Heute Vormittag habe ich mir den neuen Pixar-Film ansehen können und wüsste nicht, was passender wäre, um einerseits Thema der Freitags-Kritik zu sein und andererseits diesen ersten Weihnachtsfeiertag zu veredeln.
Soul
Soul, USA 2020, 100 Min.
© Walt Disney
Pete Docter
Kemp Powers (Co-Regisseur)
Pete Docter
Mike Jones
Kemp Powers
Jamie Foxx (Joe [Stimme])
Tina Fey (22 [Stimme])
Graham Norton (Moonwind [Stimme])
Rachel House (Terry [Stimme])
Alice Braga (Counselor Jerry [Stimme])
Animation | Abenteuer | Komödie | Fantasy | Musik
Trailer:
Inhalt:
© Walt Disney
Joe Gardener arbeitet als Teilzeitmusiklehrer an einer Mittelschule und träumt noch immer davon, dereinst als Jazzpianist so richtig durchzustarten. Diesen Traum allerdings scheint er begraben zu müssen, als ihm nunmehr eine Vollzeitstelle angeboten wird, denn dann bliebe keine Zeit, noch weiter auf den möglichen Durchbruch zu hoffen. Am gleichen Tag allerdings ruft ihn einer seiner ehemaligen Schüler an und bietet ihm die Chance, an der Seite der legendären Dorothea Williams zu spielen. Joe ist im Freudentaumel, und tänzelt beschwingt durch die Stadt, zumindest bis er in einen geöffneten Gully stürzt und sich unmittelbar auf der Rolltreppe ins Jenseits wiederfindet. Joe kann es nicht fassen, so kurz vor der Erfüllung seiner Träume aus dem Leben gerissen worden zu sein und stemmt sich nach Kräften dagegen, um Licht zu vergehen. So landet er in einer Art Trainingslager für unfertige Seelen, die erst noch auf die Erde geschickt werden sollen, also quasi dem "Davorseits". Dort trifft er auch auf Seele 22, zu deren Mentor er prompt bestimmt wird. Die sträubt sich allerdings seit undenklichen Zeiten, auf die Erde geschickt zu werden, und versteht nicht annähernd, was der Trubel um das Leben eigentlich soll…
Rezension:
So ein Feiertag hat nicht zu unterschätzende Vorteile, denn neben dem Ausschlafen und der freien Tagesgestaltung ist es heute eben auch so, dass Disney+ uns mit dem neuen Pixar-Wurf Soul auf dem hauseigenen Streaming-Dienst beehrt, der von der Presse ja schon einiges an Lob und Vorschusslorbeeren bekommen hat und den ich mir nun eben auch heute Vormittag habe ansehen können, um quasi brühwarm davon zu berichten. Und ja, Pixar gelingt es einmal mehr, diesen ganz speziellen Zauber zu verströmen, zumal hier einmal mehr Pete Docter auf dem Regiestuhl Platz genommen hat, dem wir schon – aber nicht nur – Alles steht Kopf zu verdanken haben. Hat er sich dort noch daran versucht, menschliche Emotionen als kleine Wesen im Kopf zu inszenieren und eine beispiellos kreative Geschichte zu erzählen, verhält es sich hier kaum anders, auch wenn Konzept und Prämisse eine andere sein mögen. Hier nun geht es also um die Seele jedes Einzelnen und was sie einzigartig und individuell werden lässt, hier schlicht als der "Funken" betitelt, den Hauptfigur Joe zunächst als Berufung interpretiert, die er selbst in der (Jazz-)Musik gefunden hat, was natürlich allein schon den Titel des Films schön doppelbödig erscheinen lässt.
© Walt Disney
Dabei gelingt es den Animateuren – und natürlich Docter gemeinsam mit den zwei weiteren Drehbuchautoren Mike Jones und Kemp Powers – insbesondere die jenseitige Welt einzigartig zu bebildern und mit spannenden Konzepten zu versehen, die fernab von religiösen Versatzstücken und Ansätzen universell funktionieren und faszinieren. Klassische Konzepte wie die Rolltreppe in Richtung Licht gehen hier Hand in Hand mit einem als "Davorseits" betitelten Ort, an dem die noch unfertigen und unschuldigen Seelen ihre Charaktereigenschaften und Merkmale erhalten, bevor sie bereit sind, zur Erde geschickt zu werden. Damit nicht genug, gibt es eine Reihe abstrakter Konzepte, kubistisch angehauchte Strichwesen, die allesamt den Namen Gerry tragen – bis auf Terry natürlich – und die sich als Hüter und Betreuer dieses Ortes präsentieren. Joe, der noch längst nicht zum Sterben bereit ist und nach einem langen, in seinen Augen bisher enttäuschenden Leben nun endlich die Erfüllung seines Traums in greifbare Nähe gerückt sieht, bereist noch mehr fantastische Orte, die sich zu einem schillernden und regelrecht philosophischen Ganzen fügen, wobei vor allem anderen natürlich die Bekanntschaft mit 22 steht, einer Seele, die – ihre Nummer verrät es schon – seit geraumer Zeit im Davorseits festhängt, ohne bislang ihren Funken gefunden zu haben. Konzepte wie Erscheinung und Stimme sind jenseits der Menschenwelt natürlich ebenfalls nur Gedankenkonstrukte und so erklärt 22, sich ihre Stimme – im Original die von Tina Fey (Megamind) – ausgesucht zu haben, weil sie damit die Leute so schön nerven kann, was in ihrem Fall aber eben auch zu Witz und Wärme im Timbre des kleinen "Seelenknubbels" beiträgt.
Das Team-Up aus dem erfolglosen und desillusionierten Musiklehrer Joe (mit der Stimme von Jamie Foxx, Baby Driver), der sich unbeirrt ans Leben klammert, und der unfertigen Seele 22, die unter keinen Umständen jemals zur Erde will, bildet dabei natürlich Kern und Herzstück von Soul und selbstredend geht es alsbald auch wieder in Richtung Erde und mitten hinein in ein beispiellos schön und magisch animiertes Harlem, derweil sich die Jüngeren über reichlich Körpertausch-Humor freuen dürfen, denn etwas geht reichlich schief bei der Wiederkehr, wie schon die Katze auf dem Plakat anteasert. Man muss aber auch sagen, dass ein wenig Skepsis bei der Altersfreigabe ab 0 Jahren angesagt ist, denn insbesondere der frühe Tod von Joe und die Rolltreppe ins Jenseits – und das Bitzeln, wenn die Seelen im Licht vergehen – sind schon eher gruselig geraten, während die Gastauftritte früherer Mentoren von 22 – unter anderem Abraham Lincoln und Mutter Theresa – natürlich den Jüngeren kaum ein Achselzucken werden abringen können. Man wird das Gefühl nicht los, dass der Film sich erstmals eher an ein erwachsenes Publikum richtet und diese philosophische Schiene auch weiterfährt, wenn Joe gemeinsam mit 22 die Freuden des Diesseits neu entdeckt.
© Walt Disney
Dessen ungeachtet aber, dass manches vielleicht nicht ganz so universell für sämtliche Altersklassen begreifbar und verdaubar ist, ist aber auch Soul wieder ein ungemein hellsichtiger, inspirierender, magischer und zu Herzen gehender Film geworden, der eben nicht nur zum Lachen, sondern auch zum Weinen zu bringen imstande ist und wie nebenbei so manchen Denkanstoß mitliefert, zumal es neben Jenseits und Davorseits auch noch eine nicht minder clever inszenierte Zwischenwelt gibt, in der sich so mancher von uns schon wiedergefunden haben dürfte, was ein weiteres Plus für die unbändige Kreativität des Teams um Docter, Jones und Powers darstellt. Mögen die widrigen Umstände verhindert haben, dass dieser neueste Pixar-Wurf nun erstmals nicht zunächst im Kino gelandet ist, sondern direkt im Stream – immerhin diesmal ohne Zusatzkosten –, kommen wir dadurch immerhin in den Genuss eines unerwarteten Weihnachtsgeschenks, denn dergestalt, wie hier Witz und Philosophie, herzerwärmende Story und grenzenlose Kreativität, der Zauber des Lebens und die Macht der der Leidenschaft in einem hundertminütigen Abenteuer komprimiert werden, hat Soul ohne Frage das Zeug, sich in der Top-Liga des umfangreichen Œuvre der Pixar-Schmiede zu positionieren.
Soul
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Unfertige Seelen - 9/10
9/10
Fazit & Wertung:
Pete Docter kredenzt mit Soul den nächsten großen Wurf der Pixar-Schmiede, auch wenn es diesmal fast ein wenig wirkt, als habe man erstmals ein eher erwachsenes Publikum in den Fokus genommen, denn so unterhaltsam, geistreich, witzig und kreativ der Reigen erneut geraten sein mag, sind die philosophischen Ansätze und die surrealistisch anmutenden Konzepte vom Jenseits und "Davorseits" für die Kleinsten womöglich nur schwer zu (be)greifen. Ändert aber nichts daran, dass es sich um eine unbedingte Empfehlung handelt.
Soul ist seit dem 25.12.2020 exklusiv bei Disney+ verfügbar.