Review: The Gray Man (Film)

Ich habe tatsächlich mal wieder etwas zu einem Film geschrieben und hoffe sogar, dass mir das diese Woche noch öfter gelingt! Jetzt aber erst einmal viel Spaß mit meinem neuesten Artikel und den teils durchaus wohlwollenden Worten, die ich für diesen doch sehr verpönten Film letztlich finde.

The Gray Man

The Gray Man, USA 2022, 122 Min.

The Gray Man | © Netflix
© Netflix

Regisseure:
Anthony Russo
Joe Russo
Autoren:
Joe Russo (Drehbuch)
Christopher Markus (Drehbuch)
Stephen McFeely (Drehbuch)
Mark Greaney (Buch-Vorlage)

Main-Cast:
Ryan Gosling (Six)
Chris Evans (Lloyd Hansen)
Ana de Armas (Dani Miranda)
in weiteren Rollen:
Jessica Henwick (Suzanne Brewer)
Regé-Jean Page (Carmichael)
Wagner Moura (Laszlo Sosa)
Julia Butters (Claire)
Dhanush (Avik San)
Alfre Woodard (Margaret Cahill)
Billy Bob Thornton (Fitzroy)

Genre:
Action | Thriller

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus The Gray Man | © Netflix
© Netflix

Jahre ist es her, dass der inhaftierte Court Gentry von CIA-Mitarbeiter Donald Fitzroy für die Agency rekrutiert worden ist und seither unter dem Codenamen Sierra Six angeordnete Tötungen und dergleichen vollzieht. Dabei hat er sich längst zum geschätzten wie gefürchteten Auftragskiller gemausert und ist nun jüngst von CIA-Operationsleiter Denny Carmichael nach Thailand entsandt worden, wo ihm auch Agentin Dani Miranda unterstützend zur Seite steht. Die Angelegenheit verläuft diesmal aber längst nicht so glatt, wie man es gemeinhin erwarten würde und zu seiner Verwunderung muss Six feststellen, dass er diesmal anscheinend auf einen anderen Sierra-Killer angesetzt worden ist, der ihm kurz vor seinem Ableben einen USB-Stick überreicht. Das belastende Material, das sich auf dem Stick befindet, soll selbstredend besser nicht entschlüsselt, geschweige denn öffentlich zugänglich gemacht werden, weshalb der vor Wut schäumende Carmichael den ausgewiesenen Soziopathen Lloyd Hansen hinzuzieht, der sich als Freelancer weder Regeln noch Gesetzen verpflichtet fühlt und mit diebischer Freude beginnt, Jagd auf den fahnenflüchtigen Six zu machen…

Rezension:

Viel Aufhebens wurde im Vorfeld um The Gray Man gemacht und die Berichterstattung überschlug sich schier mit Superlativen und Versprechen, was natürlich eine immense Erwartungshaltung generiert hat, die eigentlich nur enttäuscht werden konnte. Das tat sie, und wie so viele Netflix-Filme fiel auch dieser schnell in Ungnade, wobei ich durchaus bereit und gewillt bin, eine Lanze für den Action-Streifen zu brechen, denn so unsäglich, wie man in Anbetracht der teils vernichtenden Kritiken denken würde, ist der neue Wurf der Russo-Brüder nun wirklich nicht geworden. Die haben nicht erst mit Infinity War und Endgame schon reichlich Blockbuster-Expertise sammeln können, sondern haben sich zuvor schon mit Chris Evans als Captain America bei The Winter Soldier und Civil War austoben dürfen, die ja in weiten Teilen auch beinharte und oft ernste Action-Reißer gewesen sind und vergleichsweise wenig mit den "üblichen" Superheldenfilmen der Marvel-Schmiede zu tun hatten. Evans derweil haben sie auch hier wieder an Bord geholt und ihm wohl auch die Hauptrolle des in Ungnade fallenden Auftragskillers Sierra Six offeriert, die er allerdings zugunsten der Möglichkeit, den Bösewicht spielen zu können, dankend abgelehnt hat.

Szenenbild aus The Gray Man | © Netflix
© Netflix

Damit wären wir auch direkt bei einer der unumstößlichen Stärken und glücklichen Zufälle des Films, denn eigentlich ist die Figur des Antagonisten und Soziopathen Lloyd Hansen vergleichsweise flach und uninspiriert geschrieben. So bedient sie lediglich gängige Klischees eines skrupellosen Agenten mit Hang zum Sadismus, doch dank Evans‘ spürbar diebischer Freude, ein solches – pardon – Arschloch verkörpern zu dürfen, was dessen selbstverliebte Arroganz trefflich verstärkt, funktioniert die Figur selbst in ihrer Eindimensionalität als Alphatier-Vertreter hervorragend. Ähnliches gilt für Sierra Six, der bekanntermaßen von dem aus der Versenkung zurückgekehrten Ryan Gosling verkörpert wird, der gleichsam nichts von seinem Charisma eingebüßt hat und bereits in Nicolas Winding Refns Drive und Only God Forgives hat üben dürfen, weitestgehend wortkarg, dafür aber – so es die Situation erfordert – gleichermaßen rabiat zu Werke zu gehen. Ganz so wortkarg, wie man meinen würde, ist hier aber am ehesten noch Protagonist Six unterwegs, denn ansonsten könnte man durchaus behaupten, dass The Gray Man nur dadurch die Zwei-Stunden-Schwelle knackt, weil teilweise so ellenlang schwadroniert wird, was okay wäre, wenn hier nicht lediglich Plattitüden und Offensichtliches zum Besten gegeben würden.

Bestes Beispiel hierfür – und gleichzeitig mit dem undankbarsten Part des ganzen Films "gesegnet" – ist Jessica Henwick in der Rolle der CIA-Agentin Suzanne Brewer, denn gemessen daran, dass man sie unter anderem ebenfalls aus dem (Netflix-)MCU kennen und in Iron Fist als durchaus schlagkräftige Person hat kennenlernen dürfen, wird sie hier als reichlich überflüssige Tatsachen-Kommentatorin verheizt, deren tieferer Daseinszweck sich mir absolut nicht erschlossen hat. Ganz anders ergeht es da immerhin – und zum Glück – Ana de Armas (Blade Runner 2049) als Dani Miranda, zumal die sich auf Augenhöhe mit Goslings und Evans‘ Figuren bewegen darf und eben auch nicht bloßes Eye-Candy sein soll, sondern sogar eher eine der differenzierter gezeichneten Figuren in The Gray Man darstellt. Das Potential, den Film als Start einer Reihe, eines ganzen Franchise mit Spin-Offs und Fortsetzungen, zu präsentieren, erkenne ich jetzt zwar bei weitem nicht, doch von ihrer Figur würde man sicherlich gerne noch mehr sehen wollen, was im Übrigen auch für den Auftragskiller Avik San gilt, dargestellt vom indischen Superstar Dhanush, der nicht nur in Sachen Action ein beeindruckendes Gastspiel abliefert. Überhaupt kann die Action sich weitestgehend sehen lassen, auch wenn hier handwerklich manchmal noch ein wenig mehr Sorgfalt und Fingerspitzengefühl schön gewesen wären. So verwundert es schon, dass man bei der umfassenden Blockbuster-Erfahrung, wie sie die Russos nun eben mitbringen, ausgerechnet in Sachen Kampf-Choreo hie und da Abstriche machen muss, wobei hier natürlich auch immer die Frage ist, wie es um den Rest des Teams (Stunt-Koordinatoren, Kamera-Crew, etc.) bestellt ist.

Szenenbild aus The Gray Man | © Netflix
© Netflix

Grundsätzlich kann sich das Gezeigte aber allemal sehen lassen und bietet auch einiges an Abwechslung und Schauwerten, zumal man selbstredend auch hier wieder in bester Red-Notice-Manier wieder um die halbe Welt hottet, vor allem aber kreativ wird, wenn es um die Art der Auseinandersetzungen geht. Nicht alles an Action aber überzeugt und gemessen daran, dass verdammt viel geredet wird, fühlt sich The Gray Man zuweilen auch ziemlich lang an, ohne durch die Gespräche so etwas wie Tiefgang zu entwickeln. Im Grunde nämlich begegnen sich hier allerhand Stereotypen und trachten sich gegenseitig aus dem einen oder anderen Grund nach dem Leben. Das kann man sich – gerade in dieser auf Hochglanz polierten B-Movie-Manier durchaus ansehen, doch Begeisterungsstürme vermag es dann auch nicht zu entfachen. Dafür ist einfach zu vieles zu generisch, zu einfallslos, zu erwartbar geraten, zumal eben mancherorts ein wenig mehr Wumms und weniger Worte dem Inszenierten gutgetan hätten. Allein dadurch aber, dass sich der Film einerseits durchaus ernst nimmt, andererseits aber gerne auch over-the-top sein will und ist, macht das Ganze schon auch durchaus viel Spaß, ungeachtet der handwerklichen oder auch dramaturgischen Mängel.

Fazit & Wertung:

Einerseits möchte The Gray Man anscheinend nichts weiter sein als ein unterhaltsamer und mitreißender Actioner, was ihm auch durchaus gut gelingt, doch andererseits ruht auf ihm die Last der Erwartungshaltung, der prestigeträchtige Auftakt eines ganzen Franchise sein zu müssen, ganz davon abgesehen, dass die Russos als Regisseure nebst Besetzung eine Erwartungshaltung kreiert haben, die eigentlich gar nicht erfüllt werden kann. So überzeugt der Film inszenatorisch die meiste Zeit und macht als launiger Action-Thriller eine gute Figur, bleibt aber auch oft genug hinter seinen Möglichkeiten zurück und liefert "nur" solide Genre-Kost.

6,5 von 10 brachialen Auseinandersetzungen

The Gray Man

  • Brachiale Auseinandersetzungen - 6.5/10
    6.5/10

Fazit & Wertung:

Einerseits möchte The Gray Man anscheinend nichts weiter sein als ein unterhaltsamer und mitreißender Actioner, was ihm auch durchaus gut gelingt, doch andererseits ruht auf ihm die Last der Erwartungshaltung, der prestigeträchtige Auftakt eines ganzen Franchise sein zu müssen, ganz davon abgesehen, dass die Russos als Regisseure nebst Besetzung eine Erwartungshaltung kreiert haben, die eigentlich gar nicht erfüllt werden kann. So überzeugt der Film inszenatorisch die meiste Zeit und macht als launiger Action-Thriller eine gute Figur, bleibt aber auch oft genug hinter seinen Möglichkeiten zurück und liefert "nur" solide Genre-Kost.

6.5/10
Leser-Wertung 5/10 (1 Stimme)
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The Gray Man ist seit dem 22.07.22 exklusiv bei Netflix verfügbar.

vgw

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