Yeah, Wochenende! Und schon feiere ich die Abkehr vom Horror-Genre und präsentiere stattdessen einen herrlich dicht, aber auch irritierend ruhig erzählten Thriller, der mir zufällig vor die Nase gelaufen ist.
Sweet Virginia
Sweet Virginia, CA/USA 2017, 93 Min.
© EuroVideo
Jamie M. Dagg
Paul China
Benjamin China
Jon Bernthal (Sam Rossi)
Christopher Abbott (Elwood)
Imogen Poots (Lila Mccabe)
Rosemarie DeWitt (Bernadette Barrett)
Drama | Thriller
Trailer:
Inhalt:
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Die Bevölkerung einer abgelegenen Siedlung in Alaska sind sichtlich geschockt, als ein grausamer Dreifachmord die ländliche Idylle erschüttert und verständlicherweise sind auch die trauernden Witwen Lila und Bernadette am Boden zerstört, während es den hiesigen Motel-Besitzer Sam zunächst nur dahingehend tangiert, dass er eine Affäre zu Bernadette unterhält. Was noch niemand ahnt ist, dass Lila selbst den Auftragskiller angeheuert hat, um ihren Mann ermorden zu lassen, so dass es sich bei den anderen beiden Männern im Grunde um Kollateralschäden handelt. Während Lila allerdings erkennen muss, dass für sie mitnichten alles nach Plan läuft, quartiert sich der Killer Elwood unerkannt in Sams Motel "Sweet Virginia" ein…
Rezension:
Auch wenn ich oft und gerne proklamiere, so gut wie keine Trailer mehr zu konsumieren (meist entscheide ich mich tatsächlich allein aufgrund von Cast und/oder Regisseur für einen Film) bin ich auf Sweet Virginia tatsächlich in der Programmvorschau einer anderen Blu-ray aufmerksam geworden, woraufhin der Film – dank Jon Bernthal – prompt auf meiner imaginären Wunschliste gelandet und jüngst auf meinem Stapel ungesehener Filme gelandet ist. Wie es der Zufall will, handelt es sich wie schon beim jüngst besprochenen Come and Find Me derweil um ein Skript, das 2012 auf der "Black List" der vielversprechendsten, unverfilmten Drehbücher gestanden hat. Vom Titel des Films in die Irre geführt, dachte ich im Vorfeld auch, er würde wohl in Virginia spielen, doch weit gefehlt, ist die Geschichte in der ländlichen Abgeschiedenheit Alaskas angesiedelt, wo Hauptfigur Sam Rossi ein Motel mit Namen "Sweet Virginia" betreibt. Eigentlicher Ausgangspunkt des Plots ist allerdings der Mord an gleich drei Männern, der unvermittelt die Gewalt ins verschlafene Örtchen bringt, wobei das Rätsel darum, weshalb die Männer haben sterben müssen, nicht lange ein Geheimnis bleibt.
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Seine Stärke bezieht Sweet Virginia ohne Frage aus der dräuenden Atmosphäre und einer unterschwelligen Spannung, die den gesamten, kaum neunzig Minuten dauernden Reigen durchzieht, denn das Skript – wenn auch mit dem Prädikat "vielversprechend" geehrt – ist gar nicht mal so ungewöhnlich und überraschend, wie man das vielleicht hoffen würde, so dass vieles von dem, was in diesem als Neo-Noir-Film inszenierten Thriller-Drama passiert den versierten Zuschauern durchaus bekannt vorkommen dürfte. Dennoch funktioniert der Plot eben insbesondere dank seiner einzigartigen Atmosphäre ausnehmend gut, während der eigentliche Thrill nur in einzelnen, ausgesuchten Szenen und Gewaltspitzen zu finden ist und sich die Geschichte ansonsten ruhig und charakterfokussiert entwickelt, womit der Cast auch ordentlich Gelegenheit zu glänzen bekommt, zumal insbesondere Jon Bernthal (The Punisher) eben nicht als rabiater Problemlöser unterwegs ist und sich trotz seiner Physis überraschend zurücknimmt, was ihm nicht nur gut zu Gesicht steht, sondern mich auch prompt an seinen Auftritt an Wind River hat denken lassen, der schließlich mit ähnlich einnehmender Atmosphäre zu überzeugen wusste.
An die Souveränität eines Taylor Sheridan kommt Regisseur Jamie M. Dagg in seinem zweiten Spielfilm zwar nicht annähernd heran, drückt dem Geschehen in seiner sorgfältig-konstruierten Inszenierung aber dennoch bereits seinen eigenen Stempel auf, wenn man sich denn für diese Art eines entschleunigten Thrillers erwärmen kann, der eben weniger mit reißerischer Action sondern mit eindringlichen Charakterszenen für sich einzunehmen versteht. In dieser Hinsicht sticht insbesondere Christopher Abbott (Whiskey Tango Foxtrot) aus dem Cast heraus, der hier den wortkargen wie undurchsichtigen Killer gibt, den zwar jederzeit die Aura der Bedrohlichkeit umgibt, den aber trotzdem zunächst niemand in Verdacht hat, für die kürzlich verübten Morde verantwortlich zu sein. Bis zuletzt vermag Abbott mit einem ungemein beherrschten Schauspiel zu punkten und verströmt gleichsam eine archaische, mit Mühe gezügelte Stärke und Wut, die seinen Charakter umtreibt. So hat Sweet Virginia seine besten Momente auch immer dann, wenn Bernthal und Abbott sich die Leinwand teilen dürfen, auch wenn man aus ihrer sich nur andeutungsweise anbahnenden Männerfreundschaft sicherlich noch mehr hätte machen können.
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Nicht ganz so gut ergeht es der weiblichen Hauptbesetzung, bestehend aus Imogen Poots (Green Room) und Rosemarie DeWitt (Kill the Messenger), die beide durchaus noch ein wenig mehr Screentime hätten vertragen können, doch im Rahmen ihrer jeweiligen Rolle wissen auch sie beide zu überzeugen, derweil Poots‘ Charakter Lila letztlich verantwortlich ist für den Schrecken, der sich in dem kleinen Örtchen Bahn bricht und noch ereignen wird. Vieles von dem, was im Verlauf von Sweet Virginia passiert, mag dabei von langer Hand abzusehen sein, doch tut das tatsächlich der Spannung und Faszination des Gezeigten keinen Abbruch, da hier tatsächlich die Inszenierung über manch schwächeren Drehbuch-Part hinwegzutrösten weiß, zumal speziell das konsequente, der Versuchung zum Exzess widerstehende Finale für sich einzunehmen weiß und die bewusste Bodenständigkeit des Gezeigten noch untermauert. Dadurch gewinnt die Geschichte nämlich zusätzlich, wenn sich weder alles in Wohlgefallen auflöst, noch der Motel-Besitzer sich zum unverwundbaren Helden aufschwingt, was beides zu einem in sich unglaublich stimmigen Filmvergnügen beiträgt, das für die nächsten Jahre auf Großes von Regisseur Dagg hoffen lässt.
Sweet Virginia
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Verbrechen in einer Kleinstadt - 7/10
7/10
Fazit & Wertung:
Jamie M. Dagg präsentiert mit Sweet Virginia ein stilistisch absolut souverän inszeniertes Thriller-Drama, das weniger mit seinem eigentlichen Plot, dafür aber umso mehr mit vielschichtigen, glaubhaften Figuren, einer einzigartigen Atmosphäre und einer dramaturgisch bodenständigen Geschichte überzeugt, die durch die jederzeit unterschwellig vorherrschende Spannung den letzten Schliff erhält. Sicherlich ein eher langsamer, ruhiger, aber gleichermaßen grimmiger und eindringlicher Neo-Noir-Film.
Sweet Virginia ist am 25.01.18 auf DVD und Blu-ray bei EuroVideo erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!