Es ist mir eine große Freude, an diesem sonnigen Freitag von einem ganz und gar wunderbaren Film zu berichten, der so herrlich nostalgisch daherkommt, dass es eine wahre Freude ist.
Christopher Robin
Christopher Robin, UK/USA 2018, 104 Min.
© Walt Disney
Marc Forster
Alex Ross Perry
Tom McCarthy
Allison Schroeder
Bronte Carmichael (Madeline Robin)
Mark Gatiss (Giles Winslow)
Oliver Ford Davies (Old Man Winslow)
Ronke Adekoluejo (Katherine Dane)
Adrian Scarborough (Hal Gallsworthy)
Brad Garrett (Eeyore [Stimme])
Toby Jones (Owl [Stimme])
Peter Capaldi (Rabbit [Stimme])
Sophie Okonedo (Kanga [Stimme])
Animation | Abenteuer | Komödie
Trailer:
Inhalt:
© Walt Disney
Selbst ein Junge wie Christopher Robin, der endlose Stunden mit seinen plüschigen Freunden im Hundertmorgenwald verbracht und unzählige Abenteuer erlebt hat, wird irgendwann einmal erwachsen und so kommt es, dass Christopher seine zukünftige Frau Evelyn kennenlernt und heiratet, die beiden eine Tochter bekommen und er schlussendlich nach seinem Kriegsdienst einen Bürojob als "Efficiency Manager" beim Kofferhersteller Winslow antritt. Während Robin in Arbeit versinkt und darüber Lachen und Freude gänzlich aus seinem Leben verbannt, entfernt er sich immer weiter von Frau und Tochter, was darin gipfelt, dass er die beiden allein zu seinem Elternhaus fahren lässt, nachdem sein Vorgesetzter ihn dazu verdonnert hat, das Wochenende durchzuarbeiten. Just an diesem Wochenende erwacht aber auch Winnie Puuh und findet die Behausungen seiner Freunde verlassen vor. Prompt betritt er das aus dem Hundertmorgenwald herausführende Astloch und landet bei Christopher in London, der reichlich perplex ist, seinem alten Spielkameraden und Freund dort zu begegnen. Ablenkungen kann Christopher wahrlich überhaupt nicht gebrauchen, aber Puuh so einfach im Regen stehen zu lassen ist wohl auch keine gangbare Option…
Rezension:
Nachdem ich mich vor ziemlich exakt fünf Wochen mit Goodbye Christopher Robin auseinandergesetzt habe, der sich der Entstehung von Winnie Puuh gewidmet hat, kommt nun der ähnlich klingende, aber gänzlich anders gelagerte Christopher Robin an die Reihe, der sich anders als Simon Curtis‘ Film weit weniger als Drama um die Entstehungsgeschichte des Kinderbuchklassikers versteht, sondern stattdessen ganz auf die bekannten Disney-Figuren abstellt, die aus dem Bucherfolg von A. A. Milne seinerzeit hervorgegangen sind und Groß und Klein bis heute begeistern. So ist diese Art Film, die sich dem erwachsen gewordenen Christopher Robin widmet, der den Kontakt zu seinen Freunden aus dem Hundertmorgenwald verloren hat, auch weit weniger getragen und ernsthaft, sondern vorrangig ein Film für Jung und Alt, der zugegebenermaßen dramaturgisch sogar sehr vorhersehbar ist, allein aber durch die schiere Knuffigkeit des kleinen Bären zu begeistern versteht. Wer sich allerdings dieser Art Nostalgie-Faktor zu verweigern weiß, der wird unzweifelhaft von dem Film enttäuscht werden, wohingegen es für alle Junggebliebenen ein regelrechtes Fest sein dürfte, Puuh und Konsorten hier erstmalig in zauberhaft animierter form in Interaktion mit der realen Welt zu erleben.
© Walt Disney
Entsprechend wundere ich mich, wie wenig Christopher Robin doch vergleichsweise beworben worden ist, zumal die Verquickung von Realfilm und Animation hier so gut funktioniert wie selten zuvor und die Geschichte zahlreiche Erinnerungen an die früheren Abenteuer des Bären und seiner Freunde wirkt, ja quasi als Best-Of daherkommt, wenn I-Aah seinen Schwanz verliert, Puuh mit einem roten Luftballon durch die Gegend trottet oder Christopher – wenn auch nur imaginär – gegen eine ganze Meute Heffalumps antreten muss, um die verängstigten Waldbewohner – allen voran natürlich Ferkel – zu retten und ihnen zu beweisen, dass er der echte Christopher Robin ist. Mag der Anfang, wenn mal eben schnell der Werdegang des älter werdenden Christopher umrissen wird, noch etwas gehetzt und holprig wirken, findet der sich anscheinend in jedem Genre und Metier zuhause fühlende Regisseur Marc Forster schnell den richtigen Ton und das passende Tempo, auch wenn es natürlich befremdlich und konstruiert wirken mag, dass ausgerechnet aus einem fantasievollen und abenteuerlustigen Jungen wie Christopher Robin ein derartiger Schreibtischsklave geworden sein soll, der nichts anderes mehr als seine Arbeit zu kennen scheint und damit sowohl seine Frau Evelyn als auch die gemeinsame Tochter Madeline zunehmend verprellt.
Klar, der Film kommt in dieser Hinsicht ausnehmend stereotyp daher und die Rückbesinnung auf den Zauber der Kindheit dürfte kaum überraschen, während pflichtschuldig Stationen abgegrast werden auf dem Weg zum finalen Aufbäumen gegen den opportunistischen Arbeitgeber – ein großartig garstiger Mark Gatiss (Sherlock) –, doch ist das alles so herrlich liebevoll inszeniert und gefühlvoll dargebracht, wenn der erwachsene Christopher dem Faulenzer-Bären und Honig-Connaisseur die Welt zu erklären versucht. Und tatsächlich verbergen sich in Christopher Robin gleich mehrere Momente, in denen man durchaus ein Tränchen verdrücken kann, wobei zum Glück eben niemals Zweifel darüber besteht, dass am Ende alles gut sein wird. So mag das Geschehen dramaturgisch nicht gerade anspruchsvoll geraten sein, aber emotional trifft der Film jederzeit den richtigen Ton und wirkt im besten Sinne nostalgisch verklärt, hält in seiner Inszenierung quasi selbst die Tugenden einer kindlichen Weltsicht hoch und ist in dieser Hinsicht sowohl großartiger Familienfilm als auch Feel-Good-Movie, woran Winnie Puuh als heimliche zweite Hauptfigur zu großen Teilen Mitschuld trägt.
© Walt Disney
Aber auch Ewan McGregor (Beginners) weiß erneut zu gefallen, auch wenn die Rolle des erwachsenen und zunächst verstockten Christopher Robin wohl nicht zu den am meisten fordernden seiner Karriere gezählt haben mag, doch nimmt man ihm die Wandlung ab, während er mit zunehmenden Charme das Kind im Manne wiederentdeckt. Ihm zur Seite steht dabei – für meinen Geschmack leider viel zu selten – die nicht minder charismatische Hayley Atwell (Agent Carter) als Eveline, während auch Bronte Carmichael (die mir vor kurzem noch als Skye D’Branin in Nightflyers begegnet ist) als Tochter Madeline eine echte Entdeckung und Bereicherung darstellt, gleichwohl sowohl Atwell als auch Carmichael ihr Potential erst im letzten Filmdrittel anfangen auszuschöpfen, was freilich an der auf die namensgebende Hauptfigur fokussierten Erzählweise liegt. Christopher Robin tritt dessen ungeachtet mühelos den Beweis an, dass es mitnichten eines ausgefeilten oder sonderlich überraschenden Plots bedarf, um eine überzeugende und vor allem wahnsinnig zu Herzen gehende Geschichte voller Witz und Charme zu erzählen, denn das erledigen McGregor und die ihn umgebenden Hundertmorgenwald-Bewohner spielend im Alleingang, weshalb ich es halte wie McGregor selbst, der zu Protokoll gab "Totally ready for the sequel", auch wenn davon leider schon länger keinerlei Rede mehr gewesen ist.
Christopher Robin
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Knuffige Bewohner des Hundertmorgenwalds - 8/10
8/10
Fazit & Wertung:
Marc Forster liefert mit Christopher Robin ein wunderbar nostalgisches Märchen für Kinder wie Erwachsene, das weniger durch seinen zugegebenermaßen ziemlich formelhaften Plot, dafür umso mehr der liebevoll-charmanten und herzerwärmenden Inszenierung zu punkten versteht, in deren Zentrum sich ein Bär von geringem Verstand, dafür aber umso größeren Herzen bewegt, der knuffiger und liebenswerter kaum sein könnte.
Christopher Robin ist am 13.12.18 auf DVD und Blu-ray bei Walt Disney erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!