Review: Der Spinnenkopf (Film)

Selbst für einen Donnerstagsfilm-Beitrag hat es diese Woche gelangt, ich bin ganz hin und weg!

Der Spinnenkopf

Spiderhead, USA 2022, 106 Min.

Der Spinnenkopf | © Netflix
© Netflix

Regisseur:
Joseph Kosinski
Autoren:
Rhett Reese (Drehbuch)
Paul Wernick (Drehbuch)
George Saunders (Buch-Vorlage)

Main-Cast:
Chris Hemsworth (Abnesti)
Miles Teller (Jeff)
Jurnee Smollett (Lizzy)
in weiteren Rollen:
Mark Paguio (Verlaine)
Tess Haubrich (Heather)
Angie Milliken (Sarah)
Stephen Tongun (Ray)

Genre:
Drama | Science-Fiction | Thriller

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Der Spinnenkopf | © Netflix
© Netflix

Jeff ist Insasse eines höchst ungewöhnlichen Gefängnisses, das von dem charismatischen Steve Abnesti geleitet wird. Hier sucht man verschlossene Türen zumeist vergebens und in dem an ein Resort erinnernden Domizil legt man viel Wert auf flache Hierarchien und ein produktives, von gegenseitigem Respekt geprägtes Miteinander. Im Austausch dafür erklären sich die Häftlinge allerdings bereit, gemütsverändernde Drogen und Stimulanzien auszutesten, wobei es längst zur lästigen Pflichtübung verkommen ist, vor jedem Experiment die Freiwilligkeit der Teilnahme zu bestätigen, was dadurch natürlich gänzlich ad absurdum geführt wird. Dennoch lassen sich die Insassen es für ihre Freiheiten gefallen, von Lachflashs geschüttelt, von Dopamin berauscht oder anderweitig in ihren Gefühlen manipuliert zu werden. Mit den Experimenten aber gilt es freilich auch, Grenzen auszuloten, und so verwundert es kaum, dass Abnesti zum Wohle der Wissenschaft immer drastischere Versuchsaufbauten anordnet und Mittel verabreicht, von denen man eigentlich die Finger lassen wollte…

Rezension:

Es ist schon verwunderlich, wie es bei Filmen manchmal verhält, denn während Joseph Kosinski (Oblivion) jüngst für Top Gun 2: Maverick gefeiert worden ist und Chris Hemsworth im Grunde seit dem ersten Thor-Film von der Leinwand nicht mehr wegzudenken ist und ebenfalls jüngst mit Thor: Love and Thunder das Franchise weitergeführt hat, würde man meinen, dass auch der für Netflix produzierte Der Spinnenkopf etwas von dem Hype und der Begeisterung abgreifen könnte. Nun, mehr als drei Monate nach Erscheinen des Films beim Streamingdienst dürfte klar sein, dass dem mitnichten so ist und wer den Film kennt, versteht auch warum. Nicht falsch verstehen bitte, denn tatsächlich bietet die Adaption der Kurzgeschichte Escape from Spiderhead von George Saunders auch einiges an Qualitäten, nur vermag das Drehbuch eben nicht durchgängig zu überzeugen, während man sich auch von einem Teil des Ensembles sicherlich mehr hätte erwarten dürfen.

Szenenbild aus Der Spinnenkopf | © Netflix
© Netflix

Damit ist allerdings explizit nicht Chris Hemsworth gemeint, denn den kann man getrost als gegen den Strich besetzt bezeichnen, wenn er hier den leicht schrulligen, stets bestens aufgelegten Wissenschaftler gibt, der gleichzeitig Gefängnisdirektor und eine Art Vertrauensperson sein möchte und mit Engagement und Begeisterung seine zunehmend drastischer und erschreckender werdenden Experimente vorantreibt. Und selten hat man Hemsworth in einer Rolle so aufgehen sehen wie hier, vielleicht zuletzt in Bad Times at the El Royale, wo er ebenfalls mal aus dem Schema des schlagkräftigen Schönlings ausbrechen durfte. Dummerweise aber gibt Hemsworth hier eben "nur" den Antagonisten, so dass der Fokus weit mehr auf Miles Teller und seiner Figur des Gefängnisinsassen Jeff liegt. Der allerdings – gemeint sind hier leider sowohl Darsteller als auch Figur – ist eher lethargisch bis apathisch unterwegs, was nicht nur viel an Reiz aus der Erzählung nimmt, sondern auch in der direkten Konfrontation mit dem vergleichsweise frenetischen Hemsworth eine schlechte Figur macht.

So ist es also ausgerechnet der Protagonist selbst, der Der Spinnenkopf maßgeblich ausbremst. Nun ist mir zwar nicht bekannt, inwieweit Kurzgeschichte und Filmadaption kongruent verlaufen, doch hätte man eine etwaige, fehlende Charakterisierung der Figur des Jeff sicherlich ergänzen können und müssen, anstatt sich nur auf ein paar Allgemeinplätze zu verlassen, die den Insassen skizzieren sollen. Da mag es dann gar nicht unbedingt die Schuld von Miles Teller sein, der schließlich in Werken wie Whiplash längst unter Beweis gestellt hat, was in ihm steckt, denn möglicherweise wurde ihm auch nicht viel an die Hand gegeben, mehr aus der Figur zu machen als die Summe ihrer Teile. Da irritiert es dann auch, dass ausgerechnet Rhett Reese und Paul Wernick für das Drehbuch verantwortlich zeichnen. Denen haben wir zwar großartige Filme wie Deadpool, Deadpool 2, Zombieland oder auch den (leider nicht mehr so guten) Zombieland 2 zu verdanken, doch als naheliegende Wahl für einen zuweilen zynischen, allenthalben abgründigen Science-Fiction-Thriller scheinen sie keine sehr naheliegende Wahl. Und so fühlt es sich dann auch an, als würde der Film stets nur an der Oberfläche dessen kratzen, was möglich gewesen wäre, denn die moralischen Fallstricke, die ethischen Fragestellungen, die Verwerfungen der Interpretation des freien Willens sind allesamt vorhanden, doch scheut man die Konfrontation und lässt das Geschehen lieber im letzten Drittel – und mit einer Handvoll reichlich erwartbarer Wendungen – in ein stereotypes Finale münden, dass mit Hektik und Geschrei darüber hinwegzutäuschen versucht, die meisten der Antworten zu den durchaus spannenden Fragestellungen schuldig zu bleiben.

Szenenbild aus Der Spinnenkopf | © Netflix
© Netflix

Zugegebenermaßen mag Der Spinnenkopf im Gegenzug auch längst nicht so schlecht sein, wie er vielerorts gemacht wird, doch verstehe ich die Enttäuschung wohl, wenn man all die illustren Namen liest und am Ende eine so halbgare Erzählung dabei herauskommt, wie es hier der Fall ist, zumal das Potential an jeder Ecke der vermeintlichen Therapie- und Resozialisierungseinrichtung hinter den einladenden Polstermöbeln hervorlugt. Auch, was das Interieur und somit Set-Design angeht, gibt sich Kosinskis Film eigentlich keine Blöße und meistert die Gratwanderung, glaubhaft zu vermitteln, dass Insass*innen bereit sind, die Experimente in Kauf zu nehmen, um dafür vergleichsweise komfortabel ihre Haftstrafen zu verbüßen. Ansonsten wirkt das Ganze im Grunde wie eine optisch aufgemotzte Episode Twilight Zone oder Black Mirror, versprüht aber dank des eher semi-überzeugenden Drehbuchs einen gewissen B-Movie-Trash-Touch, dessen Appeal zuweilen nicht wegzudiskutieren ist, der aber deutlich ausgeprägter hätte sein müssen, um nachhaltig zu überzeugen. So bleibt leider nur Durchschnittskost, die einzig durch einen bestens aufgelegten Chris Hemsworth veredelt wird.

Fazit & Wertung:

Joseph Kosinski liefert mit Der Spinnenkopf eine leider nur leidlich überzeugende Kurzgeschichten-Adaption ab, was allerdings zu großen Teilen dem doch sehr oberflächlichen Drehbuch von Rhett Reese und Paul Wernick geschuldet sein dürfte, derweil auch Miles Teller ausnahmsweise enttäuscht. Einzig Hemsworth blüht in der Rolle des charismatischen Antagonisten regelrecht auf und liefert zumindest ein Argument dafür, der Netflix-Produktion eine Chance zu geben.

6 von 10 Experimenten mit bewusstseinsverändernden Drogen

Der Spinnenkopf

  • Experimente mit bewusstseinsverändernden Drogen - 6/10
    6/10

Fazit & Wertung:

Joseph Kosinski liefert mit Der Spinnenkopf eine leider nur leidlich überzeugende Kurzgeschichten-Adaption ab, was allerdings zu großen Teilen dem doch sehr oberflächlichen Drehbuch von Rhett Reese und Paul Wernick geschuldet sein dürfte, derweil auch Miles Teller ausnahmsweise enttäuscht. Einzig Hemsworth blüht in der Rolle des charismatischen Antagonisten regelrecht auf und liefert zumindest ein Argument dafür, der Netflix-Produktion eine Chance zu geben.

6.0/10
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Der Spinnenkopf ist seit dem 17.06.22 exklusiv bei Netflix verfügbar.

vgw

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