Heute geht es mal wieder um ein Werk aus der Millar’schen Kreativschmiede, auch wenn sich hier durchaus die eine oder andere kleine Abnutzungserscheinung erkennen lässt.
Prodigy
Die böse Erde
Prodigy Volume 1: The Evil Earth (#1-6), USA 2019, 168 Seiten
© Panini
Mark Millar
Rafael Albuquerque
Panini Verlag
978-3-741-61564-1
Action | Abenteuer | Krimi | Science-Fiction
Inhalt:
Ethan Crane ist der Inbegriff eines Universalgelehrten, ein sprichwörtlicher Alleskönner mit fotografischem Gedächtnis, mannigfaltigen Talenten und einem ausgeprägtem Faible für sowohl körperliche wie auch geistige Herausforderungen. So widmen sich Teile seiner Selbst der Abwehr eines in siebzehn Jahren auf der Erde einschlagenden Asteroiden, während er gleichzeitig komponiert, Rätsel löst und ein Imperium führt, denn natürlich hat ihn sein schier grenzenloses Wissen und Können längst zum mitunter reichsten Mann der Welt gemacht. Nun kontaktiert ihn eine Agentin der CIA und wartet mit einer aberwitzigen Geschichte auf, die von nichts weniger als der Invasion von einer Parallelerde kündet und das scheint doch wirklich mal ein interessanter Fall zu sein, dem Crane sich gerne zu widmen bereit ist, zumal die Recherchen quer um den Globus führen und dabei zahlreiche seiner Talente erfordern…
Rezension:
Nach The Magic Order folgt nun mit Prodigy: Die böse Erde der nächste Wurf seitens Mark Millar, der bereits im Vorfeld mit Blick auf eine mögliche Serien-Adaption seitens Netflix konzipiert worden ist. Und auch diesmal bleibt Millar seinem Habitus treu, außergewöhnliche wie actionreiche Storys zu kreieren, die sich dem bedienten Genre aus einer unerwarteten und frischen Richtung nähern. Das betrifft diesmal mehr denn je die Hauptfigur Ethan Crane, der sozusagen als bestmögliche Verquickung aus Sherlock Holmes, James Bond und vielleicht noch Tony Stark betrachtet werden darf und entsprechend vielseitig begabt und versiert ist. Ja regelrecht überlebensgroß ist dieser Crane und erinnert wohl eher an einschlägige Superhelden denn an einen echten Menschen, aber das ist von dem ohnehin oft in anderen Maßstäben denkenden Millar sicherlich auch so beabsichtigt gewesen. Entsprechend darf die aus sechs Einzelheften bestehende Story – die zwar als Band, beziehungsweise Volume 1 geführt wird, mich einstweilen aber bezüglich einer möglichen Fortsetzung skeptisch bleiben lässt – gleichermaßen als Hommage wie beinahe schon Satire verstanden werden, mit der sich Millar vor genannten und ähnlich gelagerten "Helden" augenzwinkernd verbeugt.
Dabei lässt sich Millar durchaus Zeit, seinem Protagonisten eine ordentliche Exposition zuteilwerden zu lassen und zeigt zunächst einmal dessen mannigfaltige Fähigkeiten und Talente auf, damit sein späteres Verhalten nicht mehr ganz so sehr wie aus dem Hut gezaubert wirkt, gleichwohl Crane seiner Natur nach dennoch mehrfach als Mensch gewordene Deus ex machina daherkommt. Das ist in diesem speziellen Fall aber nicht einmal abwertend gemeint, da es im Grunde zum Konzept der Figur gehört, dass sie sich mit oft aberwitzig anmutenden – und logisch kaum erklärbaren- Manövern und Taktiken aus jedweder brenzligen Situation herauszuwinden vermag. Entsprechend amateurhaft kommt allein die Crane zur Seite gestellte CIA-Agentin Straks daher, die sich aber immerhin dank Jahre währender Ausbildung und wachem Verstand durchaus zu behaupten weiß, wenn Cranes nächster Schachzug sie nicht gerade wieder in staunendes Unverständnis stürzt.
Während aber vieles an der Geschichte an einschlägige Abenteuer- und Actionfilme denken lässt – und dadurch deutlich macht, dass bereits im Hinterkopf die Serien-Fassung Gestalt anzunehmen beginnt –, verlegt sich Millar hinsichtlich der Gegenseite auf eine außerweltliche Bedrohung, die irgendwo dem Reich der Fantasie entstammt und zusammen mit Cranes unfassbaren Fähigkeiten dem Ganzen noch mehr die Bodenhaftung entzieht. Einerseits erscheint es nur logisch, dass einzig eine unbekannte Gefahr von außerhalb den Protagonisten auch nur ins Schwitzen zu bringen vermag, doch andererseits hätte es mir besser gefallen, wäre der Plot weiterhin der uns bekannten Welt verhaftet geblieben, wodurch einzig Ethan Crane das außergewöhnliche Element gewesen wäre, was ihn noch ganz anders zur Geltung gebracht hätte. Vor allem aber scheint Millar bis zuletzt nicht so richtig etwas mit den Schurken anzufangen zu wissen und so wirkt insbesondere das Finale überraschend antiklimatisch. Da helfen dann auch die beinahe schon obligatorischen Wendungen zum Schluss nicht mehr wirklich, das Geschehen in ein besseres Licht zu rücken. Damit meine ich nicht, dass die Story von Prodigy: Die böse Erde schlecht wäre, doch folgt eben auch ein Erfolgsautor wie Mark Millar einem immer ähnlichen Konzept, was sich hier deutlich erkennen lässt und folglich wenig überrascht.
Während ihm aber dramaturgisch nun wirklich nicht der nächste große Wurf glückt, weiß das Abenteuer um Ethan Crane aber durchweg zu unterhalten, auch wenn die Geschichte im Mittelteil unnötig verworren und gehetzt wirkt. Nichts zu bemängeln gibt es derweil an der optischen Aufbereitung, denn für den vorliegenden Band hat sich Mark Millar einmal mehr mit Rafael Albuquerque zusammengetan, mit dem er auch schon Huck – Held wider Willen geschrieben hat. So bleibe ich weiter gespannt, was Millars Netflix-Deal noch so alles an spannenden Geschichten – und dann eben auch mögliche Serien-Adaptionen hervorbringen wird und kann auch Prodigy: Die böse Erde mit gutem Gewissen empfehlen, auch wenn sich hier viele Versatzstücke finden lassen, die der Autor schon andernorts – und manches Mal effektiver – genutzt hat, um seiner Story den letzten Schliff zu verleihen.
Prodigy: Die böse Erde
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Schachzüge eines Universalgenies - 7.5/10
7.5/10
Fazit & Wertung:
Mark Millar schafft mit Prodigy: Die böse Erde eine weitere gelungene Hommage, die sich diesmal in Gestalt von Ethan Crane der Verquickung aus Sherlock Holmes und James Bond widmet, was ihn zu einem Ausnahmehelden par excellence macht. So überzeugend aber der Protagonist, schwächelt die Storyline zuweilen ein wenig und hätte durchaus noch etwas dramaturgischen Feinschliff vertragen können, was aber immerhin dem hohen Unterhaltungswert kaum abträglich ist.
Prodigy 1: Die böse Erde ist am 21.01.20 im Panini Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!