Weil schon wieder Samstag ist komme ich selbstredend auch wieder mit einer Serien-Review daher, für die ich mich tatsächlich mal wieder an meiner Blu-ray-Schublade bedient habe, derweil ich ansonsten in letzter Zeit ja überwiegend Sachen rezensiere, die entweder bei Prime oder Netflix verfügbar sind.
Vinyl
Staffel 1
Vinyl, USA 2016, ca. 55 Min. je Folge
© Warner Home Video
Mick Jagger
Martin Scorsese
Rich Cohen
Terence Winter
Terence Winter
Bobby Cannavale (Richie Finestra)
Paul Ben-Victor (Maury Gold)
P.J. Byrne (Scott Levitt)
Max Casella (Julie Silver)
Ato Essandoh (Lester Grimes)
James Jagger (Kip Stevens)
J.C. MacKenzie (Skip Fontaine)
Jack Quaid (Clark Morelle)
Ray Romano (Zak Yankovich)
Birgitte Hjort Sørensen (Ingrid)
Juno Temple (Jamie Vine)
Olivia Wilde (Devon Finestra)
Susan Heyward (Cece)
Emily Tremaine (Heather)
Ephraim Sykes (Marvin)
MacKenzie Meehan (Penny)
Griffin Newman (Casper)
Jay Klaitz (Hal Underwood)
Annie Parisse (Andrea Zito)
John Cameron Mitchell (Andy Warhol)
Bo Dietl (Joe Corso)
Lena Olin (Mrs. Fineman)
Jason Cottle (Detective Whorisky)
Armen Garo (Corrado Galasso)
Michael Drayer (Detective Renk)
Douglas Smith (Gary / Xavier)
Drama
Trailer:
Inhalt:
© Warner Home Video
Im Jahre 1973 gerät das Plattenlabel American Century Records in die Misere und obwohl Gründer und Präsident Richie Finestra noch immer voll Feuereifer für seine Sache brennt, scheint ein Verkauf des Labels die einzige Lösung zu sein. Doch während Richie diese grundlegende Entscheidung mit sich selbst ausficht und letztlich seinen Partnern Zak Yankovich und Skip Fontaine gehörig vor den Kopf stößt, gerät auch seine ehe zu Model und Ex-Künstlerin Devon ins Wanken, zumal er jüngst wieder das Koksen begonnen hat. Unterdessen versucht sich die ambitionierte Assistentin Jamie Vine einen Platz im A&R Department von American Century zu ergattern und entdeckt eine ungeschliffene Proto-Punk-Band namens "Nasty Bits", mit deren Leadsänger Kip Stevens sie alsbald anzubändeln beginnt. Doch die Zeichen stehen auf Umbruch bei ACR, wovon auch Clark Morelle ein Lied singen kann, denn dessen Stern im Bereich A&R scheint im Sinken begriffen, derweil Richie von Tag zu Tag jähzorniger und unberechenbarer wird…
Rezension:
Nachdem die Blu-ray-Box zur kurzlebigen HBO-Serie Vinyl nun wieder viel zu lange in meiner Schublade vor sich hinvegetierte, bin ich nun endlich zu einer Sichtung gekommen und war einerseits positiv überrascht und durchaus angetan, kann im Umkehrschluss aber durchaus nachvollziehen, warum die Show nicht unbedingt ihr Publikum zu finden in der Lage war. Denn die von Martin Scorsese, Mick Jagger, Rich Cohen und Terence Winter konzipierte Serie will schlichtweg zu viel, um wirklich konsistent und durchgängig mitreißend zu sein und überhebt sich in der ersten Staffel merklich an der Vielzahl an Figuren und Handlungsfäden, die allesamt interessant sind, aber zu großen Teilen recht stiefmütterlich behandelt werden. Fixpunkt dieses Mikrokosmos ist und bleibt aber immerhin der verko(r)kste Richie Finestra, der von einem bestens aufgelegten Bobby Cannavale verkörpert wird. Selbiger hatte sich durch seinen Part in Terence Winters vorangegangener Serie Boardwalk Empire für die Rolle empfohlen und erweist sich auch als wahrhaftiger Glücksgriff, zumal seine Figur durchaus polarisiert und dem Metier entsprechend gehörig Ecken und Kanten besitzt.
© Warner Home Video
Dabei ist sein Part der Geschichte nicht nur der mit Abstand größte, sondern auch interessanteste, doch schon bei dessen Ehefrau Devon tun sich erste Mängel in der Dramaturgie auf, was mitnichten an Olivia Wilde (Dritte Person) liegen mag, die das ehemalige Mitglied von Andy Warhols Factory verkörpert, doch lässt sich hier bereits schön beobachten, wie ein vermeintlich wichtiger Part der Story zunächst in Gang gebracht wird, um dann im Mittelteil der Staffel für gleich mehrere Folgen sang- und klanglos in der Versenkung zu verschwinden. Ähnliche Schicksale ereilen Juno Temple (Killer Joe) als Assistentin und Drogenlieferantin Jamie bei American Century sowie den von Jack Quaid (Logan Lucky) verkörperten Clark, denn einmal davon abgesehen, dass ihre Handlungsstränge quasi gegenläufig konzipiert sind (sie will zu A&R, er fliegt dort raus), wirkt ihre Geschichte immer ein wenig bruchstückhaft und insbesondere Clark gerät in der zweiten Hälfte der Staffel gehörig ins Hintertreffen, während Jamie zumindest dahingehend ein wenig Screentime zugesprochen bekommt, dass sie mit dem von James Jagger verkörperten "Nasty Bits"-Sänger Kip anbändelt. Theoretisch könnte ich im Übrigen nun noch etliche Absätze damit füllen, schlicht aufzulisten, um wen es alles in Vinyl gehen soll, doch bleibt die Aussage dieselbe, nämlich, dass den Figuren nicht der benötigte Raum zugestanden wird, um sich zu entfalten, womit die gerade einmal zehn Episoden umfassende Staffel ziemlich vollgestopft wirkt, während man kaum einem Charakter (eben abgesehen von Richie) wirklich gerecht wird.
Hinzu kommt nämlich noch, dass die immerhin – für HBO ja durchaus typisch – fast einstündigen Episoden gerne auch mal unvermittelt für eine musikalische Einlage unterbrochen werden, die sich mal mehr, mal weniger gut ins Geschehen fügt, wodurch noch einmal zusätzliche Zeit verloren geht. Ansonsten sind diese Passagen durchaus gelungen und decken auch an musikalischen Genres einiges ab, doch dessen ungeachtet, dass sie das Flair der Serie untermauern, hat sich mir oft genug der konkrete Sinn nicht erschlossen, wobei es wirklich ruhmreiche Ausnahmen gibt wie das von Buddy Holly zum besten gegebene "Rave On" am Ende der Episode Achterbahn (1.06), die ohnehin für mich zu den stärksten der Staffel gezählt hat. Oft genug lässt sich aber kaum ein Zusammenhang zum gezeigten Geschehen herstellen und dann reißt es einen eher aus der Geschichte heraus, als die Immersion zu verstärken, auch wenn ich durchaus verstehe, was man mit diesem Kniff bei einer thematisch dergestalt ausgerichteten Serie zu bezwecken versucht hat. Und grundsätzlich gelingt es großartig, die wilden Siebziger im Rahmen der Show wiederauferstehen zu lassen, wenn man sich vor Augen führt, dass die Geschehnisse hier freilich zugunsten des Seriengefüges dramaturgisch überhöht worden sind. So bietet Vinyl freilich einiges an Eskalation und Exzess und man kann behaupten, dass HBO auch hier wieder seinem Ruf gerecht wird, die Möglichkeiten, die sich als Kabelsender im Gegensatz zu einem öffentlichen Network bieten, was Nacktheit, Ausschweifungen und andere explizite Darstellungen anbelangt, wieder ausgiebig zu nutzen.
© Warner Home Video
Erwartungsgemäß macht diese zunehmend (und gewollt) aus dem Ruder laufende Chose auch durchaus Spaß und ist insgesamt, allein was das Produktions-Design, die Kulissen und Kostüme sowie natürlich den Soundtrack betrifft, als außerordentlich gelungen zu bezeichnen, derweil man dramaturgisch einiges deutlich sorgsamer und teils auch einfallsreicher hätte aufziehen können. Denn viele der hier bedienten und genutzten Versatzstücke hat man so oder so ähnlich teils schon dutzendfach gesehen, ob es eine im Drogenrausch verbrachte Nacht, das Hintergehen von Freunden und Geschäftspartnern oder die Manierismen und Eitelkeiten von Band-Mitgliedern angeht. Immerhin – und auch das fließt in dem Fall in die Wertung ein, da ich ja bereits im Vorfeld wusste, dass die Serie nicht fortgesetzt würde – bietet Alibi (1.10) als Staffelfinale einen durchaus zufriedenstellenden Abschluss der Reise, so dass man bei entsprechend gelagerten Interessen und Neugierde durchaus einen Blick wagen kann, ohne einen großen, unaufgelösten Cliffhanger fürchten zu müssen. Gemessen an der Qualität und dem Ruf, den sich HBO über die Jahre aber aufgebaut hat, ist trotz der souveränen – und auch schauspielerisch einwandfreien – Darbietung durchaus nachvollziehbar, dass man sich gegen eine Verlängerung entschieden hat. Denn so sehr dutzende Einzelszenen und auch Musikstücke zu überzeugen wissen, so wenig wirkt das Gezeigte in seiner Gesamtheit aus einem Guss, weshalb ich gar mutmaßen möchte, dass die Serie weit besser funktioniert hätte, wenn man sich einige der Handlungsbögen für eine etwaige Folgestaffel aufgespart hätte.
Vinyl | Staffel 1
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Vielversprechende Newcomer-Bands - 7.5/10
7.5/10
Fazit & Wertung:
Gemessen allein an den Serienschöpfern Martin Scorsese und Mick Jagger hätte man sich von Vinyl seinerzeit so einiges erwarten können, doch löst die kurzlebige HBO-Serie dieses Versprechen leider nur teilweise ein und verzettelt sich in immens vielen Handlungssträngen, die dadurch allesamt kaum die verdiente Zeit und Aufmerksamkeit bekommen. Immerhin, Look und Flair des in den 1970ern verorteten Geschehens sind über jeden Zweifel erhaben und auch die musikalische Begleitung kann sich durchweg sehen lassen, wohingegen Story und Dramaturgie immer wieder hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben.
Episodenübersicht: Staffel 1
02. Noch einmal gestern (7/10)
03. Geflüsterte Geheimnisse (7,5/10)
04. Der Schläger (7,5/10)
05. Flotter Vierer (7,5/10)
07. Der King und ich (7/10)
08. E.A.H. (7,5/10)
09. Rock and Roll Queen (8/10)
10. Alibi (8,5/10)
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Vinyl | Staffel 1 ist am 08.09.16 auf DVD und Blu-ray im Vertrieb von Warner Home Video erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!
DVD:
Blu-ray:
Bin ich d’accord. Habe die Serie zwar gern gesehen, weil sie vor allem wunderbar den 1970er Jahre Flair einfängt, die Charaktere erhalten aber wirklich zu wenig Raum zur Entfaltung. Aber immerhin habe ich Juno Temple entdeckt, die mir hier das erste Mal so richtig aufgefallen ist und durchaus eine gute Figur (in allen Belangen ;)) macht.