Weder einen Jahresrückblick noch einen Silvester-Artikel habe ich dieses Jahr vorbereitet, weil mir schlichtweg die Zeit gefehlt hat, aber dafür gibt es immerhin auch heute wieder eine Rezension, die ich nun am Rande nutze, um euch allen einen guten Rutsch und einen gelungenen Jahresausklang zu wünschen.
It Comes at Night
It Comes at Night, USA 2017, 91 Min.
© Universum Film
Trey Edward Shults
Trey Edward Shults
Christopher Abbott (Will)
Carmen Ejogo (Sarah)
Riley Keough (Kim)
Horror | Mystery | Drama
Trailer:
Inhalt:
© Universum Film
Nachdem eine grausige Pandemie um sich zu greifen begonnen hat, haben sich Paul, seine Frau Sarah und ihr gemeinsamer Sohn Travis in einem abgeschieden gelegenen Haus im Wald verschanzt und setzen alles daran, niemandes Aufmerksamkeit zu erregen, denn schon die kleinste Berührung könnte sie ebenfalls infizieren, weshalb sie sich außerhalb ihrer eigenen vier Wände nach Möglichkeit mit Schutzmaske und Handschuhen bewegen. Eines Nachts schreckt die Familie auf, als sich ein Unbekannter Eintritt zu verschaffen versucht, doch Paul gelingt es, ihn zu überwältigen. Der stellt sich als Will vor und gibt an, geglaubt zu haben, das Haus stünde leer, derweil er sich auf der Suche nach Nahrung für seine Frau und ihr Kind befunden habe. Paul ist sich mitnichten sicher, dass er dem Fremden trauen kann, doch will er zumindest sehen, was hinter dessen Geschichte steckt, nicht ahnend, was dieser Entschluss für sich und seine Familie bedeuten wird…
Rezension:
Nach vielen lobenden und gleichsam vielen enttäuschten Stimmen lag es nun an mir, mir bezüglich It Comes At Night ein eigenes Bild zu machen, denn derlei spaltende, um nicht zu sagen polarisierende Filme reizen ja schon grundsätzlich mein Interesse, ganz davon abgesehen, dass man mich mit endzeitlich orientierten Survival-Storys ja eigentlich immer bekommt. Hier nun scheint das Grundproblem der wankelmütigen Akzeptanz einmal mehr das Marketing gewesen zu sein, wie es beispielsweise auch bei The Witch der Fall gewesen ist, derweil sich die beiden Filme ohnehin in vielen Belangen gleichen, fernab dessen, dass es sich freilich in beiden Fällen lohnt, ihnen Zeit und Aufmerksamkeit zu widmen, so man sich denn eben keinen klassischen Horror-Schocker erwartet, der nun auch It Comes At Night beileibe nicht geworden ist und niemals sein wollte. Stattdessen handelt es sich – neben dem Survival-Aspekt – im Grunde um ein klassisches Familien-Drama vor ungewöhnlicher Kulisse, das zunehmend auf die wachsende Paranoia und wechselseitiges Misstrauen setzt, als profan ein Monster – oder in diesem Fall wohl besser einen Infizierten – des nachts heranspazieren zu lassen.
© Universum Film
So erstrecken sich die eigentlichen Schockmomente im Grunde samt und sonders auf Travis‘ Alpträume, die ihn zuverlässig jede Nacht heimsuchen und bei denen Regisseur und Drehbuchautor Trey Edward Shults still und heimlich ins Cinemascope-Format wechselt, um das Entrückte, Fremdartige und Bedrohliche noch zu unterstreichen. So ist es auch weit mehr Kelvin Harrison Jr., der hier als Travis die eigentliche Hauptrolle des Films innehat, denn auch wenn der von Joel Edgerton (Midnight Special) verkörperte Paul einen unbestreitbar dominanten Part in dem Reigen hat, fokussieren der Blickwinkel und die Erzählperspektive doch weit eher auf den zunehmend verängstigten Travis. Aus dessen Warte erlebt man, wie die kleine Familie sich ob innerer wie äußerer Einflüsse zunehmend aufzureiben beginnt, denn gleichwohl Paul einiges an Vorkehrungen getroffen hat, ihr Überleben zu sichern, wirkt das abgeschiedene Haus schon bald nicht mehr wie eine sichere Zuflucht, zumal Travis ohnehin in jeder Nacht von den draußen lauernden Schrecken – ob real oder eingebildet – heimgesucht wird. Entsprechend kryptisch bleibt bis zuletzt im Grunde auch der Filmtitel It Comes At Night und überlässt die Deutungshoheit dem Zuschauer, wobei ich die Variante favorisiere, dass damit Travis‘ Alpträume gemeint sind.
Ansonsten aber ist nach kurzer Zeit der Titel auch dahingehend Programm, dass sich weite Teile des Geschehens im Dunkeln abspielen und damit wie automatisch eine bedrohliche und beklemmende Atmosphäre heraufbeschwören, bei der man andernorts vermuten und erwarten würde, dass gleich ein Monster um die Ecke springt. Diese Art profanen Schrecken gedenkt Shults aber gar nicht zu verbreiten und konzentriert sich stattdessen lieber auf elementare Gefühle und eine tiefer sitzende, von innen kommende Angst vor dem Unbekannten, die er in durch Mark und Bein gehende Weise zu verhandeln versteht und seine Protagonisten damit auf moralisch ambivalentes Terrain bewegt. Dem eindringlich aufspielenden Edgerton steht dabei zuvorderst Christopher Abbott (Sweet Virginia) als undurchsichtiger Eindringling Will gegenüber, bei dem man bis zuletzt nicht genau zu wissen meint, woran man ist und ob ihm zu trauen sein kann, zumal sich diese Undurchsichtigkeit auch in Wills Mimik und Aussagen widerspiegelt.
© Universum Film
Über einen derartigen thematischen und atmosphärischen Abriss hinaus ist es allerdings schwer, zu It Comes At Night Stellung zu nehmen, ohne dadurch bedeutende Wendungen oder dergleichen vorwegzunehmen, was in dem Fall ein mehr als ärgerlicher Fauxpas wäre, weshalb ich mich damit begnüge, auf die allgemeine Eindringlichkeit des Geschilderten, den überaus reduzierten, aber dadurch umso reizvolleren Stil zu unterstreichen und hinsichtlich der Besetzung einzig noch anzumerken, dass einzig – und ausgerechnet – Riley Keough (The Girlfriend Experience) mich hier ein wenig enttäuscht hat, was aber nicht an ihr, sondern an der ihr vom Skript zugedachten Rolle liegt, die sie doch meistenteils gehörig ins Hintertreffen geraten lässt. Ansonsten bietet der Film zwar auch nichts substantiell Neues, doch arrangiert er seine überschaubare Anzahl handelnder Figuren in dem kammerspielartigen Setting so gekonnt, weiß Stimmung, Atmosphäre und die stets vorherrschende Dunkelheit so effektiv zu nutzen, dass Shults hier ein ungemein lohnenswertes, existentialistisches wie auch fatalistisches Survival-Drama gelingt, das durch seine Horror- und Mystery-Elemente noch veredelt wird.
It Comes At Night
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Nächtliche Alpträume - 8/10
8/10
Fazit & Wertung:
Mit It Comes At Night bewegt sich Regisseur und Drehbuchautor Trey Edward Shults souverän und selbstbewusst fernab ausgetretener Horror-Pfade und liefert vor endzeitlicher Kulisse stattdessen ein eindringliches und beklemmendes Drama, dem die atmosphärisch stets anhaftende Bedrohlichkeit den letzten Schliff verleiht.
It Comes at Night ist am 25.05.18 auf DVD und Blu-ray bei Universum Film erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!