Beginnen wir die Woche hinsichtlich Film-Kritiken mal wieder mit einem relativ frisch erschienenen Werk, das weit weniger Horror-Thriller ist, als ich das erwartet hätte, als ungewöhnliches Familien-Drama mit psychologischer Komponente dafür aber eine gar nicht mal so schlechte Figur macht.
Look Away
Look Away, CA/USA 2018, 103 Min.
© Splendid Film
Assaf Bernstein
Assaf Bernstein
India Eisley (Maria / Airam)
Mira Sorvino (Amy)
Jason Isaacs (Dan)
Harrison Gilbertson (Sean)
Penelope Mitchell (Lily)
John C. MacDonald (Mark)
Horror | Thriller
Trailer:
Inhalt:
© Splendid Film
In vielerlei Hinsicht ist Maria ganz die typische Außenseiterin, hat kaum Freunde und wird an ihrer Schule in einer Tour gemobbt, während ihre Eltern ihr nicht unbedingt mit Rat und Tat zur Seite stehen, denn während Mutter Amy sich die meiste Zeit in schweigen hüllt, gibt Vater Dan – seines Zeichens Schönheitschirurg – der ohnehin schon unsicheren Maria mehr als deutlich zu verstehen, dass sie kaum seinen Ansprüchen genügt, was darin gipfelt, dass er zum Geburtstag einige Schönheitskorrekturen zu schenken gedenkt. Doch dann macht Maria eines Abends eine erschreckende Entdeckung, als sich ihr Spiegelbild im Bad nicht so bewegt, wie man es erwarten würde, ganz so, als befände sich dort noch eine weitere Person im Spiegel. Diese "gespiegelte" Maria – sie nennt sich Airam – wirkt dann auch ungleich taffer, forscher und selbstbewusster als ihr reales Ebenbild und zeigt viel Verständnis für die junge Frau. Während Maria – sozusagen in sich selbst – erstmals eine echte Freundin gefunden zu haben scheint, schlägt Airam ihr alsbald vor, die Plätze zu tauschen und so vollzieht Maria eine Hundertachtzig-Grad-Wende als Person und beginnt aufzublühen. Doch natürlich sinnt diese "neue" Maria vornehmlich auf Rache an ihren Peinigern, was schnell aus dem Ruder zu laufen droht…
Rezension:
Fernab der Spiegelbild-Thematik mutet Look Away zunächst reichlich generisch an und bedient sich klassischer Themen – Unterdrückung, Mobbing, mangelndes Selbstbewusstsein – um den Zuschauer auf Seite der verschüchterten Maria zu ziehen, die hier wirklich einiges zu erdulden hat. Das mag zuweilen ein wenig holprig erscheinen, da man einerseits tief in die Klischeekiste greift, was das Mobbing an sich betrifft, andererseits Maria nicht unbedingt dem Typus "hässliches Entlein" entspricht, weshalb man nicht so recht glauben mag, dass ausgerechnet sie es sein soll, auf die sich Hohn und Spott konzentrieren, aber zumindest wächst so die Sympathie für die Figur, um auch den sich später entfaltenden Rache-Plot zu relativieren, der unweigerlich zu folgen hat. Begrüßenswert hierbei ist, dass sich Regisseur und Drehbuchautor Assaf Bernstein ausgiebig Zeit nimmt, die Protagonistin und das Setting zu etablieren und nicht der Versuchung erliegt, sofort ins Horror-Genre vorzustoßen, so dass die erste Hälfte des Films beinahe mehr wie ein waschechtes Drama wirkt, auch wenn sich hier freilich bereits einige Male die Spiegelbild-Maria mit dem absehbaren Namen Airam manifestiert hat.
© Splendid Film
Hinsichtlich der Doppelrolle für India Eisley (Underworld: Awakening) hat Look Away derweil einen ziemlichen Glücksgriff getan, denn tatsächlich kniet sich die Jungschauspielerin gehörig rein, um die beiden gänzlich differierenden Persönlichkeiten glaubhaft zu verkörpern, so dass die Szenen mit Maria und Airam mit Abstand das Beste an Look Away darstellen, zumal die Art der Inszenierung offen lässt, was genau es nun mit den Zwillingen auf sich hat, so dass sich auch eine Lesart in Richtung dissoziativer Identitätsstörung durchaus anbieten würde, wenn man mit dem "Geist im Spiegel" nicht so recht warm wird. Gerade diese unausgesprochene Deutungsfreiheit macht den Film tatsächlich auch auf psychologischer Ebene interessant, derweil er in Aufbau, Struktur und Ablauf doch eher generischen Mustern folgt und wenig echte Überraschungen parat hält. Insbesondere als Horror-Thriller macht der Film meines Erachtens auch nur eine mittelmäßige Figur, denn echten Thrill sucht man hier die meiste Zeit vergeblich, während die ganze Art der Inszenierung dafür zu sorgen sucht, dass man nicht unbedingt Mitleid mit Airams Opfern empfindet, auch wenn die Vergeltungsschläge natürlich jegliche Relation vermissen lassen.
Und auch aus Körpertausch-Thematik der beiden Spiegel-Schwestern hätte man tatsächlich durchaus mehr machen können, denn wenn Airam erst einmal das Ruder übernommen hat, ist Maria – logischerweise – zu weitestgehender Passivität verdammt, so dass in der zweiten Hälfte des Streifens insbesondere die Dialoge zwischen Maria und Airam schmerzlich zu fehlen beginnen. Dabei bewahrt sich Look Away aber zumindest jederzeit eine gewisse, düster dräuende Kurzweil, zumal sowohl Jason Isaacs (A Cure for Wellness) als Vater Dan wie auch Penelope Mitchell (Between Worlds) als Marias vermeintlich beste Freundin Lily gar wunderbare passiv-aggressive Antagonisten abgeben, die den Zorn der zu Unrecht gescholtenen Teenagerin mehr als verdient haben. Schade, dass ausgerechnet Mira Sorvino als Mutter Amy dahingegen eher blass und unscheinbar bleibt, denn wenn man berücksichtigt, dass sie es war, die Maria/Airam einst zur Welt gebracht hat, ist ihre Rolle doch eher klein und generisch geraten.
© Splendid Film
Entsprechend seiner Auslegung ist Look Away auf alle Fälle zu keinem Zeitpunkt harter Schocker und auch wenn es freilich in der zweiten Hälfte etwas gewalttätiger zur Sache geht, wirkt das doch alles noch beinahe mild inszeniert. Das ist nicht automatisch schlecht, sollte nur diejenigen warnen, die entsprechend Cover und Genre-Verortung auf etwas deutlich Reißerisches hoffen, denn hier steht stattdessen deutlich mehr das Psychogramm von Maria/Airam im Vordergrund, wird das Bild einer im Kern und bereits seit Jahren dysfunktionalen Familie skizziert, stehen die beklemmende und schmerzende Atmosphäre im Vordergrund und nicht etwa Terror und Gewalt. Alles in allem punktet Bernstein entsprechend mit einem psychologisch hochinteressanten, darstellerisch überragend gespielten, dramaturgisch aber doch sehr generischen Film, aus dem sich noch weitaus mehr hätte destillieren lassen, als es hier der Fall gewesen ist. Schlecht ist der Film dadurch keinesfalls, nur hätte er seine Themen und Ansätze noch deutlich mehr und konsequenter ausloten können, als es hier geschehen ist, ob nun in Richtung Horror oder in Richtung Drama, denn beides bleibt beim wechselseitigen Tauziehen ein Stück weit auf der Strecke.
Look Away
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Zwiegespräche vor dem Spiegel - 6.5/10
6.5/10
Fazit & Wertung:
Assaf Bernstein offeriert mit Look Away einen thematisch durchaus interessanten Thriller, in dem insbesondere Inida Eisley in ihrer differenzierten Darstellung der beiden Zwillingsschwestern Maria und Airam zu glänzen weiß, verzettelt sich aber zuweilen ein wenig in der konkurrierenden Darstellung als Drama oder Horror-Film. Dergestalt weiß das Werk in beide Richtungen nicht hundertprozentig zu überzeugen und greift manches Mal ein wenig zu tief in die Klischeekiste, doch allein die überzeugende Prämisse und daraus resultierend Eisleys Schauspiel sind durchaus schon treffliche Gründe, hier einen Blick zu riskieren.
Look Away ist am 22.02.19 auf DVD und Blu-ray bei Splendid Film erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!