Review: Genius – Die tausend Seiten einer Freundschaft (Film)

Weiter geht es im Takt mit einer weiteren Filmkritik in dieser Woche, bevor ich mich wieder zufrieden und ermattet auf die Couch sinken lassen werde.

Genius
Die tausend Seiten einer Freundschaft

Genius, UK/USA 2016, 104 Min.

Genius: Die tausend Seiten einer Freundschaft | © Wild Bunch/Universum Film
© Wild Bunch/Universum Film

Regisseur:
Michael Grandage
Autoren:
John Logan (Drehbuch)
A. Scott Berg (Buch-Vorlage)

Main-Cast:
Colin Firth (Max Perkins)
Jude Law (Thomas Wolfe)
Nicole Kidman (Aline Bernstein)
Laura Linney (Louise Perkins)
in weiteren Rollen:
Guy Pearce (F. Scott Fitzgerald)
Dominic West (Ernest Hemingway)

Genre:
Biografie | Drama

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Genius: Die tausend Seiten einer Freundschaft | © Wild Bunch/Universum Film
© Wild Bunch/Universum Film

Der exaltierte wie extrovertierte Schriftsteller Thomas Wolfe ist nunmehr von jedem Verlagshaus der Stadt mit seinem Manuskript abgelehnt worden, doch dann landen seine Seiten auf dem Schreibtisch von Lektor Max Perkins bei Charles Scribner’s Son, der in Wolfe einen Rohdiamanten zu erkennen meint und sich gemeinsam mit ihm daran setzt, sein Debüt "O Lost" um stolze 300 Seiten zu kürzen. Der Schriftsteller ist davon alles andere als angetan, hält jede Zeile und Metapher für zwingend notwendig, begibt sich aber dennoch vertrauensvoll in Perkins‘ Hände und schlussendlich wird der nunmehr als "Schau heimwärts, Engel" ein voller Erfolg. Angestachelt von Lob und Huldigung begibt sich Wolfe an sein Nachfolgewerk und bringt üppige 5000 Seiten zu Papier, was Perkins vor die Herausforderung seines Lebens stellt und die Freundschaft und Partnerschaft der beiden auf eine zunehmend harte Probe stellt, zumal Thomas Wolfe sein Erfolg immer mehr zu Kopf steigt…

Rezension:

Ziemlich exakt seit Veröffentlichung der Blu-ray liegt Genius – Die tausend Seiten einer Freundschaft bei mir herum und eigentlich hätte ich ihn schon längst gerne sehen und rezensieren wollen, doch irgendwie war der Wurm drin. Leider gilt selbiges auch für den Film als solchen, denn nachdem ich mich nun der Geschichte um den weltbekannten Schriftsteller Thomas Wolfe und dessen Lektor Max Perkins habe, muss ich doch sagen, dass hier doch einiges mehr pflichtschuldig durchexerziert wird, anstatt echte Emotionen hervorzurufen, so dass man insbesondere den beiden Hauptfiguren im Grunde auch merkwürdig fremd bleibt, was sicherlich nicht an fehlendem Können seitens Law und Firth gelegen haben mag, sondern mehr an einem Skript, das nicht genau zu wissen scheint, wo es den Fokus des Ganzen zu setzen gedenkt. Würde der Film nicht auf der Biografie Max Perkins: Editor Of Genius fußen, könnte man sich auch guten Gewissens darüber streiten, wer von den beiden denn nun das namensgebende "Genius" hat sein sollen und wessen Geschichte hier nun wirklich erzählt wird, aber in der vorliegenden Form erfährt keine der Figuren genügend Beachtung, geschweige denn, dass ihre Freundschaft zueinander wirklich spürbar würde.

Szenenbild aus Genius: Die tausend Seiten einer Freundschaft | © Wild Bunch/Universum Film
© Wild Bunch/Universum Film

In Sachen Optik und Ausstattung derweil gibt sich Genius keine Blöße und lässt gekonnt und überzeugend die 1920er/1930er-Jahre wieder aufleben, entführt im Grunde aber nur am Rande in die "Roaring Twenties", denn vieles spielt sich dann doch im Büro des Lektor oder bei ihm Zuhause ab. Und in diesen Szenen brillieren die beiden Hauptdarsteller dann durchaus, wenn sich Perkins und Wolfe daran abmühen, ein fünftausend Seiten (!) starkes Werk auf annehmbares Maß zu stutzen, sich gegenseitig Passagen vorlesen, über die Macht und Faszination der Literatur debattieren und sich aneinander abarbeiten. Doch wirkt eben allein die Gegensätzlichkeit der Protagonisten schon wie konstruiert und auch wenn es vielleicht so gewesen sein mag, hätte man den introvertierten Perkins und den extrovertierten Wolfe sicherlich auch vielschichtiger austariert gestalten können, statt einfach darauf zu bauen, dass die mit enormer Reibungsfläche versehene Chemie zwischen den beiden schon reichen würde. Dabei ist John Logan ein überaus versierter und umtriebiger Drehbuchautor und hat neben Dutzenden anderen Werken unter anderem auch die das Skript zum großartigen Hugo Cabret zu verantworten, doch hier gelingt es ihm nicht, beide Figuren im ausreichenden Maße greifbar zu machen.

Vielleicht mag das damit zusammenhängen, dass die zugrundeliegende Biografie sicherlich ebenfalls vorrangig auf Max Perkins abstellt, doch wie dem auch sei, kommt es dem Film enorm zugute, mit sowohl Jude Law (Anna Karenina) als auch Colin Firth (A Single Man) aufwarten zu können, denn Talent, Präsenz und Charisma der beiden gleichen vieles aus, was Genius an echter Charakterzeichnung missen lässt. So ist die Freundschaft der beiden und ihre gemeinsame Arbeit auch stets im besten Sinne unterhaltsam, sehenswert und im weiteren Verlauf von zunehmender Tragik geprägt, während sich am Rande Guy Pearce (Brimstone) als F. Scott Fitzgerald und Dominic West (Les Misérables) als Ernest Hemingway die Ehre geben, welche ebenfalls seinerzeit von Perkins betreuet und gefördert worden sind. Einerseits sorgt das durchaus für ein Gefühl von Zeitgeist, wirkt andererseits aber auch wenig plakativ, ähnlich wie Rolle der von Nicole Kidman (Destroyer) verkörperten Langzeitliebschaft Aline Bernstein, die sich mit Wolfe zunehmend verkracht und zwar mit markigen Szenen aufwartet, im Kontext aber mehr wie eine lästige Nebenhandlung wirkt, die vom inszenierenden Michael Grandage dann auch gerne mal ignoriert wird, wenn es nicht so gut ins Konzept passt.

Szenenbild aus Genius: Die tausend Seiten einer Freundschaft | © Wild Bunch/Universum Film
© Wild Bunch/Universum Film

Ein ähnliches Schicksal ereilt die von Laura Linney (Nocturnal Animals) verkörperte Louise Perkins, die auffallend blass bleibt und ebenfalls Teil der Handlung zu sein scheint, weil es sie eben gegeben hat, während sich Logan und Grandage einzig und allein für ihre beiden Schriftsteller-Lektor-Duo zu interessieren scheinen. Dadurch wirkt Genius leider oft ein wenig einseitig, zumal die Handlung als solche ohnehin nicht allzu viele Haken schlägt und wenn, dann unvermittelt eine Wendung herbeiführt, während man ansonsten dem Weg eines jeden Biopic folgt, Schlüsselmomente auswalzt, um sich ansonsten auch gerne mal mit Schnittmontagen um mehrere Monate nach vorn zu katapultieren. Insbesondere dank der fähigen Darsteller-Riege ist der Film keineswegs schlecht und gerade für Literaturbegeisterte sicherlich auch einen Blick wert, doch fehlen ihm schlichtweg die Ecken und Kanten, so dass es oft wirkt, als würden Haken an obligatorische Biopic-Erfordernisse gemacht. Dadurch entfaltet sich natürlich nicht annähernd die Faszination, die man hätte erreichen können, während ich am Ende zwar begriffen haben mag, dass es sich bei Wolfe und Perkins um zwei grundverschiedene Charaktere gehandelt hat, die vorrangig ihre Liebe zur Literatur geeint hat, ansonsten aber wenig Weltbewegendes zu den beiden zu erzählen wüsste, weil es schlussendlich dann doch eher bei einer oberflächlichen Betrachtung geblieben ist.

Fazit & Wertung:

Michael Grandage versucht sich mit Genius – Die tausend Seiten einer Freundschaft daran, die oft schwierige Beziehung zwischen dem Lektor Max Perkins und dem Schriftsteller Thomas Wolfe zu skizzieren, doch fehlen der Erzählung Ecken und Kanten, um nachhaltig im Gedächtnis zu bleiben oder tiefergehend zu berühren, so dass es am Ende vorrangig dem überzeugend aufspielenden Duo Law und Firth zu verdanken ist, dass der Film nicht gänzlich im Mittelmaß versandet.

6 von 10 mühevoll lektorierten Passagen

Genius – Die tausend Seiten einer Freundschaft

  • Mühevoll lektorierte Passagen - 6/10
    6/10

Fazit & Wertung:

Michael Grandage versucht sich mit Genius – Die tausend Seiten einer Freundschaft daran, die oft schwierige Beziehung zwischen dem Lektor Max Perkins und dem Schriftsteller Thomas Wolfe zu skizzieren, doch fehlen der Erzählung Ecken und Kanten, um nachhaltig im Gedächtnis zu bleiben oder tiefergehend zu berühren, so dass es am Ende vorrangig dem überzeugend aufspielenden Duo Law und Firth zu verdanken ist, dass der Film nicht gänzlich im Mittelmaß versandet.

6.0/10
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Genius: Die tausend Seiten einer Freundschaft ist am 06.01.17 auf DVD und Blu-ray bei Wild Bunch im Vertrieb von Universum Film erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

DVD:

Blu-ray:

vgw

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