Filmtechnisch war es nun wirklich keine ergiebige Woche, aber zumindest für heute habe ich dann doch noch einen Artikel im Gepäck, nachdem der Film heute auch in den Handel gekommen ist und ich somit mal wieder überpünktlich berichten kann. Gerne wäre meine Meinung natürlich auch euphorischer und positiver ausgefallen, aber das hat man ja nun einmal kaum selbst in der Hand.
Capone
Capone, CA/USA 2020, 103 Min.
© LEONINE
Josh Trank
Josh Trank
Linda Cardellini (Mae)
Jack Lowden (Crawford)
Noel Fisher (Junior)
Kyle MacLachlan (Doctor Karlock)
Matt Dillon (Johnny)
Biografie | Krimi | Drama
Trailer:
Inhalt:
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Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis im Jahr 1946 ist der einst gefürchtete Al Capone 47 Jahre alt und lebt ein zurückgezogenes, aber durchaus luxuriöses Leben mit seiner Frau Mae auf einem Anwesen in Florida. Doch sein Reichtum schwindet, während er auch gesundheitlich immer weiter abbaut, denn der unter Neurosyphilis leidende Fonse wird zunehmend dementer und vermag kaum noch, Realität und Wahn noch auseinanderzuhalten, derweil das FBI ihn noch immer auf Schritt und Tritt beschattet. Fieberträume und Aussetzer lassen ihn zurückreisen in seine glamouröse wie blutige Vergangenheit, doch sein Niedergang in der Gegenwart wird dadurch nicht weniger real, zumal er vermehrt den Überblick verliert, wo und wann er sich befindet und zuweilen seine eigene Frau nicht mehr erkennt…
Rezension:
Nachdem Capone ursprünglich schon Ende Oktober 2020 auf DVD und Blu-ray erscheinen sollte, war ich doch immer noch ungebrochen neugierig auf das ungewöhnliche Biopic, das sich dem letzten Lebensjahr des Chicagoer Gangsterbosses zu widmen gedachte. Leider waren die Erwartungshaltung und Vorfreude dann wohl doch etwas groß, denn so ambitioniert das Projekt auch gewesen sein mag, fehlt es ihm doch irgendwie an Botschaft, Inhalt, Marschrichtung und übergeordneter Idee, so dass am Ende zwar etwas rauskommt, was den Begriff "Biopic" einerseits nicht verdient, andererseits neu denkt, in letzter Instanz aber wenig Zielführendes und Erhellendes zu erzählen hat. So kann der Film im Grunde auch als Negativbeispiel dafür herhalten, was passieren kann, wenn man einem Kreativschaffenden beinahe gänzliche Handlungsvollmacht einräumt, denn an allen Ecken und Ende lässt sich erahnen, was der Film hätte werden sollen oder können, doch heraus kommt letztlich ein wahnhafter, assoziativer Fiebertraum ohne tieferen Sinn oder Einsicht, in dem einzig sein Hauptdarsteller vorbehaltlos zu glänzen vermag.
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Zu verdanken hat man das in erster Linie Josh Trank, der nach seinem Erstling Chronicle schon als das "Next Big Thing" gehandelt wurde und mit dem sich anschließenden Fantastic-Four-Reboot seine Meriten prompt wieder verspielt hat. Der zeichnet hier dann für Regie, Drehbuch, Schnitt und wahrscheinlich noch einiges mehr verantwortlich und tatsächlich verleiht das Capone einen ziemlich eigenständigen und grundsätzlich gelungenen Look und Erzählton, doch gab es eben niemanden, der Trank hätte vermitteln können, dass seine Pseudo-Gangsterboss-Biografie nicht wirklich etwas zu erzählen hat, außer, dass der einst gefürchtete und legendäre Unterweltboss auf seine letzten Tage sowohl physisch wie auch psychisch reichlich abgebaut hat. Klar, die Lust an der Demontage der Figur ist erkennbar und wird teils bis zum Exzess ausgewalzt, ob Capone nun flucht, schreit und zetert, sich einkotet oder schlichtweg im Delirium vor sich hinvegetiert. Was fehlt ist eine klare Verortung, ist eine Botschaft oder auch nur ein Hinweis, was Trank mit dieser Demontage zu bezwecken gedenkt, denn wirklich näher bringt einem das Gezeigte der Person nicht, zumal es sich auch dramaturgisch zunehmend bemerkbar macht, wenn Realität und Einbildung miteinander zu verschmelzen beginnen.
Als einziger großer Gewinner in dem Reigen – und als bestes Argument, Capone eventuell dennoch eine Chance zu geben – erweist sich derweil Hauptdarsteller Tom Hardy (The Revenant), denn der verschwindet nicht nur regelrecht unter der gelungenen wie erschreckenden Maske, sondern dreht in vielen Momenten völlig frei und vermag in jeder Sekunde als im desolaten Zustand befindlicher Capone zu überzeugen. Gut für ihn und den Film, dass auch der Fokus einzig und allein auf seiner Figur liegt, auch wenn das die weitere Besetzung in den meisten Fällen zu bloßer Staffage degradiert, so dass selbst Capones Ehefrau Mae (Linda Cardellini) ungemein blass und nichtssagend bleibt. Auffälliger ist dieser Umstand tatsächlich noch bei den beiden namhafteren Nebendarstellern Kyle MacLachlan (Tesla) und Matt Dillon (Wayward Pines), deren Bewandtnis sich nämlich tatsächlich im weiteren Handlungsfortgang im Sande verläuft. Große, einprägsame Szenen kann also im Grunde einzig Hardy für sich beanspruchen, dominiert und trägt den Film im Alleingang, vermag aber keineswegs, über die konfuse Narrative hinwegzutäuschen.
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So ist Capone sicherlich mancherorts faszinierend und in seiner assoziativen Aneinanderreihung von Szenen und Träumen oftmals auch künstlerisch auf einem hohen, überzeugenden Niveau produziert, vermag aber erzählerisch kaum zu überzeugen und wird einerseits Kenner des Wirkens von Capone verprellen, weil er der Vita keine neuen An- oder Einsichten spendiert, andererseits Unbedarfte dahingehend vor den Kopf stoßen, dass es ihnen noch weit schwerer fallen dürfte, das Gezeigte in irgendeiner Form einordnen zu können. Und so endet diese Mär tatsächlich auch reichlich trivial und erinnert hier noch am ehesten an ein klassisches Biopic, indem mit obligatorischem Textkasten die Erzählung endet, wobei selbst der relativ unbeteiligt und schulterzuckend zurücklässt, denn so sehr Hardy ein der exaltierten und fiebrigen Ausgestaltung der Figur begeistert, verhindert deren bröckelnde Verbundenheit mit der Realität eben auch, dass man sich mit ihr wirklich identifizieren oder sich für ihr Schicksal erwärmen könnte. Bleibt schlussendlich ein ambitioniertes, aber nicht zu Ende gedachtes Werk, dass leider fernab seines Hauptdarstellers eine ziemliche Enttäuschung ist.
Capone
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Eingebildete Besucher aus der Vergangenheit - 5.5/10
5.5/10
Fazit & Wertung:
Josh Trank hatte bei seinem Biopic Capone beinahe gänzlich freie Hand, doch tut das dem Werk nicht unbedingt gut, denn so sehr Tom Hardy in der Rolle des dahinsiechenden Gangsterbosses brilliert und begeistert, so richtungslos und konfus wirkt leider oftmals die Dramaturgie, die eine tiefere Ebene hinter dem Inszenierten schmerzlich missen lässt und dadurch die Frage offenlässt, was eigentlich Botschaft und Anspruch von Tranks Film gewesen sein mag.
Capone ist am 26.03.21 auf DVD und Blu-ray bei LEONINE erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!