Kommen wir heute mal wieder zu einer Miniserie, die mitnichten leichte Unterhaltung, sondern reichlich harten Tobak bietet, allerdings auch zum Nachdenken anregt und durchaus sehenswert ist.
Stateless
Stateless, AU 2020, ca. 53 Min. je Folge
© Netflix
Cate Blanchett
Tony Ayres
Elise McCredie
Cate Blanchett
Andrew Upton
Tony Ayres
Elise McCredie
Liz Watts
Sally Riley
Andrew Gregory
Yvonne Strahovski (Sofie Werner)
Jai Courtney (Cam Sandford)
Asher Keddie (Clare Kowitz)
Fayssal Bazzi (Ameer)
Dominic West (Gordon Masters)
Cate Blanchett (Pat Masters)
Marta Dusseldorp (Margot)
Darren Gilshenan (Brian Ashworth)
Kate Box (Janice)
Maria Angelico (Angie Sanford)
Phoenix Raei (Javad Shahrokh)
Helana Sawires (Rosna)
Rachel House (Harriet)
Clarence Ryan (Sully)
Rose Riley (Sharee)
Claude Jabbour (Farid)
Soraya Heidari (Mina)
Drama
Trailer:
Inhalt:
© Netflix
Eben noch musste sich Sofie Werner gegenüber ihren Eltern verantworten, weshalb sie noch immer nicht Mann und Kinder vorzuweisen hat und was sie aus ihrem Leben zu machen gedenkt, findet sich die australische Stewardess alsbald in einem Internierungslager in der glühenden Steppe des australischen Outbacks wieder. Wie sie dort gelandet ist, versucht Sofie nach Kräften zu verdrängen, doch könnte sich der Umstand, dass sie versucht, ihre Identität zu verschleiern, noch zu einem echten Problem auswachsen, auch wenn selbst den Wärtern – wie dem frisch in dieses Lager versetzten Cam Sandford – grundsätzlich klar ist, dass sie dort wohl eigentlich nichts verloren hat. Ganz anders sieht es da bei dem afghanischen Flüchtling Ameer aus, der – von Schleusern betrogen – ebenfalls in dem Lager landet und verzweifelt darum zu kämpfen beginnt, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, auch wenn die Zustände im Lager nicht eben darauf deuten, dass hier echte Hilfe oder auch nur Menschenwürde hoch im Kurs stehen, wodurch die Lager auch längst in Verruf geraten sind und die Verantwortliche Clare Kowitz vor allem anderen darum bemüht ist, schlechte Presse zu vermeiden…
Rezension:
Im Kontext der Pandemie mag das Thema Flüchtlingskrise ein wenig aus dem Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt sein, doch ist dadurch die australische Miniserie Stateless, die es seit Anfang Juli bei Netflix zu sehen gibt, nicht weniger wichtig oder aktuell zu nennen, auch wenn die geschilderte Geschichte nun schon einige Jahre zurückliegt und lose auf den realen Ereignissen um die australische Flugbegleiterin Cornelia Rau fußt, die sich zehn Monate in Einwanderungshaft in einem der hier porträtierten "Detention Center" befand, weil sie sich weigerte, ihre wahre Identität preiszugeben. Genauso ergeht es der von Yvonne Strahovski (Angel of Mine) verkörperten Sofie Werner, wobei die Hintergründe hierzu im Verlauf des sechs Episoden umfassenden Dramas erst langsam gelüftet werden. Dabei dient die Frau natürlich als Identifikationsfigur für das westliche Publikum, doch bedeutet das im Umkehrschluss nicht, dass die "klassischen" Flüchtlinge hier außenvor gelassen werden, denn ein nicht minder ausgeprägter Part der Show widmet sich dem afghanischen Familienvater Ameer (Fayssal Bazzi), der mit allen Mitteln darum kämpft, mit Frau und Kindern nach Australien zu gelangen. Diese Schicksale, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, sind grob das Thema der ersten Episode Unter welchen Umständen sie kommen (1.01). Auch weitere Handlungsstränge werden hier eröffnet, doch nimmt die Serie um Grunde erst wirklich an Fahrt auf, wenn sie an ihrem "Bestimmungsort", dem Internierungslager angekommen ist, in dem sich weite Teile der Handlung abspielen werden.
© Netflix
Neben Tony Ayres und Elise McCredie wurde Stateless maßgeblich mitersonnen und inszeniert von Cate Blanchett (Carol), die auch selbst eine – leider eher kleine – Rolle in dem Reigen übernimmt und schnell wird deutlich, weshalb ihr dieses Projekt ein Anliegen war, derweil lobend erwähnt werden sollte, dass sich die Miniserie mitnichten mit erhobenem Zeigefinger präsentiert und nur selten plakativ inszeniert wirkt, was bei dem diffizilen Thema sicherlich nicht leicht zu bewerkstelligen gewesen ist. So mag insbesondere die Geschichte um Ameer geradezu klassisch und oft ein wenig vorhersehbar wirken, wenn er mit skrupellosen Schleppern aneinandergerät, sein Hab und Gut verliert, die Familie auseinandergerissen wird, doch kommt dies eben auch nicht selten vor, während auf der anderen Seite durchaus auch der Blickwinkel der Wachmänner und -frauen eingenommen wird – hier insbesondere im Detail der frisch eingestellte Cam Sandford (Jai Courtney, Suicide Squad), der mit den Zuständen im Lager ebenfalls nur schwerlich umzugehen vermag. Zuletzt wäre noch die Lagerleiterin Clare Kowitz (Asher Keddie) zu nennen, die allerdings schon merklich weniger ausgearbeitet und präsent wirkt als die eigentlichen drei Hauptidentifikationsfiguren. Darüber hinaus gibt es am Rande natürlich reihenweise schlaglichtartig beleuchtete Einzelschicksale, die aus den unterschiedlichsten Gründen an ein und demselben Ort gelandet sind.
In dem wird Menschlichkeit wie zu erwarten nicht gerade groß geschrieben und allein die Zustände wissen des Öfteren zu schockieren, wobei man sich sicher sein kann, dass hier kaum mit pathetischer Übertreibung gearbeitet werden musste, zumal die realen Center ja ebenfalls schon vor Jahren wegen eben solcher Zustände in die Kritik geraten sind. Dennoch behält sich Stateless eine wirkliche Wertung vor, schildert nur, statt zu verurteilen, während das Gezeigte aber natürlich aus der Natur der Sache heraus schon harter Tobak ist. Dabei ist es bemerkenswert, wie spannend und dramatisch die Schilderungen und Entwicklungen geraten, obwohl man sich doch mit dem beinahe ausschließlichen Fokus auf das Internierungslager für eine fast schon kammerspielartige Atmosphäre entschieden hat, die allerdings natürlich auch die Szenen intensiviert und das Gefühl der absoluten Verzweiflung zu vermitteln vermag, dass nicht wenige der hier teils seit Jahren festgesetzten Personen ereilt haben mag. In diesem Kontext fällt natürlich die weiße, blonde Sofie Werner auf wie nur sonst etwas und auch ihr Part der Handlung gibt der Geschichte etwas Entrücktes, auf einer anderen Ebene verstörendes, denn selbstredend entscheidet sie sich nicht grundlos, ihre eigene Identität zu verschleiern.
© Netflix
So fiebert man einerseits mit ihr, den Mühlen eines Systems entkommen zu können, in das sie unfreiwillig geraten ist und muss – wenig subtil, aber wirkungsvoll – erkennen, dass es genau so natürlich auch Ameer ergeht und mit ihm folglich all den Leidensgenossen, die man in diesem Mikrokosmos unter sengender Wüstensonne kennenlernt. Wer auf der Suche nach einer Unterhaltungsserie ist, ist freilich mit Stateless schlecht bedient, doch als ungewöhnliches, oft superb inszeniertes Drama mit wichtiger Botschaft und erschreckender Aktualität hat es sich einen Platz auf jeglichen Empfehlungslisten redlich verdient, auch wenn man mitnichten auf ein sauberes Happy End hoffen darf und manchmal eben auch Klischees bemüht werden, was sich bei der Thematik aber wohl auch kaum hätte vermeiden lassen, vor allem nichts daran ändert, dass es sich so leider viel zu oft eben auch zuträgt. Und durch die vielschichtige Erzählperspektive ergibt sich natürlich auch eine universelle Betrachtungsweise, die mit dem Finger auf systemische und institutionalisierte Probleme deutet, die zum Nachdenken anregen, in ihrer Intensität und Tragik vor allem aber lange nachhallen.
Stateless
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Im Outback gestrandete Seelen - 7.5/10
7.5/10
Fazit & Wertung:
Die australische Miniserie Stateless bedient sich der Geschichte von der 2004 in einem Internierungslager gelandeten Cornelia Rau, um mithilfe perspektivischer Wechsel und Verschränkungen eine gleichermaßen wütend, nachdenklich und ohnmächtig machende Geschichte zu erzählen, deren universelle Lesart sich beinahe mühelos auf jedwede Art von Flüchtlingskrise übertragen lässt.
Episodenübersicht:
02. Incognita (7/10)
03. Was richtig ist (7,5/10)
05. Panis Angelicus (8/10)
06. Der siebente Kreis (8/10)
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Stateless ist seit dem 08.07.2020 exklusiv bei Netflix verfügbar.