Auch an meinem Geburtstag – auch als Halloween bekannt – lasse ich euch natürlich in punkto neuem Artikel nicht im Stich und offeriere diesmal eine weitere Buch-Verfilmung, die zwar leider weit hinter ihren Möglichkeiten bleibt, aber immerhin atmosphärisch einiges zu bieten hat.
Live by Night
Live by Night, USA 2016, 129 Min.
© Warner Home Video
Ben Affleck
Ben Affleck (Drehbuch)
Dennis Lehane (Buch-Vorlage)
Elle Fanning (Loretta Figgis)
Brendan Gleeson (Thomas Coughlin)
Chris Messina (Dion Bartolo)
Zoë Saldana (Graciela)
Chris Cooper (Chief Figgis)
Krimi | Drama
Trailer:
Inhalt:
© Warner Home Video
Zur Zeit der Prohibition versucht der Kriegsheimkehrer Joe Coughlin in Boston sein eigenes Ding durchzuziehen und hält sich mit Gelegenheits-Coups über Wasser, legt dabei jedoch größten Wert darauf, nicht als Gangster, sondern vielleicht noch am ehesten als Outlaw wahrgenommen zu werden. Dumm nur, dass Coughlin eine Beziehung zu der attraktiven Emma Gould unterhält, die wiederum eigentlich mit dem Gangsterboss Albert White liiert ist, denn als der Wind von der Affäre bekommt, wird das Eis für Coughlin dünn und nur seinem Vater – einem angesehenen Polizisten – ist es zu verdanken, dass eine ihm drohende, mehrjährige Haftstrafe merklich abgemildert wird. Einige Jahre später wieder auf freiem Fuß, schwört Coughlin, dieselben Fehler nicht noch einmal zu begehen und dereinst Rache an White zu nehmen, doch zunächst führt ihn sein Weg nach Tampa Bay, wo er mit der Einfuhr von illegalem Rum schnell ein kleines Vermögen macht und sich in die Kubanerin Graciela verguckt…
Rezension:
Auch wenn viele den Herrn Affleck (Ben, Anm. d. Red.) nicht leiden können, zähle ich mich ja absolut nicht zu diesem Lager und schätze ihn nicht nur, aber ganz besonders auch als Regisseur, seit er mich 2007 mit Gone Baby Gone im Kino zu begeistern wusste und so stürzte ich mich natürlich neugierig und erwartungsvoll auf seinen neuesten Film Live by Night, zumal selbiger wieder auf einem Buch von Dennis Lehane basiert, den Affleck ja bereits trefflich in seinem Regie-Debüt zu adaptieren wusste. Hier nun verhält es sich aber leider ein wenig anders, denn die Geschichte um Hauptfigur Coughlin umfasst originär drei Bände, während nur deren zweiter Teil Thema des Films geworden ist, was man so zwar grundsätzlich hinnehmen kann, was aber auch einige Probleme mit sich bringt, denn einerseits beginnt die Geschichte recht unvermittelt, andererseits ist auch das Ende nicht annähernd so befriedigend und zufriedenstellend geraten, wie man sich das nach einem derartigen Gangster-Epos erwarten und wünschen würde. Mitunter größtes Problem könnte aber sein, dass Ben Affleck hier gleich im Quartett in Erscheinung tritt, namentlich als Produzent, Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller, was dann doch seine Fähigkeiten womöglich überstiegen haben mag, denn wo in ähnlich gelagerten Produktionen die eine oder andere Instanz zum Einlenken befähigt gewesen wäre, macht er hier nun alles mit sich selbst aus und das schlägt sich auch leider im Endprodukt nieder.
© Warner Home Video
So kann man über Ben Affleck (Gone Girl) als Hauptdarsteller geteilter Meinung sein und er gibt zugegebenermaßen hier sicher nicht seine huldvollste Leistung zum Besten, doch viel schwerer wiegt, dass er in seiner Funktion als Drehbuchautor das Buch von Lehane sicherlich noch viel konsequenter hätte zusammenstutzen müssen, damit selbiges als Film funktioniert, denn im Verlauf der knapp über zwei Stunden Spielzeit wird man regelrecht bombardiert mit angerissenen Plots und vage verfolgten Ideen, zahllosen Figuren und Dialogen, die notdürftig von ein paar Voice Overs – ebenfalls von Ben Affleck – zusammengehalten werden, was ein oftmals doch extrem episodisches und zerfasertes Ergebnis liefert, das nur punktuell und in einzelnen Einstellungen zu überzeugen weiß. So ist die Geschichte um Coughlin grundsätzlich spannend und hätte es verdient gehabt, ein filmisches Epos zu werden, doch gerade in dem Bestreben, genau dies zu verwirklichen, stellt sich Affleck selbst ein Bein, so dass keiner der Ansätze sich wirklich entfalten kann, was sich besonders schön an den vielen talentierten DarstellerInnen festmachen lässt, denn egal, ob Brendan Gleeson (Am Sonntag bist du tot) als Coughlins bärbeißiger Vater, Elle Fanning (The Neon Demon) als frisch bekehrte Gläubige oder Sienna Miller (High-Rise) als aufreizende wie verbotene Gespielin, sie alle treten in Erscheinung und wecken Interesse, um allzu hastig wieder in der Versenkung zu verschwinden. So rauscht man als Zuschauer gemeinsam mit Coughlin durch dessen Leben, doch nichts setzt sich wirklich fest oder berührt nachhaltig, weil Live by Night einfach so wahnsinnig überfrachtet wirkt, dass ein Mehrteiler oder eine Mini-Serie dem Thema ohne Frage weitaus besser zu Gesicht gestanden hätte.
Einen der dankbareren Parts nimmt da noch am ehesten Zoë Saldana (Auge um Auge) ein, die zumindest eine Zeit lang eine gewisse Rolle in dem Geschehen spielen darf, das sich ansonsten voll und ganz auf Afflecks Interpretation der moralisch ambivalenten Figur verlässt, deren Ambivalenz in ihrem Tun aber leider die meiste Zeit bloße Behauptung bleibt, weil natürlich auch hierfür die Zeit fehlt, das Innenleben der Figur adäquat auszuloten. Das alles ist dahingehend doppelt schade, da Live by Night tatsächlich die meiste Zeit ziemlich fantastisch aussieht und sich atmosphärisch mitnichten zu verstecken braucht, wobei ich zugegebenermaßen auch ein ausgeprägtes Faible für den Look und die Zeit habe. Um hier aber mal ein prominentes und ungleich erfolgreicheres Beispiel zu m vergleich heranzuziehen, zeigt beispielsweise Scorseses Boardwalk Empire sehr schön, was auch aus dieser Geschichte hätte werden können, würde man ihr Zeit und Raum zur Entfaltung zugestehen, statt sie in einen nicht ganz überlangen Film zu pressen versucht. Ähnlich sieht es nämlich mit Schusswechseln und dergleichen – also allgemein den tempo- und actionreicheren Szenen – aus, die ebenfalls stilsicher und gekonnt in Szene gesetzt werden, dabei aber in emotionaler Hinsicht kaum zu packen verstehen, weil der zugrundeliegende Konflikt eben auch oft wie mal eben aus dem Hut gezaubert wirkt.
© Warner Home Video
So überzeugt Live by Night zwar optisch, lässt aber inhaltlich einiges zu wünschen übrig, was der Dramaturgie im Allgemeinen mehr als abträglich ist, denn so sehr die vielen tollen DarstellerInnen in ihren kurzen Sternstunden zu brillieren wissen, reicht das eben nicht aus, um über die allgemeine Unnahbarkeit des Geschehens hinwegzutäuschen, die im Endeffekt vieles von dem, was Coughlin passiert, dem Zuschauer reichlich egal sein lässt, weil sich ohnehin kaum nachvollziehen lässt, mit wem er sich gerade warum im Clinch befindet und wer verdammt noch mal all die Leute sind, denen er so begegnet. Leider die bislang schwächste Arbeit von Ben Affleck, den ich für seine bisherigen Regie-Leistungen zu schätzen gelernt habe, doch hier bei all den guten Ansätzen und Ideen hapert es hier doch in der Umsetzung gewaltig, so dass vielleicht noch am ehesten ausgewiesene Freunde historischer Gangster-Epen einen Blick riskieren könnten, wohingegen der Film ansonsten wohl beinahe unweigerlich zum Scheitern verurteilt ist.
Live by Night
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Nur halblegale Geschäfte - 6/10
6/10
Fazit & Wertung:
Ben Affleck präsentiert mit Live by Night seine nunmehr vierte Regie-Arbeit, verhebt sich aber diesmal leider an dem zugrundeliegenden Stoff aus der Feder von Dennis Lehane, den zu einem Spielfilm zusammen zu kürzen ihm merklich nicht gelungen ist, so dass das Geschehen seines bewusst episch angelegten Gangster-Streifens einerseits heillos überfrachtet, andererseits reichlich episodisch wirkt, wodurch sich kaum ein Ansatz, kaum eine Geschichte so richtig zu entfalten weiß, was wiederum natürlich auch den Unterhaltungswert und das Interesse nachhaltig schmälert. Viele kleine, für sich genommen überzeugende Ansätze und wunderbare DarstellerInnen in wunderbaren Nebenrollen, gepaart mit einer opulenten Ausstattung bewahren den Film immerhin davor, zum Totalausfall zu verkommen.
Live by Night ist am 15.06.17 auf DVD und Blu-ray bei Warner Home Video erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!