Review: The Boys | Staffel 1 (Serie)

Es hat mich zwar wieder einige Stunden gekostet, aber dafür präsentiere ich nun stolz meine angenehm umfangreiche und zugegebenermaßen euphorische Serien-Kritik zum jüngsten Amazon-Spross, der mich tatsächlich vom ersten Moment und bis zuletzt zu begeistern gewusst hat wie schon länger keine Serien-Produktion mehr.

The Boys

The Boys, USA 2019-, ca 59 Min. je Folge

The Boys | © Amazon Studios
© Amazon Studios

Serienschöpfer:
Eric Kripke
Evan Goldberg
Seth Rogen
Garth Ennis (Comic-Vorlage)
Darick Robertson (Comic-Vorlage)
Ausführende Produzenten:
Garth Ennis
Darick Robertson
Eric Kripke
Neal H. Moritz
Ori Marmur
Pavun Shetty
James Weaver

Main-Cast:
Karl Urban (Billy Butcher)
Jack Quaid (Hughie Campbell)
Antony Starr (Homelander)
Erin Moriarty (Starlight)
Dominique McElligott (Queen Maeve)
Jessie T. Usher (A-Train)
Laz Alonso (Mother’s Milk)
Chace Crawford (The Deep)
Tomer Capon (Frenchie)
Karen Fukuhara (The Female)
Nathan Mitchell (Black Noir)
Elisabeth Shue (Madelyn Stillwell)
in weiteren Rollen:
Simon Pegg (Hughie’s Dad)
Jennifer Esposito (Agent Susan Raynor)
Haley Joel Osment (Mesmer)
Alex Hassell (Translucent)
Colby Minifie (Ashley)
Ann Cusack (Donna January)
Brittany Allen (Popclaw)
Shaun Benson (Ezekiel)
Nicola Correia-Damude (Elena)
Shantel VanSanten (Becca Butcher)
Jess Salgueiro (Robin)

Genre:
Action | Komödie | Krimi | Science-Fiction

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus The Boys | © Amazon Studios
© Amazon Studios

Superhelden gibt es wirklich und von Konzernen wie Vought werden sie vermarktet, was das Zeug hält. Kein Wunder also, dass deren Superhelden-Team die "Seven", angeführt vom unbesiegbaren Homelander, die Trend-Charts in den Sozialen Medien ein ums andere Mal beherrschen. Mit der jungen Starlight wurde jüngst ein neues Mitglied der "Seven" berufen und während diese eigentlich glaubte, es ginge darum, Menschen zu retten und die Welt zu verbessern, muss sie sich bald der harten Realität stellen. Von all dem unbehelligt führt Hughie Campbell derweil ein ganz normales und unaufgeregtes Leben, allerdings nur bis zu dem Tag, an dem der schnellste Mann der Welt – A-Train – durch seine Freundin rauscht und kaum mehr als Blutnebel von ihr übrig lässt. Während Vought ihn noch mittels Entschädigung zum Schweigen verpflichten will, tritt derweil Billy Butcher an ihn heran und will ihn für sein Team rekrutieren, um die zunehmend über die Stränge schlagenden Helden in ihre Schranken zu weisen. Doch auch Billy bedient sich höchst unorthodoxer wie gewalttätiger Methoden, die denen der von sich selbst eingenommenen "Helden" in kaum etwas nachstehen. Hughie muss sich fragen, ob der Zweck wirklich die Mittel heiligt, zumal er alsbald selbst die Bekanntschaft von Starlight macht, die längst nicht so abgebrüht und empathielos ist, wie Billy es ihm verkaufen will…

Rezension:

Wie kaum anders zu erwarten, hat mich auch diese Superheldenserie schnell in ihren Bann gezogen, nachdem ich seit den ersten Ankündigungen der Veröffentlichung dieser ersten, acht Episoden umfassenden Staffel entgegengefiebert habe (die übrigens längst um eine zweite Season verlängert worden ist, während es sie gerade einmal seit einer guten Woche bei Amazon Prime zu sehen gibt). Und Amazon scheint da tatsächlich eine weitere Nische für sich gefunden zu haben, denn Buch- und Comic-Adaptionen könnten kaum näher liegen bei einem Anbieter, welcher dereinst als Online-Buchhandel begonnen hat. Natürlich eifert Amazon hier aber auch dem Branchen-Konkurrent Netflix hinterher, der mit seinen Marvel-Netflix-Serien den Weg geebnet und mittlerweile mit dem Mark-Millar-Exklusiv-Deal und Eigenproduktionen wie The Umbrella Academy längst weitere Schritte plant. Amazon hingegen hat sich bislang, was Superhelden angeht, noch am ehesten mit The Tick verdient gemacht, wobei die Serie nach nunmehr zwei Staffeln allerdings eingestellt worden ist, zugegebenermaßen aber auch zu sehr spleeniges Nischen-Produkt war, um die Massen begeistern zu können. Nun startet man also mit Garth Ennis‘ The Boys einen neuen Versuch und gemessen daran, dass die Reihe es auf immerhin 72 Hefte gebracht hat, wäre durchaus für Nachschub gesorgt, gleichwohl die Serienschreiber wohl des Öfteren eigene Wege gehen, statt sich schlicht auf die Umsetzung der Vorlage zu verlassen.

Was wäre nun also, wird sich Garth Ennis seinerzeit gefragt haben, wenn die Superhelden eben nicht die strahlenden Weltenretter wären, sondern ihr Erfolg, ihre Macht, ihre Unantastbarkeit längst zu Kopf gestiegen wären? Und so simpel sich diese Prämisse als Ausgangslage für eine Serie anhören mag, die sich dem theoretisch für viele sicher längst ausgelutscht wirkenden Superhelden-Sujet widmet, ist dies im vorliegenden Fall die grandiose Basis, um hieraus eine Show zu kreieren, wie sie frischer und unverbrauchter kaum wirken könnte. Vor allem aber steht den vermeintlichen Helden in Gestalt von Billy Butcher ein im besten Sinne abgefuckter Kerl entgegen, der kaum weniger skrupellos zu agieren vermag, dies aber seiner Meinung nach für die gute Sache tut, womit er zum unsympathischsten Sympathieträger seit langem wird, so dass sich in The Boys im Grunde zwei Gruppierungen von Antagonisten gegenüberstehen, die sich beide im Recht wähnen. Als moralischer Kompass und Identifikationsfigur an der Seite von Butcher fungiert derweil der neu zum Team der "Boys" hinzustoßende Hughie, dessen Figur im Comic dem seinerzeit logischerweise noch deutlich jüngeren Simon Pegg (Mission: Impossible) nachempfunden war, weshalb der nun konsequenterweise Hughies Dad verkörpern darf, während es Jack Quaid (Vinyl) obliegt, der zweiten Hauptfigur der Serie Charakter zu verleihen.

Szenenbild aus The Boys | © Amazon Studios
© Amazon Studios

Und Hughie ist in vielerlei Hinsicht das Rad im Getriebe, das die Geschichte erst ins Rollen bringt, denn nicht nur wird er indirekt Opfer eines übermütigen Helden namens A-Train (Jessie T. Usher), sondern macht auch bald die Bekanntschaft der frisch neu zum Superhelden-Team der "Seven" hinzugestoßenen Starlight, verkörpert von Erin Moriarty (Jessica Jones). So lohnt es sich für Butcher gleich in mehrfacher Hinsicht, den jungen Mann auf seine Seite zu ziehen, da dessen traumatisches Erlebnis einerseits Parallelen zu Butchers Vergangenheit aufweist – die natürlich später noch aufgerollt werden wird –, dem wütenden Mann vor allem aber die Möglichkeit bietet, die "Boys" wieder zusammenzurufen und einen erneuten Vorstoß gegen die "Seven" zu wagen. Karl Urban hat mich in der Vergangenheit ja schon des Öfteren begeistert und von Doktor McCoy in Star Trek bis hin zu Judge Dredd in Dredd die unterschiedlichsten Rollen verkörpert, scheint aber in dem gewalttätigen, desillusionierten und zynischen Billy Butcher regelrecht seine Paraderolle gefunden zu haben.

Ausgehend von dem Zusammentreffen von Hughie und Billy in der Auftakt-Episode Aller Anfang ist schwer… (1.01) braucht es dann aber auch gut die Hälfte der Staffel, bis das fünfköpfige Team der "Boys" shclussendlich komplettiert sein wird, doch ist es mitnichten so, dass bis dahin nicht auch sonst so einiges passieren würde. Der zugrundeliegende Comic wie auch die Ankündigungen zur Serie ließen derweil auch vermuten, dass es gerne auch etwas blutiger und teils regelrecht splatterig zur Sache gehen würde, doch stimmt das nur zu Teilen, denn The Boys verkommt mitnichten je zur Gewaltorgie, noch wird es zum reinen Selbstzweck außerordentlich explizit (und das wird es), so dass man sich doch zuvorderst auf das dramatische Potential der Show verlässt, die eine wirklich glaubhafte Welt entwirft, in der Helden, sogenannte "Supes" zum Alltag gehören und die Medien, vor allem die sozialen Netze, dominieren. Passend dazu existiert auch um die "Seven" herum eine enorme Marketing-Maschinerie und es geht längst nicht mehr darum, Menschen zu retten oder Schurken zu besiegen, sondern schlichtweg die eigene Marke zu optimieren und ins rechte Licht zu rücken. Insbesondere Neuzugang Starlight muss das mit teils drastischen Folgen am eigenen Leib erfahren, verkommt aber mitnichten zum naiven Blondchen, sondern gibt als hoffnungsvolle Jung-Heldin voller Ideale und alsbald gehörig Schneid eine weitaus differenziertere Figur ab.

Highlight bei den "Seven" und innoffizieller Anführer ist aber ganz ohne Frage Homelander, dessen Besetzung und Inszenierung allein mich schon frohlocken ließen, denn auch wenn die unverhohlene Anlehnung an Superman nicht von der Hand zu weisen ist, steckt unter dem Kostüm des Strahlemanns der vorrangig aus Banshee bekannte Antony Starr, der einerseits einen erschreckend bedrohlichen Strahlemann abgibt, mich andererseits dank seiner markanten Gesichtszüge des Öfteren an einen jüngeren Michael Fassbender erinnert hat, der ja nun als Magneto in den neueren X-Men-Filmen ebenfalls schon einen Schurken mit Kräften verkörpern durfte. Und Homelander, nach außen der strahlende Patriotismus, vermag mit seinem durch und durch falschen Lächeln, seinem Überlegenheits-Gehabe und reichlich Jähzorn wirklich das Fürchten zu lehren, wobei auch er nie zum einhelligen Schurken verkommt, wie man im Verlauf der Staffel lernen wird, wenn seine Herkunft beleuchtet wird. Selbiges gilt für die von Dominique McElligott (Hell on Wheels) verkörperte, Wonder Woman nachempfundene Queen Maeve ebenso wie für "The Deep", dargestellt von Chace Crawford (Twelve), der zwar ab der ersten Episode als ausgemachtes Arschloch gelten darf, aber ebenfalls in den gerade mal acht Episoden gehörig an Tiefe – oh, ein Wortwitz – gewinnt, obwohl seine Figur nicht einmal die größte Rolle in dem Reigen innehat. Nicht unerwähnt bleiben soll zuletzt allerdings auch Elisabeth Shue (Battle of the Sexes), die hier als Firmenchefin Madelyn Stillwell geradezu erschreckende Pläne für die Zukunft der "Seven" bereithält und selbst einen Helden vom Schlage eines Homelander nach ihrer Pfeife zu tanzen lassen weiß.

Szenenbild aus The Boys | © Amazon Studios
© Amazon Studios

So habe ich wirklich gestaunt ob des dramaturgischen Potentials, was sich aus dieser im Grunde generisch wirkenden Böse-gegen-Böse-Geschichte ableiten lässt, so dass The Boys insbesondere in der zweiten Staffelhälfte noch einmal gehörig an Faszination gewinnt und erkennen lässt, dass im Grunde die ersten vier Episoden nur dazu gedient haben, das Setting und die Charaktere zu etablieren und in Stellung zu bringen, wobei selbst das packender und mitreißender kaum hätte vonstattengehen können. Ansonsten vorherrschend sind aber natürlich reichlich schwarzer Humor, ein extrem bitterer Zynismus, seltene, aber wenn dann überbordende Gewalt und ein ganze Schar vielschichtiger Figuren, die zwar alle ihre Fehler haben oder gemacht haben mögen, die man aber auch nicht rundweg verurteilen kann oder will (in den meisten Fällen), die mit ihren Taten aber auch des Öfteren zu schockieren wissen. So wirkt insbesondere Starlight mit ihrer hoffnungsvollen Art wie ein regelrechter Fremdkörper in einer durch und durch korrupten und abgebrühten Welt, doch so düster das Weltbild auch sein mag, das The Boys hier skizziert, so verstörend-faszinierend ist es auch geraten, weshalb ich die nächste Staffel schon jetzt kaum noch erwarten kann, zumal im Finale Du hast mich gefunden (1.08) Weichen gestellt werden, welche die Adaption gegenüber ihrer Vorlage noch weiter und nachhaltiger emanzipieren.

Fazit & Wertung:

Die Amazon-Serie The Boys entpuppt sich in ihrer ersten, achtteiligen Staffel als ausgemacht eindrucksvolle Frischzellenkur für das Superhelden-Genre und punktet mit differenzierter Figuren- und Charakterzeichnung, deren superb gewählte DarstellerInnen in einem wendungsreichen wie dramatischen Plot zu Höchstform auflaufen. Dabei widmet sich die Serie trotz ihrer zynischen und schwarzhumorigen Erzählweise ernsten wie aktuellen Themen, punktet nicht zuletzt aber auch mit reichlich Schauwerten und teils regelrecht abgründigen Plot-Twists. Gut, dass die Fortsetzung noch vor der Premiere der Staffel beschlossene Sache gewesen ist.

9 von 10 korrumpierten, egozentrischen Superhelden

The Boys | Staffel 1

  • Korrumpierte, egozentrische Superhelden - 9/10
    9/10

Kurzfassung

Die Amazon-Serie The Boys entpuppt sich in ihrer ersten, achtteiligen Staffel als ausgemacht eindrucksvolle Frischzellenkur für das Superhelden-Genre und punktet mit differenzierter Figuren- und Charakterzeichnung, deren superb gewählte DarstellerInnen in einem wendungsreichen wie dramatischen Plot zu Höchstform auflaufen. Dabei widmet sich die Serie trotz ihrer zynischen und schwarzhumorigen Erzählweise ernsten wie aktuellen Themen, punktet nicht zuletzt aber auch mit reichlich Schauwerten und teils regelrecht abgründigen Plot-Twists. Gut, dass die Fortsetzung noch vor der Premiere der Staffel beschlossene Sache gewesen ist.

9.0/10
Leser-Wertung 9.6/10 (5 Stimmen)
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Episodenübersicht: Staffel 1

01. Aller Anfang ist schwer… (8,5/10)
02. Cherry (8,5/10)
03. Um jeden Preis (8,5/10)
04. Das Weibchen der Spezies (9/10)
05. Gut für die Seele (8,5/10)
06. Die Unschuldigen (9/10)
07. Die Selbsterhaltungsgesellschaft (9,5/10)
08. Du hast mich gefunden (10/10)

 
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The Boys | Staffel 1 ist seit dem 26.07.19 exklusiv bei Amazon Prime Instant Video verfügbar.


vgw

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Eine Reaktion

  1. Greifenklaue 18. August 2019

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