Review: Tyler Rake: Extraction (Film)

Kommen wir heute nach gestrigem Totalausfall mal wieder zu einem – meines Erachtens – ungemein empfehlenswerten, gelungenen Film, mit dessen nachfolgender Rezension ich euch dann vorläufig wieder ins Wochenende entlasse.

Tyler Rake: Extraction

Extraction, 2020, 116 Min.

Tyler Rake: Extraction | © Netflix
© Netflix

Regisseur:
Sam Hargrave
Autoren:
Joe Russo (Drehbuch & Comic-Vorlage)
Ande Parks (Comic-Vorlage)
Anthony Russo (Comic-Vorlage)

Main-Cast:

Chris Hemsworth (Tyler Rake)
Rudhraksh Jaiswal (Ovi Mahajan)
Randeep Hooda (Saju)
Golshifteh Farahani (Nik Khan)
Pankaj Tripathi (Ovi Mahajan Sr.)
David Harbour (Gaspar)

Genre:
Action | Thriller

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Tyler Rake: Extraction | © Netflix
© Netflix

Nachdem der vierzehnjährige Ovi von dem Kontrahenten seines inhaftierten Vaters – einem mächtigen Drogenboss – entführt worden ist, heuert dessen Onkel Saju eine Söldner-Organisation an, um ihn zu befreien und aus Dhaka herauszuholen. Einsatzleiterin Nik wendet sich hierfür an den kampferprobten, aber mittlerweile in desolatem Zustand befindlichen Tyler Rake, der die "Extraktion" des Jungen vornehmen soll. Den aus den Händen der Kidnapper zu befreien, geht noch vergleichsweise leicht vonstatten, doch schon vor Erreichen des Treffpunkts stellen sich erste Probleme ein, zumal die Söldnertruppe noch immer auf die zweite Rate wartet, während Amir als Unterweltboss von Dhaka zum Sturm auf Tyler Rake bläst und sowohl Polizei als auch Militär aktiviert, um ihn daran zu hindern, aus der Stadt zu gelangen. Unterdessen hat Saju seinen ganz eigenen Plan entwickelt, um Ovi sicher nach Hause zu bringen, doch der verläuft natürlich gänzlich konträr zu dem, was Tyler Rake als seine Pflicht betrachtet…

Rezension:

Eigentlich wollte ich schon viel früher – also näher am Startdatum Ende April – über Tyler Rake: Extraction berichtet haben, doch hat sich eben jetzt erst die Gelegenheit geboten, dem Regie-Debüt von Sam Hargrave einen Besuch abzustatten. Gemessen daran, dass der sich seine Meriten als Stunt-Double und -Koordinator verdient hat, hatte ich doch auch durchaus einige Erwartungen an diesen offensiv beworbenen Action-Reißer, die hinsichtlich der inszenatorischen Souveränität und Finesse auch nicht enttäuscht worden sind. Der Plot hingegen, fußend auf der Graphic Novel Ciudad, hier allerdings nach Bangladesch, genauer in dessen Hauptstadt Dhaka verlegt, reißt natürlich grundsätzlich nicht allzu sehr von den Socken und dreht sich im Grunde zwei Stunden darum, den Jungen Ovi aus der Stadt zu bekommen, also – in der Sprache des Profis Tyler Rake – zu extrahieren. In Sachen Dramaturgie hatte ich mir aber auch ehrlicherweise kaum mehr erwartet und da es trotz allem enorm abwechslungsreich zur Sache geht, soll das auch nicht unbedingt Stein des Anstoßes sein. Nun ist man ja in der deutschen Betitelung des Streifens hingegangen und hat noch den Namen des Protagonisten vor die Extraction gepackt, was dahingehend nicht blöd war, da mittlerweile schon eine Fortsetzung ins Auge gefasst worden ist, wir es hier also durchaus demnächst mit einer Art neuem Franchise zu tun bekommen könnten.

Szenenbild aus Tyler Rake: Extraction | © Netflix
© Netflix

Damit einhergehend müht sich Drehbuchautor Joe Russo, dem Protagonisten in den ruhigeren Momenten auch ein wenig Profil angedeihen zu lassen, das über seine Kampffähigkeiten hinausgeht, wobei ich hier sagen muss, dass das schon alles reichlich bemüht und klischeebeladen wirkt, denn natürlich ist Tyler Rake ein gebrochener Mann, hat seinen Sohn verloren und ist nur deshalb so draufgängerisch unterwegs, weil er das Schicksal herauszufordern gedenkt und regelrecht darauf hofft, sich bei einem seiner Einsätze selbst eine Kugel einzufangen, wie seine Kollegin beziehungsweise Auftraggeberin Nik (Golshifteh Farahani) bereits früh im Film anmerkt. Hier hätte man also durchaus etwas an Leinwandminuten einsparen können, denn diese Art Profilierung wirkt eben im Kontext nicht gerade organisch in das Geschehen gebettet und lässt Tyler mehr wie eine Kunstfigur wirken, als es der auf ernst und beinhart getrimmte Plot erwarten lassen würde. Aber gut, man kann nicht behaupten, sich in diesen wenigen Momenten von Exposition und rudimentärer Charakterentwicklung zu langweilen und da, wo bei einer solchen Art Film das Hauptaugenmerk liegen sollte, überzeugt Tyler Rake: Extraction auf ganzer Linie.

In Zeiten familientauglicher Action, zu denen sicherlich auch das MCU und somit Chris Hemsworth (Thor) beigetragen hat, ist es sowieso ein Wagnis, einen derart erwachsenen, in diesem Kontext also expliziten Film zu drehen und hier überrascht Hargraves Debüt mit ansprechender Härte, zumal nicht nur die Action als solche ungemein abwechslungsreich daherkommt und von tätlichen Auseinandersetzungen über Feuergefechte bis hin zu Messerkämpfen und Autoverfolgungsjagden alles bietet, was man sich so erwarten oder erhoffen würde. Gefilmt und inszeniert ist das jederzeit formidabel und insbesondere Zugpferd Hemsworth kann sich hier richtig austoben, wobei auch sein anfänglicher Kontrahent Saju (Randeep Hooda) eine mehr als ebenbürtige Figur macht. Mag sich Extraction also zuweilen auf Klischees verlassen, täuscht das zum Glück nicht darüber hinweg, dass man hier in Sachen Action und Thrill eine echte Perle präsentiert bekommt, die zwar im letzten Drittel beinahe ein wenig über das Ziel hinausschießt, aber dennoch zu jedem Zeitpunkt zu überzeugen weiß.

Szenenbild aus Tyler Rake: Extraction | © Netflix
© Netflix

Da sieht man dann auch bereitwillig über die kleinen Längen hinweg, derer es zwar nicht bedurft hätte, die aber auch das Geschehen nie soweit ausbremsen, dass man es mit dem Augenrollen bekäme, zumal das Team-up zwischen dem "Extraktions-Profi" Rake und dem einfühlsamen Ovi (Rudhraksh Jaiswal) ebenfalls gelungen ist, was sich speziell in der Episode mit David Harbour bemerkbar macht, der hier ein kurzes wie eindringliches Gastspiel geben darf und sich bei mir nach dem Totalausfall Hellboy rehabilitiert hat. Von solchen kleinen Story-Schlenkern aber einmal abgesehen ist Tyler Rake: Extraction aber auch ungemein stringent konzipiert und inszeniert, was zwar dazu führt, dass man zu keinem Zeitpunkt glauben mag, Rake würde den jungen Ovi womöglich zurücklassen, wie es einmal angedeutet beziehungsweise von ihm gefordert wird, doch wäre es auch noch weit billiger gewesen, wirklich so zu tun, als könne das Publikum dies glauben, denn vom Helden-Image spielt sich Hemsworth hier nun doch in keiner Sekunde frei, auch wenn er mit teils brutalsten Methoden und ohne falsche Scheu seine Widersacher zur Strecke bringt. Das wäre vielleicht noch ein Punkt, über den man hier nicht länger nachdenken sollte, denn ganz davon abgesehen, dass Rake gefühlte Hundertschaften an Militärs und Polizisten ausschaltet und trotz mancher Blessur und Verletzung stets die Oberhand behält, steht die Ermordung eines halben Staatsapparates – freilich unter korrupter Führung – irgendwie in keinem Verhältnis zu der Rettung eines einzigen Jungen, aber das mögen Überlegungen sein, die man auch bei ähnlich gearteten Action-Streifen nicht unbedingt anstellen sollte.

Fazit & Wertung:

Mit gebotener Härte und inszenatorischer Souveränität kredenzt Sam Hargrave mit Tyler Rake: Extraction ein Regie-Debüt der Extraklasse, das zwar dramaturgisch nicht ganz ausgereift und eher plakativ sein mag, dafür aber mit superber Action und reichlich Abwechslungsreichtum zu punkten weiß und trotz leichter Längen im Mittelteil zwei Stunden lang in den Sessel zu pressen vermag.

8 von 10 Straßenkämpfen

Tyler Rake: Extraction

  • Straßenkämpfe - 8/10
    8/10

Fazit & Wertung:

Mit gebotener Härte und inszenatorischer Souveränität kredenzt Sam Hargrave mit Tyler Rake: Extraction ein Regie-Debüt der Extraklasse, das zwar dramaturgisch nicht ganz ausgereift und eher plakativ sein mag, dafür aber mit superber Action und reichlich Abwechslungsreichtum zu punkten weiß und trotz leichter Längen im Mittelteil zwei Stunden lang in den Sessel zu pressen vermag.

8.0/10
Leser-Wertung 7/10 (1 Stimmen)
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Tyler Rake: Extraction ist seit dem 24.04.2020 exklusiv bei Netflix verfügbar.

vgw

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