Zum Wochenende hin wird es musikalisch und auch ziemlich großartig, gleichwohl es dramaturgisch hier durchaus noch tiefgründiger hätte sein dürfen. Aber lest selbst!
Rocketman
Rocketman, USA/UK/CA 2019, 121 Min.
© Universal Pictures/Paramount
Dexter Fletcher
Lee Hall
Taron Egerton (Elton John)
Jamie Bell (Bernie Taupin)
Richard Madden (John Reid)
Bryce Dallas Howard (Sheila)
Biografie | Drama | Musical
Trailer:
Inhalt:
© Universal Pictures/Paramount
In ein flammend rotes Kostüm gehüllt, betritt Ausnahmetalent Elton John den stuhlkreis einer Selbsthilfegruppe und gesteht seine Drogensucht. Er beginnt zu erzählen von seiner Kindheit, überschattet von der lieblosen Ehe seiner Eltern, der Entdeckung seiner Hochbegabung für das Klavierspiel und seinen ersten Auftritten. Ray Williams vermittelt ihm, mittlerweile ein junger Mann, alsbald den Kontakt zu dem Songschreiber Bernie Taupin, der sich schnell als perfekte Ergänzung zu Elton Johns musikalischem Talent entpuppt und dazu beiträgt, dass Produzent Dick James ihnen eine Chance gibt. Elton Johns erster Auftritt im Troubadour Club in Los Angeles beschert ihm prompt den erhofften Durchbruch. Während Musikmanager John Reed an seiner Seite erscheint und ihn nicht nur fachlich berät, sondern auch eine heimliche Affäre mit ihm beginnt, strahlt Elton Johns Stern immer heller und weiter. Doch im selben Maße nimmt auch sein Drogenkonsum zu, zumal ihm langsam aber sicher klar wird, dass er trotz all der Fans und Aufmerksamkeit noch immer so einsam ist wie schon als kleiner Junge…
Rezension:
Lange habe ich mich auf das Elton-John-Biopic Rocketman gefreut und diesem nun gegenüber dem ebenfalls gefeierten, ebenfalls – zumindest auf den letzten Metern – von Dexter Fletcher inszenierten Bohemian Rhapsody den Vorzug gegeben, gleichwohl die Story um Freddie Mercury hier ebenfalls noch ihrer Betrachtung harrt. Zu gespannt aber war ich allein auf die Performance seitens Taron Egerton, der hier schließlich zahllose Elton-John-Klassiker selbst zum Besten gibt, während der Reigen als solcher weit eher als Musical denn als Musikfilm betrachtet werden darf und für solche Werke habe ich ja bekanntermaßen auch nicht erst seit La La Land einiges übrig. Und wer jetzt meint, Fletcher – der nach Eddie the Eagle hier zum zweiten Mal mit Egerton in der Hauptrolle dreht – habe sich hinsichtlich Inszenierung einschränken müssen, weil sei Biopic sich eben lediglich auf Songs von Elton John stützt, der unterschätzt das mannigfaltige Werk, das der Ausnahmekünstler im Laufe von Jahrzehnten auf die Beine gestellt hat. Und so finden der Regisseur und sein Drehbuchautor Lee Hall jederzeit die passenden Stücke, die richtigen Worte, um Kindheit, Jugend, Aufstieg, Fall und Läuterung des exzentrischen Musikers zu begleiten.
© Universal Pictures/Paramount
Die Inszenierung ist dabei durchaus als eigenwillig zu bezeichnen und spottet mancherorts gängigen Konventionen, was man dramaturgisch zwar leider nicht behaupten kann, doch als schwelgerisch-orgiastisches Werk überzeugt Rocketman dennoch in den meisten Momenten. Ausgehend von einer Selbsthilfegruppe, bei der Elton John im gewohnt exzentrischem Kostüm aufschlägt, um umfassenden Alkohol- und Drogenkonsum zu gestehen, geht es erzählerisch zunächst in die Kindheit des mit bürgerlichem Namen Reggie Dwight heißenden Jungen und werden leider doch so einige Klischees bemüht, was das so lieb- und freudlose Elternhaus, die überbordende, aber verkannte musikalische Begabung und dergleichen angeht. Lange gedenkt sich Fletcher dort aber ohnehin nicht aufzuhalten und bereits hier wird man als Zuschauer darauf vorbereitet, wie der Film auf assoziative, zuweilen sprunghafte Art und Weise teils Jahre vergehen lässt und dies nur mit einem einzigen Schnitt bebildert, so dass man sich plötzlich mit dem von Taron Egerton (Kingsman) dargestellten Elton konfrontiert sieht. Und der, das wird bereits bei der ersten Gesangs- und Tanzperformance deutlich, ist nicht nur Herzstück des Films, sondern unbestrittenes Highlight, der mit jeder Pore seines Seins regelrecht zu dem Musiker und Künstler transformiert und sich ihn auf unnachahmliche Art und Weise zu eigen macht.
So begeisternd aber Egertons Performance und die elektrisierende, temporeiche, opulente Inszenierung sein mögen, verschenkt Rocketman auf der anderen Seite manches Mal dramatisches Potential, denn so richtig nahe kommen will man dem Menschen hinter der Kunstfigur Elton John nicht und bekommt auch wenn geliefert, was man nicht auf die eine oder andere Art ohnehin schon gewusst hat, so dass sich niemand erwarten sollte, hier nun einen tieferen Einblick in das Wesen von Reggie Dwight spendiert zu bekommen. Dieser beschränkt sich nämlich einerseits auf Plattitüden oder nimmt sich gar Freiheiten heraus, wie etwa, dass John Lennon ihn zu seinem Künstlernamen inspiriert habe, obwohl es eigentlich der Sänger Long John Baldry gewesen ist. Auch sonst gehen Fletcher und Hall zugunsten von Effekt und Wirkung zuweilen auf Ab- und Umwege, wobei man ihnen das die meiste Zeit bedenkenlos nachsehen kann, weil der Film tatsächlich ein einziger, schwelgerischer und protzender Reigen ist, der nicht zuletzt dank der vielen ikonischen, allseits bekannten Songs jederzeit mitzureißen versteht und beispielsweise bei "Your Song" so sehr berührt wie zuletzt in der Interpretation seitens Ewan McGregor in Moulin Rouge. Dennoch geht die Formel nicht immer auf und zuweilen driftet es auch ins Pathetische ab, was sich speziell im letzten Drittel bemerkbar macht, zumal es nicht immer der passende Ansatz ist, das Geschehen aus der Realität ins surreal Überhöhte zu hieven.
© Universal Pictures/Paramount
Das alles sind aber eher kleinere Stolpersteine, die verhindern, dass aus Rocketman unmittelbar ein Instant-Kultfilm werden mag, aber nichts daran ändern, dass es sich noch immer um einen ungemein lohnenswerten, selbstbewusst eigensinnigen Film handelt, der zwar nicht unbedingt viel Neues zu Elton John als Person zu berichten weiß, in seiner Art der Darbietung aber spürbar den Geist seiner Kunst atmet, womit wir wieder bei Taron Egerton wären, dem man diesen Umstand unumwunden alleine zuschreiben kann, auch wenn die weiteren Rollen nicht minder namhaft und gelungen besetzt worden wären. Da hat es einerseits Jamie Bell (Jane Eyre) als Eltons besten – und einzigen – Freund Bernie Taupin, der sich angenehm zurückhaltend gibt, derweil Richard Madden (Bodyguard) als berechnender Manager John Reid herrlich fies und kalt sein darf sowie nicht zuletzt Bryce Dallas Howard (Jurassic World), die hier als Reggies Mutter Sheila in Erscheinung tritt. Trotz dramaturgischer Auslassungen und Vereinfachungen, trotz der Tatsache, dass der Film im Grunde nur eine Epoche im Leben des Künstlers beleuchtet und sich doch sehr auf seine Sturm-und-Drang-Zeit in den 70ern und 80ern konzentriert, vermag Dexter Fletchers Version von Elton Johns Leben aber so hell und schrill und laut daherzukommen wie der Musiker selbst, was ihn zwar erzählerisch nicht gerade herausragend macht, ihn aber dennoch ein rauschhaftes, audiovisuelles Meisterwerk bleiben lässt.
Rocketman
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Exzentrische Bühnen-Outfits - 8.5/10
8.5/10
Fazit & Wertung:
Dexter Fletcher präsentiert mit Rocketman eine rauschhaft-exaltierte, surreal-assoziative Version der Biografie des Ausnahmekünstlers Elton John, die sich nicht zuletzt dank der inszenatorischen Opulenz und der Ausnahmedarstellung seitens Taron Egerton sehen lassen kann. Dramaturgisch mag es sich das Werk zuweilen etwas einfach machen und umschifft auch nicht jedes Klischee, doch sind das Porträt des künstlerischen Schaffens und die mitreißende Erzählform dafür umso gelungener.
Rocketman ist am 10.10.19 auf DVD, Blu-ray und 4K UHD Blu-ray bei Paramount im Vertrieb von Universal Pictures erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!
DVD:
Blu-ray: