dem Weg verloren geht. Schade, denn Idee, Ansätze und Darsteller sind gut, aber irgendwie fehlte mir hier noch ein Schuss Esprit.
Barney’s Version ist am 17.11.11 auf DVD und Blu-ray bei Universal Pictures erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!
Na, da sind wir uns aber ausnahmsweise mal ziemlich uneinig, denn für mich wäre der Film ein glatter 10er, würde er nicht gegen Ende in völlig überflüssige Erklärwut bzgl. Dingen verfallen, die man als halbwegs intelligenter Zuschauer auch so durchschaut. Wobei ich sagen muß, daß ich den Film bei der Zweitsichtung noch deutlich besser fand als bei der ersten – vielleicht ist das auch eine Frage der Erwartungshaltung, denn deine Kritikpunkte klingen ja eigentlich auch eher danach, daß du etwas anderes vom Storyverlauf erwartet/gewollt hast. Insofern empfehle ich dir auf jeden Fall eine Zweitsichtung irgendwann! :-)
Übrigens, du gehst ja nicht genauer darauf ein, welche “letzten Entwicklungen” du “aus dem Hut gezaubert” findest, aber man muß auf jeden Fall berücksichtigen, daß speziell die Rückblenden ja durch Barneys Erzählung sehr subjektiv gefärbt sind. Insofern fand ich am Ende eigentlich nichts unglaubwürdig, weil es sich dadurch und durch die Entwicklung, die wir hier nicht spoilern wollen (auch wenn ich sie in meiner eigenen Blog-Rezension nenne), gut erklären läßt.