Zum Wochenende rede ich ja gerne über vergleichsweise aktuelle Filme. Dass diese dadurch nicht automatisch gut sein müssen, stellt das Thema meiner heutigen Film-Kritik eindrucksvoll unter Beweis.
The Commuter
The Commuter, USA/FR 2018, 105 Min.
© STUDIOCANAL
Jaume Collet-Serra
Byron Willinger
Philip de Blasi
Ryan Engle
Vera Farmiga (Joanna)
Patrick Wilson (Alex Murphy)
Jonathan Banks (Walt)
Sam Neill (Captain Hawthorne)
Action | Mystery | Thriller
Trailer:
Inhalt:
© STUDIOCANAL
Tagein, tagaus pendelt Michael MacCauley nun zu seinem Job als Versicherungsmakler in Manhattan, auch, um seinem Sohn das College finanzieren zu können. Nach Jahren im immer gleichen Trott aber naht ein Tag, der Michaels Leben nachhaltig erschüttert, denn aus heiterem Himmel wird der mit seinen sechzig Jahren entlassen und tröstet sich mit ein paar Bieren mit seinem Ex-Polizei-Partner Murphy, bevor er – wie jeden Tag – den Heimweg mit dem "Hudson North Train" antritt. Im Pendlerzug spricht ihn allerdings alsbald eine mysteriöse Frau an und macht ihm ein merkwürdiges Angebot, denn dafür, eine Person namens Prynne an Bord des Zuges ausfindig zu machen, die dort nicht hingehört, bietet sie ihm die aberwitzige Summe von 100.000 Dollar – die der frisch Entlassene freilich gut gebrauchen könnte. Dennoch hält Michael das Ganze natürlich zunächst für einen schlechten Scherz, bis ihm die üppige Anzahlung für den Job in die Hände fällt. Die Zeit ist knapp, die Person ausfindig zu machen, doch muss sich Michael auch fragen, zu welchem Zweck diese überhaupt gefunden werden soll und wer seine Auftraggeber sind, die ihn alsbald gehörig unter Druck zu setzen beginnen…
Rezension:
In den vergangenen Jahren habe ich mich einigen Filmen von Jaume Collet-Serra gewidmet – zuletzt The Shallows mit Blake Lively – und insbesondere die mehrfache Zusammenarbeit mit Liam Neeson ist mir durchaus positiv in Erinnerung geblieben, so dass nach bislang drei gemeinsamen Projekten auch The Commuter eine sichere Bank zu sein schien, was zumindest solide und actionreiche Unterhaltung angeht, derweil das Projekt zugegebenermaßen schon wie eine Variation des Themas aus Non-Stop wirken mag, nur dass wir uns hier eben nicht an Bord eines Flugzeuges, sondern in einem Pendlerzug befinden. Dennoch beginnt das Geschehen vielversprechend und insbesondere die eröffnende Montage, in der sich Tag um Tag, Routine um Routine ineinander verschachteln, zeugt von beinahe innovativer Inszenierung und Kameraführung, ist auf alle Fälle aber außerordentlich effektiv geraten, um das Pendlertum von Hauptfigur Michael MacCauley zu umreißen. Ansonsten hält sich Collet-Serra aber natürlich nicht allzu lange auf und schickt seinen Protagonisten alsbald in den schicksalsträchtigen Zug gen Heimat, woraufhin ein Thriller seinen Anfang nimmt, der anfänglich Neugierde weckt, mit zunehmender Laufzeit aber die willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit auf eine zunehmend harte Probe stellt.
© STUDIOCANAL
Die Ausgangssituation ist regelrecht klassisch: eine mysteriöse Frau stellt die gar nicht mal so hypothetische Frage, was Michael für 100.000 Dollar bereit wäre zu tun, beziehungsweise, ob er dafür "eine Kleinigkeit erledigen" könne. Der ist zurecht skeptisch und kann sowieso nicht glauben, in was für eine Situation er hineingeraten ist, doch nachdem er – wie von der Frau (Vera Farmiga, Source Code) angekündigt – immerhin ein Viertel der Summe in der Zugtoilette versteckt findet, werden ihm langsam ernst und Aberwitz der Situation bewusst, derweil er eigentlich nichts anderes zu tun hat, als eine Person zu identifizieren, die im Zug nichts verloren hat. So weit, so stimmungsvoll, verhält sich der von Liam Neeson (The Grey) gewohnt stoisch wie schlagkräftig verkörperte Michael MacCauley auch zunächst absolut nachvollziehbar skeptisch und weigert sich, eine Person zu "markieren", ohne zu wissen, was dies bedeuten und wohin das führen würde. Doch bekommt die Fassade schon dahingehend Risse, dass der Versicherungsmakler mit Geldnöten natürlich Jahre zuvor ein Cop gewesen ist und natürlich auch mit seinen sechzig Jahren agil ist wie ein junger Turnschuh, was ihn gar dazu befähigt, später am, auf und unter dem (fahrenden) Zug herumzuturnen.
Okay, selbst MacCauleys Fitness und Fähigkeiten könnte man noch in Anlehnung an das Action-Genre wohlwollend hinnehmen und darüber hinwegsehen, doch fallen die omnipräsenten Auftraggeber, denen nur kurz durch Varmigas Auftritt, der kaum eine Nennung im Cast rechtfertigt, noch weit negativer ins Gewicht. Denn so bedrohlich es auch sein mag, dem Zuschauer zu suggerieren, Michael würde auf Schritt und Tritt beobachtet und überwacht werden, beginnt man sich irgendwann unweigerlich zu fragen, wie sie das alles bewerkstelligen mögen und vor allem, wenn ihnen so schier unbegrenzte Mittel zur Verfügung stehen, weshalb sie überhaupt Michael als Handlanger engagieren, um den Job zu erledigen, den jemand anders binnen weniger Minuten hätte abschließen können. Der Grund liegt auf der Hand, denn ohne dieses dramaturgische Konstrukt würde es schlicht The Commuter gar nicht geben und auch wenn ich einer der ersten bin, die bereitwillig ein Auge zudrücken bei dieser Art Film, übertreibt es das Drehbuchautoren-Dreiergespann Byron Willinger, Philip de Blasi und Ryan Engle hier doch maßlos mit ihrem willfährigen Plot, der sich mit jeder weiteren Minute zusehends selbst demontiert.
© STUDIOCANAL
Dabei ist die Prämisse von The Commuter gar nicht zu verachten und in den besseren Momenten des ersten Drittels fühlte ich mich durchaus an eine adrenalingeschwängerte Variante von Mord im Orient-Express erinnert, wenn Michael mittels Ausschlussprinzip und Beobachtungsgabe zu ermitteln versucht, wer der "Fremdkörper" im Pendlerzug sein könnte, denn er nach Jahren des immer gleichen Trotts nun einmal wie seine Westentasche kennt und eine freundschaftliche Beziehung zu so manch anderem Pendler unterhält, wie etwa dem von Jonathan Banks (Community) verkörperten Walt. Doch mit zunehmender Absurdität des Ganzen verliert die Chose in gleichem Maße an Reiz und steigert sich in ein aberwitziges, vollkommen überzogen wirkendes – und noch dazu schlecht animiertes – Finale, das mit dem anfänglich Suspense-Feeling des Gezeigten nichts mehr gemein hat, immerhin aber noch einmal Patrick Wilson (Stretch) und Sam Neill (The Hunter) aus der Versenkung holt, die man ansonsten nur zu Beginn des Films einmal kurz zu Gesicht bekommen hat. Damit präsentiert sich auch dieser Collet-Serra-Thriller als Liam-Neeson-One-Man-Show – nur eben diesmal leider keine von der guten Sorte.
The Commuter
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Verdächtige Zielpersonen - 4.5/10
4.5/10
Fazit & Wertung:
Jaume Collet-Serras aktuellste Liam-Neeson-Kollaboration The Commuter eröffnet zunächst atmosphärisch las auch inszenatorisch vielversprechend, doch nach einer spannenden ersten Hälfte verheddert sich der Plot zunehmend in Ungereimtheiten und Übertreibungen, die in ein aberwitziges und wenig logisches Finale münden, das größtenteils auch den Reiz des zuvor Gezeigten willentlich aushebelt. Das führt zu einem doch sehr unbefriedigenden Filmerlebnis, wenn man nicht fähig oder bereit ist, die vielbeschworene willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit auf ein neues Level zu hieven (was mir auch nur bedingt gelingen wollte).
The Commuter ist am 17.05.18 auf DVD, Blu-ray und 4K UHD Blu-ray bei STUDIOCANAL erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!
DVD:
Blu-ray: