Review: Under the Silver Lake (Film)

Mir des Umstandes sehr bewusst, dass dieser Film sicher nicht jedermanns Sache sein wird, möchte ich dennoch nachfolgend eine Lanze brechen für diesen surrealen L.-A.-Trip.

Under the Silver Lake

Under the Silver Lake, USA 2018, 139 Min.

Under the Silver Lake | © Universum Film
© Universum Film

Regisseur:
David Robert Mitchell
Autor:
David Robert Mitchell

Main-Cast:
Andrew Garfield (Sam)
Riley Keough (Sarah)

in weiteren Rollen:

Topher Grace (Bar Buddy)
Callie Hernandez (Millicent Sevence)
Don McManus (Final Man)
Jeremy Bobb (Songwriter)
Riki Lindhome (Actress)
Zosia Mamet (Troy)
Patrick Fischler (Comic Man)
Jimmi Simpson (Allen)
Grace Van Patten (Balloon Girl)

Genre:
Komödie | Krimi | Drama | Mystery | Thriller

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Under the Silver Lake | © Universum Film
© Universum Film

Der dreiunddreißigjährige Sam lebt in einem vergleichsweise ansprechenden Appartement-Komplex am Rande von Los Angeles und anstatt sich um einen Job zu bemühen, verbringt er die Tage damit, mit einem Fernglas seine Nachbarn – und vorrangig seine Nachbarinnen zu beobachten und lernt so auch die blonde Sarah kennen, die sich von seinen voyeuristischen Anwandlungen nicht einmal irritiert zeigt und ihn prompt zu sich nach Hause einlädt. Doch tags darauf ist Sarah verschwunden und ihr Appartement leergeräumt. Sam beginnt nachzuforschen, wohin sie verschwunden sein und wer etwas über ihren Verbleib wissen könnte, macht damit allerdings den ersten Schritt in ein Los Angeles voller Geheimnisse und Verschwörungen, die noch von einem paranoiden Comiczeichner befeuert werden, der ihm die absonderlichsten Geschichten auftischt, derweil Sam zu glauben beginnt, die Antwort läge womöglich in den verschlüsselten Botschaften der Songtexte einer gefeierten Newcomer-Band namens "Jesus & the Brides of Dracula". Während sein Vermieter ihm längst mit Rausschmiss droht, führen Sams Nachforschungen ihn in absurdere Gefilde und auch um seine Realitätswahrnehmung scheint es zunehmend schlecht bestellt…

Rezension:

Was für ein Film. Schon nach einer guten halben Stunde war mir mehr als bewusst, dass Under the Silver Lake kaum einem Massenpublikum vorgesetzt werden könne, denn dafür ist der gesamte Film, dessen Aufbau, Atmosphäre, Absurdität deutlich zu sperrig und sphärisch geraten und ich kann wirklich jeden verstehen, der diesem oftmals überambitioniert anmutenden Projekt nichts abgewinnen kann, dass noch dazu mit seinen rund 140 Minuten Laufzeit eine beachtliche Länge hat, die es erst einmal durchzustehen gilt, während man sich mit Protagonist Sam in den sprichwörtlichen Kaninchenbau begibt, der hier in Gestalt des Molochs Los Angeles daherkommt und alles an Popkultur-Referenzen, Verschwörungstheorien, Paranoia und Großstadtmythen vereint, die einem nur in den Sinn kommen können. Auf mich persönlich hatte das aber eine derartige Sogwirkung, dass ich den Film schon jetzt zu meinen bisherigen Jahres-Highlights zähle und das, obwohl sich David Robert Mitchell nicht einmal die Mühe macht, sämtliche seiner an Skurrilität kaum zu überbietenden Einfälle schlussendlich aufzulösen, was in diesem Fall aber die Faszination mehr noch verstärkt, weil sich das sphärische Treiben eben nicht auf den letzten Metern selbst entmystifiziert (wobei er zumindest für einige Eckpunkte der Handlung dann doch eine Erklärung parat hält).

Szenenbild aus Under the Silver Lake | © Universum Film
© Universum Film

Dabei ist Under the Silver Lake aber gleichsam eine Huldigung an das Medium Film selbst und da werden munter Hitchcock und David Lynch zitiert, während man über einen Seitenhieb auf Andrew Garfields frühere Rolle als The Amazing Spider-Man schmunzeln darf und ein eigentümlicher Ritter Hüter eines geheimen Bunkers wird und eine Art Sukkubus in Gestalt einer bis auf eine Eulenmaske nackten Frau des nachts umherstreift, um ahnungslose Männer zu töten und Sam gar erfährt, wer für die Musik vergangener Dekaden verantwortlich zeichnet und nicht zuletzt ein mysteriöser Hundemörder umgeht. Das mag schon jetzt und in dieser Kürze absonderlich anmuten, kratzt aber kaum an der Oberfläche dessen, was Mitchell in diesem Epos präsentiert, dass über weite Teile extrem episodisch abgehandelt wird, während Sam von Schauplatz zu Schauplatz stolpert und mehr oder minder merkwürdige Begegnungen hat. Und all dem liegt der Zauber einer unverstandenen, einer bedrohlichen Gesellschaft inne, der Sam sich nicht annähernd zugehörig fühlt, weshalb er sich in der Rolle des stillen Beobachters, des Ermittlers gefällt, der sich anschickt, die ihm vor die Füße geworfenen Mosaikteile zu einem großen Ganzen zusammenzusetzen, das es – so ahnt und fürchtet man als Zuschauer schnell, schlichtweg nicht geben kann, denn dafür verrennt sich Sam viel zu schnell und viel zu sehr in seinen zunehmend absurder werdenden Theorien, die allein kraft seiner Gedanken zusammengehalten werden.

Und das Los Angeles, wie es Außenseiter Sam erlebt, ist geradezu prädestiniert, eine große Verschwörung zu wittern und so verhandelt Under the Silver Lake zu großen Teilen eine gelebte Paranoia, einen unverblümt voyeuristischen Blick, der in Sams Balkonaufenthalten, bei denen er die Nachbarinnen beobachtet, nur seinen Anfang finden, während ein merkwürdiger Comic-Autor sein Gefühl einer alles überschattenden Verschwörung nur noch befeuert und Sam alsbald glaubt, geheime Zeichen in Songtexten zu erkennen, die ihn womöglich auf die Spur der attraktiven Sarah (Riley Keough, Logan Lucky) führen, die nach einer vielversprechenden gemeinsamen Nacht am nächsten Morgen spurlos verschwunden scheint. Und während sich die Zeichen zu häufen beginnen, leidet darunter auch zusehends Sams Bezug zur Realität und was anfänglich wie bizarre Tagträumereien wirkt, wächst sich schnell zu geradezu grotesken Situationen aus, in denen die Ränder der Realität längst auszufransen begonnen haben. Dabei bleibt dieser traumwandlerisch durchs nächtliche wie sonnendurchflutete Los Angeles mäandernde Sam genauso unnahbar, wie die Welt auf ihn wirkt und vielleicht ist gerade das der Grund, dass er zunehmend obsessiver der Wahrheit nachspürt, die irgendwo ja schließlich verborgen sein muss, wobei man über kurz oder lang wird einsehen müssen, dass diese merkwürdig verkappte Figur schon nicht willens und fähig ist, sich selbst gegenüber offen und aufrichtig zu sein, was schon ein Stück weit Schlüssel für das Verständnis des Films sein dürfte.

Szenenbild aus Under the Silver Lake | © Universum Film
© Universum Film

So gibt sich Under the Silver Lake als durchweg bedeutungsschwangere, sich bis zuletzt undurchsichtig präsentierende Phantasmagorie, die irgendwo zwischen Psycho-Thriller und Popkultur-Satire daherkommt, gleichsam als Mystery-Drama verstanden werden kann und dabei gleich ganze Heerscharen an Filmen und Themen, Ansätzen und Überlegungen anreißt, ohne je den Anspruch erheben zu wollen, dass sich das alles zu einem schlüssigen Ganzen fügt. Entsprechend bin ich eben auch der Meinung, dass sich nur eine ausgesuchte Schar Interessierter für diesen Film wird erwärmen können, der eben noch am ehesten mit Filmen wie Mulholland Drive vom oben bereits erwähnten David Lynch zu vergleichen sein dürfte, in Art und Ausgestaltung aber sicherlich auch zuweilen an Knight of Cups oder Song to Song von Terrence Malick denken lässt, die ja auch eher der sperrigen Kost zuzuordnen sind und keiner konventionellen Narrative folgen. Die gibt es hier zwar durchaus, doch gerät sie so schwelgerisch wie Sams unstetes Gebaren und bleibt bis zuletzt fragmentarisch, was zwar eine merkwürdige Sogwirkung entfaltet, aber eben kaum jedem schmecken dürfte, denn dafür ist diese Art weitschweifiges Gedankenkonstrukt dann auch zu sehr groteskes wie skurriles, zuweilen regelrecht erschreckendes Arthouse-Kino, das sicherlich zum Nachdenken anregen will, sich aber hinsichtlich Antworten und vorgekauter Meinungen vornehm zurückhält und lieber schwelgerisch-morbide Bild- und Ton-Kompositionen für sich sprechen lässt, in deren Mitte letztlich auch Sam nur eine prägnante Statistenrolle hat, auf die seitens des Zuschauers nicht minder voyeuristisch geblickt wird, als er es selbst mit seiner unmittelbaren Umgebung handhabt. Kein Film den man deuten, den man bis ins Detail erklären könnte, aber einer, über den man nachdenken kann, in dem es sich zu verlieren lohnt.

Fazit & Wertung:

David Robert Mitchells Under the Silver Lake droht streckenweise von seinen vielfältigen Ambitionen erdrückt zu werden und ist mitnichten zugängliche oder einfache Kost, aber wer bereit ist, sich auf diese phantasmagorische Höllenfahrt einer schwelgerisch-episodischen Popkultur-Satire einzulassen, findet sich in einer Art Paralleluniversum nieder, das voller Paranoia und Skurrilität daherkommt und ungemein fasziniert.

8 von 10 mysteriösen Zeichen und Hinweisen

Under the Silver Lake

  • Mysteriöse Zeichen und Hinweise - 8/10
    8/10

Fazit & Wertung:

David Robert Mitchells Under the Silver Lake droht streckenweise von seinen vielfältigen Ambitionen erdrückt zu werden und ist mitnichten zugängliche oder einfache Kost, aber wer bereit ist, sich auf diese phantasmagorische Höllenfahrt einer schwelgerisch-episodischen Popkultur-Satire einzulassen, findet sich in einer Art Paralleluniversum nieder, das voller Paranoia und Skurrilität daherkommt und ungemein fasziniert.

8.0/10
Leser-Wertung 9/10 (5 Stimmen)
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Under the Silver Lake ist am 12.04.19 auf DVD und Blu-ray bei Weltkino Filmverleih im Vertrieb von Universum Film erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

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vgw

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