Review: Let Me In (Film)

Diesmal gibt es dann mal wieder etwas, was sich zumindest entfernt der Sparte Horror zurechnen lässt, auch wenn der hier mitnichten im Vordergrund steht wie ich finde. Nichtsdestotrotz oder vielleicht gerade deswegen ein mehr als empfehlenswertes Werk, das ich (mal wieder) viel zu lange vor mir hergeschoben habe.

Let Me In

Let Me In, USA/UK 2010, 116 Min.

Let Me In | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Regisseur:
Matt Reeves
Autoren:
Matt Reeves (Drehbuch)
John Ajvide Lindqvist (Buch-Vorlage)

Main-Cast:
Kodi Smit-McPhee (Owen)
Chloë Grace Moretz (Abby)
in weiteren Rollen:
Elias Koteas (The Policeman)
Richard Jenkins (The Father)

Genre:
Drama | Fantasy | Horror

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Let Me In | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Im Los Alamos der 1980er hat es die Polizei mit einer unerklärlichen Mordserie zu tun, deren Opfer grausam entstellt und teils regelrecht zerfleischt zurückgelassen werden. Nur wenige Tage vor Beginn der Morde freundet sich der schüchterne 12-jährige Owen mit der frisch hinzugezogenen Abby an, die sich allerdings vom ersten Moment an ausnehmend wortkarg und verschlossen gibt, derweil man von ihrem Vater nichts hört oder sieht. Für Owen allerdings keine Seltenheit, denn sein eigener Vater hat längst das Weite gesucht und auch seine Mutter scheint ihm fremd und unnahbar. Während Owen selbst in der Schule kaum Anschluss findet und in einer Tour gemobbt wird, fühlt er sich zunehmend von Abby angezogen, nicht ahnend, dass diese ein dunkles Geheimnis birgt und Auslöser für die Mordserie ist, die alsbald nicht nur die gesamte Nachbarschaft in Angst und Schrecken versetzen wird…

Rezension:

Mit Let Me In hätten wir wieder einmal einen dieser Filme, die eigentlich schon viel zu lange auf meiner Watchlist gestanden haben und sich gleichsam trefflich für den vom Horror geprägten Oktober eignet und auch hier wieder bereue ich es nicht, in diesen faszinierenden Film meine Zeit investiert zu haben, derweil mir noch unklar ist, ob es sich hier nun wirklich um ein Remake des skandinavischen Films von 2008 handelt oder doch eher um eine Neuinterpretation des auch dort zugrundeliegenden Buches von John Ajvide Lindqvist, das hierzulande als So finster die Nacht vermarktet worden ist. Letztlich ist das aber auch gar nicht ausschlaggebend, denn zunächst einmal sollte der Film freilich für sich selbst zu bestehen und überzeugen wissen und das gelingt Regisseur Matt Reeves, der sich nicht zuletzt durch seine Beteiligung an Planet der Affen: Revolution und Survival seine Meriten bei mir längst verdient hat. So inszeniert er hier nämlich weit weniger einen klassischen Horrorfilm, sondern vielmehr ein surreal angehauchtes, mit übernatürlichen Elementen gespicktes Coming-of-Age-Drama, das es mir bereits nach wenigen Minuten angetan hatte.

Szenenbild aus Let Me In | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Das hängt unter anderem mit einer als superb zu bezeichnenden Kamera-Arbeit zusammen, aus der eine unnachahmliche Atmosphäre resultiert, die von einer düsteren Tristesse durchzogen ist, die ihresgleichen sucht. Umso effektiver und auch schockierender kommen dadurch freilich die echten Schockmomente daher, die man auch hier nicht vergeblich sucht, die allerdings doch überraschend sparsam eingesetzt werden. Ihre Wirkung verstärkt dies indes nur, derweil die Geschichte an sich voll und ganz auf die Beziehung zwischen dem von Kodi Smit-McPhee (Slow West) verkörperten Owen und der von Chloë Grace Moretz (Kick-Ass) dargestellten Abby fokussiert. So kommt es nicht von ungefähr, dass die weiteren Rollen auch konsequent namenlos bleiben und lediglich als "Owen’s Mother", "The Father" oder "The Policeman" gelistet werden, denn sie alle sind letztlich Randerscheinungen in einer mehr als ungewöhnlichen Freundschaft, die aus ihrem Ursprung heraus ein bedrohliches und verstörendes Element enthält. Dabei sind es viele kleine Kniffe und wiederkehrende Elemente, die Let Me In in diesem Kontext eine interessante Note verleihen, so dass man beispielsweise das Gesicht von Owens Mutter erst gar nicht zu Gesicht bekommt, was auf simple wie effektive Weise unterstreicht, wie wenig hier eine Art Verbundenheit herrscht, derweil der Vater auf seine ihm eigene Art und Weise abweisend bleibt und Owens unterschwelliges Hilfegesuch gar nicht als solches auszumachen imstande ist.

Spannend aber auch der Kontext, in den Reeves seine Geschichte zu betten weiß, denn nach Beginn der Mordserie glauben die meisten an eine satanische Sekte, die ihr Unwesen treibt, derweil der gesamte Film durchzogen ist von seinerzeit durchaus populären wie appellartigen Ansprachen von Ronald Reagan, während eine in der Gesellschaft fest verankerte, als geradezu engstirnig zu bezeichnende Spiritualität eines der Kernelemente in der Ausgestaltung des Geschehens darstellt. Von alldem völlig unbeeindruckt, versucht der junge Owen derweil, seinen eigenen Weg zu gehen und seinen Platz zu finden, während er sich sichtlich alleingelassen fühlt mit seinen Problemen und Ängsten. Umso überzeugender und überraschender, dass er ausgerechnet in einer im Verborgenen lebenden Vampirin eine Art Vertraute und Verbündete findet, so dass auch hier die Konventionen des Genres auf überzeugende Art ausgehebelt werden, da es sich eben mitnichten so verhält, dass alles in einen Survival-Kampf zwischen Junge und Mädchen, Mensch und Vampir mündet, sondern weitaus überraschendere Wege geht.

Szenenbild aus Let Me In | © Universal Pictures
© Universal Pictures

So ruhig und melancholisch Let Me In aber die meiste Zeit auch erzählt sein mag, so wuchtvoll gibt sich der Film in seiner dramaturgischen Ausdeutung, wofür ausnahmsweise eben einmal nicht unbedingt die erwachsenen Darsteller, zu denen auch Richard Jenkins (Bone Tomahawk) und Elias Koteas (Devil’s Knot) zählen, verantwortlich zeichnen, sondern die emotionale Tragweite und Wucht des Geschehens ganz Smit-McPhee und Moretz überlassen, die beide gleichermaßen zu brillieren verstehen, so dissonant die Beziehung der beiden Figuren zueinander mancherorts auch sein mag. Mir persönlich hat es dabei besonders die ausgewiesene Ambivalenz und Konsequenz des Gezeigten angetan, denn auf ein himmelhoch jauchzendes Happy-End braucht man sich hier freilich nicht einstellen, während auch sonst vieles in einer moralischen Grauzone zu verorten ist, da Begrifflichkeiten wie "Gut" und "Böse" im Mikrokosmos von Owen und Abby schlichtweg nicht zu existieren scheinen. Entsprechend handelt es sich hier – zusammen mit dem rund drei Jahre später entstandenen Only Lovers Left Alive – sowohl um einen der ungewöhnlichsten als auch lohnenswertesten Beiträge zum Vampir-Sujet, den man sich als Fan des Genres ganz ohne Frage nicht entgehen lassen sollte.

Fazit & Wertung:

Matt Reeves gelingt mit Let Me In ein ungemein überzeugender Horrorfilm, der gerade dadurch zu begeistern versteht, in weiten Teilen vielmehr wie das düstere Märchen eines Dramas zu wirken, statt dutzendfach gesehene Schockmomente überzustrapazieren. So geht es hier weit weniger um den Vampirismus von Abby an sich, sondern vielmehr die Beziehung zwischen ihr und einem in sich gekehrt und zurückgezogen lebenden Jungen, der in ihr eine Art widernatürliche Seelenverwandte erkennt. Kein leichter Stoff und ungemein melancholisch vorgetragen, dadurch aber auch ein cineastisches Erlebnis.

8 von 10 nächtlichen Treffen auf dem Hof

Let Me In

  • Nächtliche Treffen auf dem Hof - 8/10
    8/10

Fazit & Wertung:

Matt Reeves gelingt mit Let Me In ein ungemein überzeugender Horrorfilm, der gerade dadurch zu begeistern versteht, in weiten Teilen vielmehr wie das düstere Märchen eines Dramas zu wirken, statt dutzendfach gesehene Schockmomente überzustrapazieren. So geht es hier weit weniger um den Vampirismus von Abby an sich, sondern vielmehr die Beziehung zwischen ihr und einem in sich gekehrt und zurückgezogen lebenden Jungen, der in ihr eine Art widernatürliche Seelenverwandte erkennt. Kein leichter Stoff und ungemein melancholisch vorgetragen, dadurch aber auch ein cineastisches Erlebnis.

8.0/10
Leser-Wertung 8/10 (1 Stimmen)
Sende

Let Me In ist am 19.04.12 auf DVD und Blu-ray bei Universal Pictures erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

DVD:

Blu-ray:

vgw

Sharing is Caring:

Eine Reaktion

  1. Stepnwolf 29. Oktober 2018

Hinterlasse einen Kommentar