So, heute melde ich mich auch wieder etwas früher, weil es mich gleich noch nach draußen treibt. Diesmal soll es wieder ein Buch sein, schließlich liegen hier noch einige rum und warten auf ihre Rezension. Dieses hier, habe ich mal wieder geschenkt bekommen und zwar von Blogg dein Buch, das war sehr nett.
Paranoia
Paranoia, DE 2012, 349 Seiten
© Aufbau Verlag
Robin Felder
Aufbau Verlag
978-3-746-62806-6
Drama
Inhalt:
Conrad Peng ist jüngst in dem Consultant-Unternehmen Lutz & Wendelen ein weiteres Mal befördert worden und ist auf dem besten Weg, um Partner zu werden. Ein weiter Weg liegt hinter ihm und er hat es weit gebracht seit seiner verstörenden Kindheit als Findelkind. Aus dieser resultieren auch seine wechselnde, aber stets präsente Dauer-Medikation, seine Abgebrühtheit und sein desillusioniertes Verhalten, das keinen Platz lässt für Träumereien und Hirngespinste, sondern abgeklärt und zynisch ist. Peng ist ein klassischer Einzelgänger und mit sich selbst alles andere als im Reinen und einzig der Kontakt zu Fynn – ebenfalls Findelkind – gibt ihm ein wenig Halt und Beständigkeit, weil Conrad sich aufopferungsvoll um ihn kümmert, um zu verhindern, dass er dieselben traumatischen Erfahrungen macht wie er selbst.
Doch niemand kann Conrad Peng vor sich selbst beschützen und als er beginnt, immer längere Black-Outs zu haben, leidet nicht nur sein Job darunter sondern bald schon seine geistige Verfassung und Zurechnungsfähigkeit.
Rezension:
Der Autor Robin Felder skizziert schon auf den ersten Seiten von Paranoia mit gezielten Worten ein regelrechtes Arschloch, einen Zyniker vor dem Herrn, der Menschen aufgrund ihrer Optik in Kategorien einteilt, für menschliche Sentimentalitäten kein Verständnis hat und sich auch gerne über die Consulting-Branche abfällig äußert – in der er freilich selber tätig ist. Seine abgefeimte Art ist es aber auch, die ihn im Job so weit nach vorn gebracht hat und dies scheint auch sein oberstes Ziel zu sein: Erfolg, Erfolg, Erfolg. Erst allmählich kristallisieren sich Konturen im Charakter Conrads heraus, die ihn menschlich erscheinen lassen und auch eine gewisse Art von Verständnis für sein Verhalten erzeugen, doch diese Einsprengsel werden kaum mehr als angedeutet und es ist dem Ich-Erzähler Conrad Peng, der uns von Anfang bis Ende durch seine Geschichte führt, sichtlich unangenehm, insbesondere über seine Erfahrungen im Heim zu sprechen.
Deutlichster Kontrapunkt zu seinem Zynismus und seinem opportunistischen Gehabe in Paranoia ist Conrads Verhältnis zu Fynn, einem Findelkind, um dass er sich rührend kümmert, dem er Geschenke macht, ihn ins Kino einlädt und ein offenes Ohr für seine Sorgen und Nöte hat. Plötzlich wirkt die Figur wie verwandelt, ohne dass es zu einer Diskrepanz zwischen seinen beiden Gesichtern kommt. Zu Beginn also wirkt die Geschichte noch etwas ziel- und planlos, Conrad lebt vor sich hin, telefoniert mit seinem Zögling, trifft Mandanten, schläft mit seiner Haushälterin. Doch dann beginnen seine Black-Outs und sein vormals sorgsam geordnetes Leben gerät merklich aus den Fugen. Schiebt er es anfangs auf Alkohol und Übernächtigung, leistet er sich alsbald einen unverzeihlichen Fauxpas während eines Akquise-Termins und zieht den Zorn seiner Vorgesetzten auf sich.
Je mehr sich der Protagonist nun in weiterer Folge in seinen eigenen Unzulänglichkeiten verstrickt, umso heftiger beginnt er mit den Armen zu rudern und schlittert immer tiefer ins Verderben, während er ganz langsam aber sicher das Vertrauen in sich selbst verliert. Paranoia präsentiert sich dabei von vorne bis hinten sprachlich brillant, präzise und um keine Direktheit verlegen. Unser Erzähler Conrad Peng unterhält zudem mit einigen recht klaren Ansichten, was bestimmte Eigenheiten menschlichen Denkens und Fühlens angeht und liefert hier mehr als Allgemeinplätze, sondern konkrete Äußerungen, die zwar schwarzhumorig, doch stets sehr unterhaltsam sind. Die Attitüde Pengs, die Menschen in seinem Umfeld in Kategorien zu stecken ist nicht unbedingt brandneu, doch äußerst stimmig und vor allem konsequent in die Geschichte eingewoben worden.
Insbesondere wenn man ein Faible für kaputte Gestalten mit psychischen Unpässlichkeiten und ausgeprägtem Suchtverhalten hat, ist Paranoia wirklich zu empfehlen und überzeugt auf ganzer Linie. Besonders gut hat mir gefallen, dass sich der Ton, der Grundtenor im Verlauf der Geschichte wandelt und immer wieder neue Facetten hinzugewinnt, während andere Dinge in den Hintergrund treten und sich letztendlich sogar unser Erzähler in Wiedersprüche verwickelt, wenn er entgegen seiner eigenen Überzeugungen argumentiert. Der Niedergang Conrad Pengs ist leise, unmerklich, erst kaum zu spüren und gerade deshalb so glaubhaft. Das Ende indes erscheint anfänglich etwas abrupt und endgültig, schmälert den Gesamteindruck aber keineswegs und lässt diesen fabelhaften Roman mit einem emotional ergreifenden Paukenschlag enden.
Paranoia
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Black-Outs - 8.5/10
8.5/10
Fazit & Wertung:
Paranoia ist ein dicht und stimmig inszeniertes Belegexemplar für sprachliche Ausdruckskraft fernab verbrauchter Klischees und portraitiert glaubhaft die sich schleichend verschlimmernde latente Schizophrenie eines unsympathischen Kerls, dem man – und dafür muss man vor dem Autor den Hut ziehen – doch von Herzen ein Happy End wünscht.
Weitere Details zum Buch und dem Autor sowie eine Möglichkeit das Buch zu bestellen findet ihr auf den Seiten des Aufbau Verlag. Zudem möchte ich euch noch den Besuch der Seite zum Buch nahelegen, denn dort finden sich viele weitere Infos, der eingangs eingefügte Trailer, eine Leseprobe und vieles weitere mehr!
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Diese Rezension wurde ermöglicht und gesponsert von Blogg dein Buch und dem Aufbau Verlag. Beiden danke ich für das Rezensionsexemplar, das meinem Artikel zugrundeliegt.
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