Review: The Politician | Staffel 1 (Serie)

Hier nun die – geringfügig umfangreichere – Serien-Kritik, die ich gerne schon letzte Woche geliefert hätte. Und ich kann nur jedem Netflix-Account-Besitzer (oder Nutzer) raten, hier mal einen Blick zu riskieren, wenn man denn auf satirisch-überhöhte Serien steht und Ryan Murphys doch oft etwas eigensinnigem Stil etwas abgewinnen kann.

The Politician
Staffel 1

The Politician, USA 2019-, ca. 47 Min. je Folge

The Politician | © Netflix
© Netflix

Serienschöpfer:
Ryan Murphy
Brad Falchuk
Ian Brennan
Ausführende Produzenten:
Ryan Murphy
Brad Falchuk
Ian Brennan
Alexis Martin Woodall
Ben Platt
Gwyneth Paltrow

Main-Cast:
Ben Platt (Payton Hobart)
Zoey Deutch (Infinity Jackson)
Lucy Boynton (Astrid Sloan)
Bob Balaban (Keaton Hobart)
David Corenswet (River Barkley)
Julia Schlaepfer (Alice Charles)
Laura Dreyfuss (McAfee Westbrook)
Theo Germaine (James Sullivan)
Rahne Jones (Skye Leighton)
Benjamin Barrett (Ricardo)
Jessica Lange (Dusty Jackson)
Gwyneth Paltrow (Georgina Hobart)
in weiteren Rollen:
Ryan J. Haddad (Andrew Cashman)
Trevor Eason (Martin Hobart)
Trey Eason (Luther Hobart)
Martina Navratilova (Brigitte)
Eric Nenninger (Detective)
Natasha Ofili (Principal Vaughn)
B.K. Cannon (Chris)
Rick Holmes (Cooper)
Koby Kumi-Diaka (Pierre)
Russell Posner (Elliot Beachman)
Dylan McDermott (Theo Sloan)
January Jones (Lizbeth Sloan)

Genre:
Drama | Komödie | Satire

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus The Politician | © Netflix
© Netflix

Payton Hobart ist sich seit frühester Kindheit sicher, dass er einmal Präsident werden wird und wie sich das für Präsidenten nun einmal so gehört, muss er quasi zwingend in Harvard studieren, doch zunächst einmal gilt es, den Wahlkampf für das Amt des Schülersprechers zu gewinnen, wo ausgerechnet sein Freund und Mandarin-Lehrer River gegen ihn antritt. Der ist bei allen beliebt und ein zugänglicher Typ, während der verstockte Payton schon jetzt Politiker durch und durch ist und sich eher aus kaltem Kalkül mit den Belangen seiner Mitschüler befasst, als echtes Interesse zu entwickeln. Doch dann wird der Wahlkampf – den niemand so ernst nimmt wie Payton und sein PR-Team – von einem einschneidenden Ereignis erschüttert und die Karten werden neu gemischt. Payton benötigt dringend einen Kandidaten für den Posten des Vize, um womöglich so noch unentschlossene Wähler für sich zu gewinnen. Doch die Konkurrenz schläft nicht und bekanntermaßen hat oft am Ende die Partei die Nase vorn, die den meisten Dreck über ihre Konkurrenz hat kippen können…

Rezension:

Bereits bei meinen Rezensionen zu den zwei Staffeln Scream Queens hatte ich mich über Ryan Murphy und dessen Kollegen Brad Falchuk sowie Ian Brennan ausgelassen, die gemeinsam wohl am bekanntesten dafür sein dürften, die Kult-Serie Glee ersonnen zu haben, während die beiden erstgenannten zudem noch für das seit Jahren erfolgreiche American Horror Story verantwortlich zeichnen. Wenn wir aber diese Horror-Storys einmal außenvor lassen, wirkt Murphys erster Serienspross für Streaming-Gigant Netflix im Grunde wie eine Mischung all dessen, was er bislang so an Serien aufs Trapez gebracht hat. Entsprechend ambitioniert oder – böser formuliert – überfrachtet wirkt The Politician zuweilen, doch wer nach der ersten, die Marschrichtung vorgebenden Folge Pilot (1.01) am Ball bleibt, wird schnell merken, dass sich Serienschöpfer und Autoren mitnichten zu verzetteln drohen, sondern mit umfassenden Masterplan an die Sache herangehen, der tatsächlich weit über die Handlung der ersten, acht Episoden umfassenden Staffel hinausgeht, weshalb es gut zu wissen ist, dass eine Fortsetzung längst gesetzt ist.

Szenenbild aus The Politician | © Netflix
© Netflix

Im Mittelpunkt der Ereignisse steht der alles vorausplanende, seinerzeit ebenfalls überambitioniert wirkende Payton Hobart (Ben Platt), dem bereits in jungen Jahren klar war, einmal Präsident der Vereinigten Staaten zu werden oder besser: werden zu müssen. Doch Wahlkampf gibt es eben auch im kleinen Rahmen, so dass es hier zunächst einmal nur um die Wahl zum Schülervertreter gehen soll, doch dieses "nur" kann man sich alsbald in die Haare schmieren, schließlich nutzen Murphy und Konsorten die kleine, auf hipp gestylte Bühne, um einige satirische Querschläger auf das Polit-Business im Allgemeinen zu platzieren und so bedeutet dieser Wahlkampf schon mal gerne Gefahr fürs eigene Leib und Leben, was natürlich absurd überhöht und bis zum Exzess überspitzt daherkommen mag, doch genau da liegen eben auch die Stärken eines Ryan Murphy und seiner Serien-Kreationen, auch wenn er hier eine neue Meisterschaft erreicht zu haben scheint. Faszinierend wird die Chose im Grunde erst durch ihre Gegensätze und die daraus entstehende Reibungsfläche, denn als lupenreine Satire würde The Politician genauso wenig funktionieren wie als simple Highschool-Dramedy, denn dafür sind die Geschichten und persönlichen Tragödien in den meisten Fällen zu abgegriffen, zu stereotyp, um für sich bestehen zu können.

Ausnahmen bestätigen aber die Regel und das gilt beispielsweise für das aus Dusty Jackson (Jessica Lange, In Secret) und ihrer krebskranken Enkelin Infinity (Zoey Deutch) bestehende Zweiergespann, denn schnell zeichnet sich am Horizont ab, Infinity habe möglicherweise gar keinen Krebs und sei stattdessen Opfer des Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom ihrer Oma Dusty, die sich natürlich ob solcher Vorwürfe wortreich zu echauffieren versteht. Wer nun aber meint, zu wissen, wie sich die Geschichte um die beiden entwickeln würde, hat eben noch nie eine Ryan-Murphy-Serie gesehen, denn hier wie auch im Wahlkampf kommt freilich alles anders als gedacht. Kein Problem immerhin für den quasi als Politiker geborenen Payton, der sein Fähnlein jederzeit nach dem Wind zu drehen versteht und dafür auch ein Berater-Team um sich geschart hat, das wie auch er an der Grenze der Karikatur eines menschlichen Wesens entlangschrappt. Überhaupt fällt es schwer, die handelnden Figuren als echte Menschen zu betrachten, auch wenn an einer Stelle eine Figur gelobt, fortan authentischer wirken zu wollen, während eine andere im Gegenzug später mühelos einen Lügendetektor austrickst, weil es ja letztlich nur darum gehe, die eigenen Body-Feedback-Signale unter Kontrolle zu halten.

Szenenbild aus The Politician | © Netflix
© Netflix

So mäandert The Politician ohne Frage in einer auf Hochglanz polierten Scheinwelt vor sich hin, denn bei allem Zynismus mag man nicht glauben, dass dergestalt viele, emotional leere Hüllen in diesem Zerrbild von Santa Barbara ihr Dasein fristen, doch meist steckt in derlei Geschichten ja doch mehr als ein Körnchen Wahrheit. Weiteres Indiz dafür – zumindest im fiktiven Serienkosmos – sind die vermeintlich Erziehungsberechtigten, für die man neben der großartig aufspielenden Gwyneth Paltrow (Thanks for Sharing), die als Paytons Adoptivmutter Georgina auf die Macht der Musik, einer positiven Lebenseinstellung und natürlich Heilkristallen schwört, eben auch charismatische Akteure wie Dylan McDermott (ebenfalls in American Horror Story) und January Jones (Pakt der Rache) hat gewinnen können, die selbst in kleinsten Passagen sichtlich Spaß an dieser abgrundtief bösen Figurenzeichnung haben, die dann exemplarisch für eine ganze Generation verkorkster Teens herhalten dürfen, die zwar allesamt – wie gewohnt – ein wenig zu alt für ihre Rollen wirken, den von Ralph Lauren oder Tommy Hilfiger propagierten Preppy-Look allerdings gekonnt am lebenden Objekt vorzuführen verstehen.

Bei einer nur optisch anderen Ausgestaltung und dem Verzicht auf bonbonbunte Elite-Mentalität könnte The Politician im Grunde mühelos ebenso gut als psychologischer Thriller durchgehen, der hier eben nur durch das verharmlosende Heile-Welt-Feeling abgemildert wird, was aber nicht heißt, dass es im nicht übertragenen Sinne doch durchaus zu – zumindest versuchtem – Mord und Totschlag käme, wenn der Konkurrenzkampf erst einmal entfacht ist. Und der wird im Grunde schon in der ersten Episode befeuert, wenn unverhofft eine vermeintliche Hauptfigur das Zeitliche segnet und damit die Karten für die anstehende Kandidatur neu mischt, vor allem aber die Lucy Boynton (Die Tochter des Teufels) verkörperte Astrid Sloan ins Rampenlicht rücken lässt, als wenn sie nicht als hübsche weiße Blondine aus reichem Elternhaus nicht ohnehin schon genug Aufmerksamkeit bekäme. Diesem Thema nimmt sich die die Serie aber freilich genauso an wie im Grunde allem, was dieser Tage insbesondere in den Sozialen Medien die Runde macht, ob es nun um MeToo-Bewegung, Geschlechteridentität, Feminismus und Emanzipation oder eben Klimawandel, Waffengesetze und dergleichen mehr geht. Böse Zungen würden behaupten, das wäre pures Kalkül der Serienautoren, doch es verhält sich noch weit schlimmer, schließlich handelt es sich um politisches Kalkül der handelnden Figuren, die genau dadurch ihren Wahlkampf zu befeuern gedenken.

Szenenbild aus The Politician | © Netflix
© Netflix

So gibt allein schon das ungemein gelungene Intro zu The Politician dessen geheime Zutatenliste preis, denn während hier aus einem hölzernen Kasten ein echter Mensch gezimmert und geschnitzt wird, der eben am Ende aussieht wie Ben Platt als Payton Hobart, füllen wir dessen bis dahin leere Hülle mit ein paar Präsidenten-Biografien, einer (zerrütteten) Familie, schmeißen eine gute Handvoll Pillen hinein und ersäufen das Herz am besten direkt in Teer oder einer ähnlich gearteten Flüssigkeit, während es freilich noch einiger Artefakte mehr braucht, bis der fertige Politiker sein strahlendes Lächeln aufblitzen lässt. Und genauso verhält es sich bei der Handlung der Serie, die eben vielleicht auf den ersten Blick eine Polit- und/oder Highschool-Satire sein mag, im Grunde aber auf die eine oder andere Weise noch nebenbei so ziemlich jedes Thema bedient, dessen sie habhaft werden kann. Das mag negativ klingen, wird hier aber mit einer nonchalanten Selbstverständlichkeit präsentiert und offeriert, dass es eine wahre Freude ist. Ich für meinen Teil habe mich von beinahe jeder einzelnen Folge durchweg begeistern lassen können (und bin bezüglich der vielen weiteren, nicht minder spleenigen und erfrischenden Figuren und Geschichten noch nicht einmal weiter ins Detail gegangen), während natürlich insbesondere die letzte Folge Vienna (1.08) einen enorm vielversprechenden Ausblick auf das gibt, was da noch kommen mag (inklusive Bette Midler).

Fazit & Wertung:

Ryan Murphys neue Netflix-Serie The Politician verspricht "einfach alles", doch anders als echte Politiker hält sie dieses Versprechen zumeist auch ein und präsentiert sich als gleichsam beißend-bösartige, auf Hochglanz getrimmte Polit-Satire mit dramaturgisch überspitzten Begleiterscheinungen, auf deren (beschlossene) Fortsetzung ich mich jetzt schon freue.

8,5 von 10 moralisch fragwürdigen Politik-Entscheidungen

The Politician | Staffel 1

  • Moralisch fragwürdige Politik-Entscheidungen - 8.5/10
    8.5/10

Fazit & Wertung:

Ryan Murphys neue Netflix-Serie The Politician verspricht "einfach alles", doch anders als echte Politiker hält sie dieses Versprechen zumeist auch ein und präsentiert sich als gleichsam beißend-bösartige, auf Hochglanz getrimmte Polit-Satire mit dramaturgisch überspitzten Begleiterscheinungen, auf deren (beschlossene) Fortsetzung ich mich jetzt schon freue.

8.5/10
Leser-Wertung 7.67/10 (3 Stimmen)
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Episodenübersicht: Staffel 1

01. Pilot (8,5/10)
02. Die Harrington-Kommode (8/10)
03. October Surprise (8,5/10)
04. Gone Girl – Das perfekte Opfer (8/10)
05. Der Wähler (7,5/10)
06. Der Anschlag auf Payton Hobart (9/10)
07. Der Anschlag auf Payton Hobart: Teil 2 (9/10)
08. Vienna (9/10)

 
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The Politician | Staffel 1 ist seit dem 27.09.19 exklusiv bei Netflix verfügbar.

vgw

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